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Der brutale Absturz der Legende Wie die USA Lance Armstrong ignorieren

Besessen vom Gewinnen: Lance Armstrong.

Besessen vom Gewinnen: Lance Armstrong.

(Foto: dpa)

Der Name Lance Armstrong steht für Doping und Betrug. Sieben Mal hatte der Amerikaner die Tour de France gewonnen - alle Titel wurden ihm aberkannt. Rückwirkend würde er nichts in seiner Karriere ändern, sagt Armstrong, der heute 50 Jahre alt wird.

Es scheint fast so, als gäbe es seinen runden Geburtstag gar nicht. Als hätte sich Lance Armstrong die Worte des ehemaligen Präsidenten des Radsport-Weltverbandes, Pat McQuaid, zu Herzen genommen, der im Oktober 2012 sagte, dass der US-Amerikaner "keinen Platz mehr im Radsport habe und es verdiene, vergessen zu werden." Der Texaner wird heute 50 Jahre alt - doch in den US-Medien ist nichts darüber zu finden. Keine Dokumentationen im Fernsehen, keine Interviews oder Stories in den Tageszeitungen. Wo feiert er? Mit wem feiert er? Feiert er überhaupt? Die Fragen bleiben unbeantwortet. Man könnte denken, Amerika interessiere sich einfach nicht mehr für den Mann, der einst über sich selbst sagte, er habe es vom Hero zum Zero geschafft - also vom Helden zu einer Null wurde.

Was hatten sie mit ihm gelitten, als er 1996 schwer an Hodenkrebs erkrankt war. Sein Urologe, Dr. Jim Reeves, hatte ihm eine Überlebenschance von "20 bis 50 Prozent" gegeben - aber nur, um ihm etwas Hoffnung zu machen, wie er später zugab. Denn in Wirklichkeit stand es viel schlechter um den Patienten Armstrong. Und wie hatten die Amerikaner ihn bewundert, als er dann 1999, keine drei Jahre nach seiner letzten Chemotherapie, die Tour de France gewann. Und 2000 wieder. Und auch 2001. Insgesamt siebenmal nacheinander. Lance Armstrong war das globale Gesicht einer Sportart. Der Tiger Woods, Michael Jordan, Michael Phelps oder Michael Schumacher des Radsports.

Natürlich hatte es auch immer Kritiker gegeben, die ihm Doping unterstellten. Aber Armstrong war ja nie positiv getestet worden. Zumindest nie offiziell. Doch als nach seinem Karriere-Ende immer mehr ehemalige Teammitglieder die Omerta brachen, diesen Mafia-ähnlichen Ehrenkodex, unter Eid gegen ihn aussagten, als die amerikanische Anti-Doping-Agentur USADA 2012 zu dem Entschluss kam, Armstrongs Team hätte das "raffinierteste, professionellste und erfolgreichste Doping-Programm der Sportgeschichte" gehabt, da wusste dieser stets so herb und herzlos daherkommende Texaner, dass nur ein Geständnis ihn vor dem Gefängnis retten könnte.

28 Millionen Menschen sahen das Geständnis

Armstrong gab in einem weltweit beachteten TV-Interview vor 28 Millionen Menschen bei Oprah Winfrey zu, dass er Jahre lang gelogen und betrogen hatte. Er könne nichts von dem, was er getan habe, ändern, hatte Armstrong im vergangenen Jahr im Podcast "H.V.M.N" betont - und im selben Satz ergänzt, dass er auch gar nichts ändern wollen würde. Typisch Armstrong. Gleichgültig und arrogant. Immer noch. Zumindest klang es so.

Er habe viel gelernt in der Zeit seit 2013, sagt er. Armstrong hatte sich bei vielen entschuldigt, die er schikaniert, belogen oder denen er das Leben zur Hölle gemacht hatte. Und er wisse, dass es noch viele gibt, die er um Verzeihung bitten müsse. Aber insgesamt sei er "sehr zufrieden" mit seinem Leben, so Armstrong. Alles sei "ein wilder Ritt gewesen."

Er fährt die Berge "so hart es geht"

Sein heutiges Leben ist ruhiger. Armstrong hat zwar fünf Kinder, doch die ersten drei aus seiner ersten Ehe, sind bereits am College - und somit außer Haus. Zusammen mit seiner langjährigen Verlobten, Anna Hansen, und den beiden gemeinsamen Kindern, wohnt der tief gefallene, ehemalige Radstar in Aspen. Dort, in den Rocky Mountains von Colorado, trifft er sich oft mit Freunden zu ausgiebigen Radtouren.

Die Ausfahrten hätten zwar eher gemütlichen Charakter und die anderen Fahrer seien vor allem Hobbysportler. Dennoch fahre er die Berge "so hart es geht" hinauf, sagt Armstrong. Oben angekommen checke er dann Emails oder genieße die Aussicht, bis der Rest der Gruppe aufgeschlossen habe und es dann gemeinsam weitergehe. Zudem hält er sich mit joggen fit. Sonntags ist immer der Tag für den langen Kanten, dann läuft Armstrong zwei Stunden.

111 Mio Dollar Schaden - aber immer noch reich

Finanziell geht es ihm gut - oder besser gesagt, wieder gut. Zwar hatte er eine Schadensersatzklage der US-Regierung von 100 Millionen Dollar durch eine Zahlung von fünf Millionen Dollar gerade noch abwenden können. Durch Anwaltskosten, entgangene Sponsoren-Gelder, Rückzahlungen und weitere Einigungen habe sich der finanzielle Gesamtschaden dennoch auf 111 Millionen Dollar belaufen, sagte Armstrong 2018 dem TV-Sender "CNBC". Dass er trotzdem weiterhin Millionär ist, liegt an einem Investment von 100.000 Dollar.

Diese Summe hatte Armstrong 2009 dem bekannten Anleger Chris Sacca gegeben, der das Geld in das damals gerade gegründete Start up "Uber" gesteckt hatte. Der Online-Vermittlungsdienst zur Personenbeförderung hat heute einen Marktwert von 72,5 Milliarden Dollar. Armstrong wollte gegenüber CNBC nicht sagen, wie viel seine Investition jetzt wert ist, ließ sich aber ein "irgendwo zwischen 10 und 50 Millionen Dollar" entlocken und machte klar: "Das Geld hat unsere Familie gerettet."

Coffee-Shop, Fahrradladen, Promi-Podcast

In seiner Heimatstadt Austin/Texas betreibt er einen Coffee-Shop und einen Fahrradladen. Und einmal wöchentlich unterhält sich Armstrong in seinem Podcast mit Prominenten. Er hat unter anderem bereits die bekannten Ex-Basketballstars Charles Barkley und Chris Bosh bei sich gehabt - oder auch Schauspieler Matthew McConaughey.

Als Radprofi hat er es nicht ausstehen können, wenn jemand besser war als er. Und mitunter denke er heute noch so, sagt Armstrong. Zum Beispiel wenn er sehe, dass sein Podcast nur auf Rang drei geführt werde. "Dann denke ich mir, 'wer, verdammt nochmal, sind die beiden Podcasts, die vor meinem rangieren?'". Aber insgesamt sei er längst nicht mehr so fanatisch wie früher, habe nicht mehr diese gewinnen-um-jeden-Preis-Einstellung und auch nicht keine du-oder-ich-Attitüde. Es sei allerdings "ein langer Prozess" gewesen und habe "vieler Therapiestunden" bedurft, hatte er im Frühjahr 2019 in einem Interview mit "NBC Sports" hervorgehoben. Und er habe "immer noch viel Arbeit" vor sich, so Armstrong.

Ob der jetzige Radsport sauber sei, dazu könne er nichts sagen, betont Armstrong, denn er sei mittlerweile zu weit weg und habe keine Insider-Informationen. Und was würde er tun, wenn er gefragt wird, ob er einem Radsportler raten würde, zu dopen? Er hoffe, sagt Armstrong, dass er niemals diese Situation erleben werde, denn er sei der falsche Ansprechpartner. Aber falls es doch dazu käme, dann müsse sein Rat einfach lauten, dass das keine gute Idee sei.

Quelle: ntv.de

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