Indien ist völlig verrückt Wunderkind Gukesh sucht die Lösung zum historischen WM-Titel
06.12.2024, 15:33 Uhr
Dommaraju Gukesh und Ding Liren spielen derzeit auf Augenhöhe.
(Foto: IMAGO/Seshadri Sukumar)
Dommaraju Gukesh gilt als Wunderkind des Schachsports. Bald könnte der 18-Jährige zum jüngsten Weltmeister der Geschichte werden - und sogar Magnus Carlsen überflügeln.
In Indien treffen sich dieser Tage Tausende Menschen, um gemeinsam auf ein Holzbrett zu starren. Genauer gesagt auf eine Leinwand, und auf zwei Menschen, die im fernen Singapur auf diesem Brett Schach spielen. Wenn sich Wunderkind Dommaraju Gukesh dort im WM-Finale gegen Titelverteidiger Ding Liren das Hirn zermartert, um sich zum jüngsten Schach-Weltmeister der Geschichte aufzuschwingen, dann fiebert sein ganzes Heimatland beim Public Viewing mit.
"Die Weltmeisterschaft ist ein ganz besonderes Ereignis - ich träume davon seit ich anfing, Schach zu spielen", hatte der 18 Jahre alte Gukesh vor Beginn der Wettkämpfe erklärt - und seine Spielfreude anschließend immer wieder unter Beweis gestellt. Dem Herausforderer bleiben vor der entscheidenden Phase weiter alle Chancen, den Schach-Thron zu besteigen. 4,5:4,5 heißt es nach dem dritten Ruhetag im umkämpften Duell mit Ding. Am Samstag steht die zehnte Partie an - und Gukesh will da den nächsten Schritt machen in Richtung der für den Sieg nötigen 7,5 Punkte. Ein Weltmeistertitel wäre die fast logische Krönung eines rasanten Aufstiegs.
Auf den Spuren einer Legende
Schon früh ordneten Gukesh und seine Familie der aufstrebenden Schach-Karriere nahezu alles unter. Der Vater kündigte seinen Klinik-Job als HNO-Arzt, um den Sohn zu unterstützen, und er nahm ihn mit elf Jahren von der Schule. Drastische Maßnahmen, die sich schnell auszahlten: Rund ein Jahr später wurde Gukesh zum zweitjüngsten Großmeister in der Geschichte des Sports. "Die Rekorde", sagte Gukesh nach seinem überraschenden Triumph beim Kandidatenturnier im April, würden ihn "nicht wirklich kümmern" - und doch haben sie die Erwartungen im schachverrückten Indien ins Astronomische getrieben. Das Wunderkind gilt dort inzwischen als würdiger Nachfolger des legendären Viswanathan Anand.
Der inzwischen 54 Jahre alte Anand hatte 2013 seinen WM-Titel abgeben müssen - an keinen geringeren als Magnus Carlsen. Der wiederum glänzt auch in diesem Jahr mit Abwesenheit und ist in Singapur dennoch irgendwie omnipräsent. Denn zur Wahrheit des Gukesh-Hypes gehört auch: Selbst im Falle eines indischen WM-Siegs käme der beste Schachspieler der Welt wohl noch immer aus Norwegen.
2023 hatte Carlsen, der seinerseits "erst" mit 23 Weltmeister geworden war, seinen Titel nach zehn Jahren freiwillig abgegeben, indem er auf eine Verteidigung verzichtete. Das klassische Schach, das vorbereitungsintensive WM-Duell - all das ist Carlsen zu langweilig geworden. Der amtierende Weltmeister im Schnell- und Blitzschach versucht sich inzwischen lieber (und recht erfolgreich) als Geschäftsmann und Kultfigur.
Gibt es das Duell der Wunderkinder?
Die WM verfolgt der Weltranglistenerste natürlich dennoch. Und wird auch gegenüber Gukesh schon mal deutlich: Eine "schreckliche Leistung" habe der Inder bei seiner fehlerhaften ersten Partie gezeigt, sagte Carlsen. Eine Spitze gegen den Kontrahenten, die bei Fans die Hoffnung auf ein künftiges spektakuläres WM-Duell der beiden Wunderkinder nähren dürfte.
Ob der exzentrische Norweger sich dazu wirklich herablässt, bleibt abzuwarten - im kleineren Rahmen aber könnte es bald zu einem Aufeinandertreffen kommen. Carlsen nämlich will im Januar erstmals für den FC St. Pauli in der prominent besetzten Schach-Bundesliga am Brett sitzen. Und beim Gegner SK Düsseldorf steht ein gewisser Dommaraju Gukesh unter Vertrag.
Quelle: ntv.de, tno/sid