Formel1

Verstappen lässt Hamilton leiden Diesen Weg hat seit Vettel keiner beschritten

Max Verstappen führt die Fahrer-WM der Formel 1 an.

Max Verstappen führt die Fahrer-WM der Formel 1 an.

(Foto: picture alliance / ASSOCIATED PRESS)

Noch ist mehr als die Hälfte der Saison der Formel 1 zu fahren, schon jetzt kristallisiert sich ein Titelkampf heraus, der so knapp wie seit Jahren nicht mehr ist. Max Verstappen fordert den amtierenden Weltmeister Lewis Hamilton heraus - und könnte damit auf den Spuren von Sebastian Vettel wandeln.

Überspitzt könnte es so formuliert werden: Geht es nach einer Statistik, ist das Titelrennen in der Formel 1 schon gelaufen und Max Verstappen der nächste Weltmeister. Rein theoretisch könnte sich also der Rennzirkus die Reise um den Globus sparen und schon nach dem zehnten Großen Preis die Saison beenden. Gut, das ist dann vielleicht doch etwas übertrieben. Denn dafür ist der Titelkampf in dieser Saison zu spannend. Erstmals seit Langem dominiert Mercedes nicht nach Belieben. Und erstmals seit fünf Jahren wartet der siebenmalige Weltmeister Lewis Hamilton seit fünf Rennen auf einen Sieg.

Beim zuvor letzten Mal, als das passiert ist, hieß der Weltmeister am Ende der Saison 2016 nicht Lewis Hamilton, sondern Nico Rosberg. Zwischen den beiden gab es auch einen engen Kampf, der nicht nur einige Boliden, sondern genauso ihre Freundschaft beschädigte. Am Ende gewann Rosberg den Titel und durfte sich danach Formel-1-Weltmeister nennen.

Mit Max Verstappen gibt es nun wieder einen Titelkampf, erneut wartet Lewis Hamilton seit fünf Rennen auf einen Sieg. Nur bei seinem ersten Titel 2008 konnte er nach mit einer vergleichbaren Durststrecke (sechs Rennen ohne Sieg) triumphieren. Anders als Rosberg und Hamilton halten sich beide bisher mit den Psycho-Spielchen zurück. Zwischen beiden ist noch kein Carbon geflogen, noch sind auch Verstappens 33 Punkte Vorsprung einholbar. Und noch hat auch Hamilton genügend Zeit, seinen achten WM-Titel einzufahren. Aber der Niederländer könnte nicht nur die Hamilton-Dominanz brechen, er könnte auch für ein kleines Novum sorgen: Er könnte der erste Nicht-Mercedes-Weltmeister in der "neuen Ära" sein, also seit der Einführung der Hybrid-Motoren.

Seit 2014 kam jeder Weltmeister (sechsmal Hamilton und einmal Rosberg) aus dem Team der Silberpfeile. Der bislang Letzte, der nicht im Mercedes zum Titel fuhr, war Sebastian Vettel. Genau wie Verstappen fuhr er für den Rennstall von Red Bull. Vettel holte damals von 2010 bis 2013 viermal am Stück den Titel. Dass auch Verstappen das Potenzial zu einer neuen Dominanz hat, ließ sich schon vergangene Woche beim Großen Preis von Österreich erahnen.

Der Teampartner-Fluch

Auf den letzten Runden hatte Verstappen etwas mehr als 30 Sekunden Vorsprung vor dem Zweitplatzierten Valtteri Bottas. Komplett unbedrängt, fast schon in einer Sebastian-Vettel-Artigkeit (wie zu dessen Weltmeisterzeiten, nicht heute), fuhr Verstappen dem Feld davon. In der Statistik standen jedoch nach Rennende nur knapp 17 Sekunden Vorsprung. Der Zeitverlust kam nicht etwa daher, dass der 23-Jährige das Tempo herausgenommen hatte. Es lag daran, dass Verstappen kurz vor Schluss für neue Reifen stoppte, um die schnellste Rennrunde zu fahren, die er vor dem Boxenstopp schon hatte und ausbauen wollte, weil es dafür einen Extrapunkt für den Kampf um die WM gibt.

Es sind solche Momente, die zeigen, warum sein Team seit Jahren stur auf den Niederländer baut. Warum der 23-Jährige als absolutes Ausnahmetalent gilt. Er fuhr schon in der Formel 1, da durfte er noch nicht einmal einen Führerschein machen. Mit 17 Jahren war er der jüngste Pilot der langen Königsklassenhistorie, mit 18 der jüngste Grand-Prix-Gewinner. Es gibt diesen Running Gag, dass auf dem zweiten Red-Bull-Sitz neben Verstappen ein Fluch liegt. Daran trägt auch Verstappen eine Schuld.

Niemand seiner immer wieder wechselnden Teamkollegen konnte das Gleiche leisten. Und das, obwohl die Messlatte für zuletzt Pierre Gasly und Alexander Albon schon von Beginn an deutlich niedriger als für Verstappen hing. Die aber dennoch im Vergleich so stark abfielen, dass Red Bull nach Alternativen suchte. Doch selbst sein aktueller Teamkollege, Sergio Perez, der zehn Jahre F1-Erfahrung mitbringt und im Vorjahr für Racing Point den Großen Preis von Sakhir gewann, hat im Rennen noch immer seine Mühe, mit dem Ausnahmepiloten mitzuhalten.

"Ein Rennen nach dem anderen"

Es ist einfach, bei so einem Talent mit dem Kopf in den Wolken zu landen. Wenn niemand mit einem so wirklich mithalten kann, dann können auch die Gedanken in ganz andere Sphären abgleiten. Er tue das aber nicht, sagte Verstappen vor dem Großen Preis von Großbritannien (heute, 16 Uhr/Sky und im Liveticker bei ntv.de) in Silverstone. "Ich mag es nicht, zu träumen oder an die Zukunft zu denken", erklärte der WM-Führende in der BBC: "Es ist so, wie ich schon immer gearbeitet habe."

Keine Wolkenschlösser, kein Druck. "Ich lebe im Moment", sagte er der BBC: "Ein Rennen nach dem anderen." Da spielt auch keine wirklich große Rolle, dass es seine erste Weltmeisterschaft ist, die auf dem Spiel steht? "Nein, ich weiß, dass ich ein gutes Auto habe. Ich freue mich nur auf das nächste Rennen", sagte er.

Es ist eine einfache Rechnung: Wer jedes Rennen gewinnt, der ist am Ende Weltmeister. Und Verstappen hat zuletzt dreimal in Folge ganz oben auf dem Treppchen gestanden, mit jedem Erfolg seinen Vorsprung in der WM ausgebaut. Dass er so ehrgeizig nach dem Maximum strebt, hat viel mit seinem Vater zu tun. Denn Jos Verstappen war selbst Formel-1-Fahrer. Mitte der 1990er Jahre fuhr er als Teamkollege von Michael Schumacher bei Benetton, der Deutsche gewann dort seine ersten beiden WM-Titel. Die Erfolge seiner Karriere lesen sich nicht wie die seines Sohnes: zweimal kam er als Dritter aufs Podium, ein paar Mal Vierter, Fünfter, Sechster.

Bis zum Ende seiner aktiven Zeit blieb er ohne eine einzige Führungsrunde. Das Talent seines Sohnes hat er hingegen schon früh erkannt. Und auch keine Kosten und Mühen gescheut, es zu fördern. Jüngst erzählte er in einem Interview mit Sport1, dem "Münchner Merkur" und der "tz", dass die Zeit "hart für Max war".

"Gewinnen, gewinnen, gewinnen"

Jos Verstappen riss jährlich mit einem Bus zwischen 80.000 und 100.000 Kilometer ab. Freitags nach der Schule ging es mit Sohn Max zum Kartfahren nach Italien. Erst zwei Tage Training, sonntags dann das Rennen und montags wieder in die Schule. Der Vater habe sich nebenbei noch um die Motoren gekümmert und als Mechaniker gearbeitet. Solche Reise machten beide nicht nur aus Jux, wie Vater Verstappen verriet. Sie seien nicht dorthin, um hinterherzufahren: "Ich wollte immer nur gewinnen, gewinnen, gewinnen. Das habe ich auch von ihm verlangt."

Während der Kartzeit soll es so manche Geschichte gegeben haben, die über das Limit hinausging. Einmal soll demnach der Vater dem Sohn verboten haben, in bestimmten Kurven zu überholen, um die Schwierigkeit zu erhöhen. Oder ihn noch im Regen fahren lassen haben, während es allen anderen zu gefährlich wurde. Ein anderes Mal soll er den nicht mal zehnjährigen Max in der bitteren Kälte ins Kart gesetzt haben, bis er seine Hände nicht mehr spüren konnte. Oder ihn damit bestraft haben, eine Woche kein Wort mit ihm zu wechseln. Es sind zumindest zweifelhafte Maßnahmen. Beide sind dennoch weiter eng verbunden, der Vater ist bei jedem Rennen des Sohnes dabei. Gegenüber der BBC sagte der 23-Jährige, dass er das gebraucht habe: "Er hat mich abgehärtet, was gut ist."

Heute fährt Max Verstappen in der Königsklasse. In den vergangenen Jahren konnte er den Rekordweltmeister Lewis Hamilton immer wieder ärgern. Doch am Saisonende feierte der Brite den Titel, der Niederländer wurde bestenfalls WM-Zweiter. Diesmal hat er die größte Chance, die Mercedes-Dominanz zu brechen und seit Sebastian Vettel der erste Formel-1-Weltmeister von Red Bull zu werden.

Quelle: ntv.de

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