Vettels letzte Chance in Brasilien Die Devise heißt: Attacke
05.11.2010, 09:36 Uhr
Daumen drücken: Sebastian Vettel kann in Interlagos befreit fahren. Für ihn gibt es nur noch alles oder nichts.
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Eigentlich ist die WM für Sebastian Vettel gelaufen. Die Chancen des Heppenheimers sind, realistisch betrachtet, eher theoretischer Natur. Gerade deshalb kann es für ihn nur eine Devise geben: Alles oder nichts. Vielleicht ist ihm in Südamerika das Glück dabei endlich mal hold.
Dass Sebastian Vettel in dieser Saison vom Glück verfolgt wäre, kann man nicht gerade behaupten. Pech mit dem Auto, dem Wetter oder auch eigenes Verschulden - irgendwas war immer, was den jungen Deutschen davon abhielt, sein fahrerisches Können gepaart mit einem überlegenen Auto in eine komfortable WM-Führung umzumünzen. Schon nach zwölf Rennen hat er mögliche 128 Punkte verschenkt, wie n-tv.de damals nachrechnete.

Vor den Toren der Metropole: Sao Paolo bietet die würdige Kulisse für das vorletzte Rennen der Saison.
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Die gute Nachricht ist, dass Vettel jetzt in Brasilien wirklich nichts mehr zu verlieren hat. Von den vier verbleibenden Titelkandidaten hat er die schlechtesten Karten. Titelverteidiger Jenson Button lassen wir dabei mal außen vor, denn seine Chancen sind, auf Rang fünf liegend mit 42 Punkten Rückstand, wirklich nur noch rechnerischer Natur. Dennoch zeigt sich Vettel kämpferisch: "Ich werde bis zum Ende kämpfen." Was soll er auch machen?
Querschüsse von Webber
Während er solche Aussagen in die Notizblöcke der Journalisten diktiert, wirkt er irgendwie gelassen, lockerer als bei den vorhergehenden Rennen. Nicht einmal die Verbalattacken seines Teamkollegen, der in dieser Woche Vettel ein außergewöhnliches Talent absprach, können ihn mehr ärgern. Zudem fordert der offensichtlich übernervöse Webber eine Teamorder bei Red Bull, dass Vettel für ihn fahren solle. Auf die Frage, ob er es umgekehrt auch machen würde, wich er allerdings aus. Für Sebastian Vettel hingegen gibt es nichts mehr zu sagen. Nur noch auf der Strecke zählt es.

Querulant: Mark Webbers Hobby in dieser Saison sind Verbalattacken gegen seinen Teamkollegen.
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Dabei muss Red Bull die Tage so einiges einstecken. Ferrari-Boss Stefano Domenicali spöttelte beispielsweise, dass die Roten mit einem solch überlegenen Auto wie dem RB6 schon lange Weltmeister wären. Fraglos hätte sich Ferrari jedenfalls schon längst auf eine Nummer eins festgelegt und nicht wertvolle Punkte verschenkt. Hockenheim lässt grüßen, wo die Roten mit einer offensichtlichen Teamorder Alonso den jetzt so wertvollen Punktevorsprung verschafft haben. Dennoch sehen wir die spannendste F1-Saison aller Zeiten, wie nicht nur RTL-Experte Christian Danner gegenüber n-tv.de meint.
Massa ins Gefängnis
Leidtragender war Felipe Massa, der ohnehin durchwachsene Erinnerungen an seinen Heim-Grand-Prix haben dürfte. 2007 musste er dort schon mal seinem Teamkollegen Kimi Räikkönen per Stallregie zum WM-Titel verhelfen. 2008 durfte er sich in Interlagos für ein paar Sekunden sogar als Weltmeister fühlen bevor ihm Lewis Hamilton auf den letzten Metern der Saison den Titel wieder abnahm. Ein Phyrrussieg für den Brasilianer. 2006 konnte er ebenfalls sein Heimrennen gewinnen.

Der 4,309 Kilometer lange Kurs hat alles zu bieten: Viele Ausfälle, Wetterkapriolen und eine schwierige Mischung aus schnellen und langsamen Kurven.
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Wie enthusiastisch die sogenannten "Paulista", also die brasilianischen Motorsportfans, wirklich sind, zeigt eine ganz besondere Episode im Vorfeld des Brasilien-GP. Ein Staatsanwalt droht Felipe Massa, ihn ins Gefängnis zu stecken, sollte er per Teamorder seinen Kollegen Fernando Alonso vorbeiziehen lassen. Die Fans finden, dass der 29-Jährige sein Land verraten würde. Rubens Barrichello haben sie die Rückzieher für Michael Schumacher damals nie wirklich verziehen.
Spannung am Samstag
Apropos Michael Schumacher. Der Rekordweltmeister zeigt sich im Vorfeld des vorletzten Rennens der Saison zufrieden mit seinem ersten Jahr nach dem Comeback. "Ich brauchte Zeit, um die feinen Details zu lernen", sagte der Kerpener. Für das kommende Jahr zeigt er sich aber optimistisch und will wieder in die Erfolgsspur zurück finden. "Wir haben eine konstante Basis und verstehen das Auto besser", gibt Schumacher zu Protokoll. Für Brasilien erwartet er sich ein solides Rennen und will in den Top Ten abschließen.

Hat gut lachen: Fernando Alonso kommt mit einem komfortablen Vorsprung nach Brasilien.
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Die Motorsportfans in aller Welt dürfen sich jedenfalls auf ein spannendes Rennen freuen. Interlagos hat schon immer so einiges an Action auf und neben der Strecke geboten. Eine wichtige Rolle spielt das Wetter, das in Brasilien immer für eine Überraschung gut ist. Die Vorhersage verspricht vor allem für den Samstag Kapriolen. Da soll es Schauer geben, während für Sonntag Sonne vorausgesagt ist. Daher könnte schon im Qualifying die ein oder andere Vorentscheidung fallen. Eines ist jedenfalls sicher: Langweilig war noch kein Brasilien-GP. Hier werden Weltmeister gemacht oder auch Titel verloren. So wie es sein soll im bunten Zirkus namens Formel 1.
Quelle: ntv.de