Formel1

Neulinge Lotus, Virgin & Hispania Rock'n Roll beim Überrunden

Lotus hat wohl von den Neuen noch die besten Karten eine anständige Vorstellung abzuliefern.

Lotus hat wohl von den Neuen noch die besten Karten eine anständige Vorstellung abzuliefern.

(Foto: REUTERS)

Drei Formel-1-Neulinge auf einen Schlag bedeuten eine Erweiterung des Starterfeldes auf 12 Teams. Eigentlich sollten es sogar vier Debütanten sein, doch das USF1-Team zog seine Meldung anderthalb Wochen vor dem Saisonauftakt wegen großer finanzieller Probleme zurück. Auch wenn sie sportlich bislang enttäuschten - die Neuen sind eine Bereicherung für die Formel 1.

Wenn es am Sonntag in Bahrain losgeht, werden drei neue Rennställe mit am Start sein. Gemeldet waren sogar vier Neulinge, doch USF1 ging schon vor dem Saisonstart das Geld aus. Der Startverzicht fiel den großspurigen Amerikanern relativ leicht, weil man das Auto ohnehin noch nicht präsentiert hatte. Aber nicht nur USF1 sorgte vor der Saison für Negativschlagzeilen. Auch Virgin, formerly known als Manor, sowie das Hispania Racing F1 Team lösten bei der Konkurrenz Stirnrunzeln aus - entweder, weil sie bei den Testfahrten wie HRT gar nicht erst antraten oder weil sie dort wie Virgin fröhlich vor sich hin dilettierten.

Rock'n Roll auf der Rennstrecke: Bei Virgin geht es weniger ums Gewinnen als um die Selbstdarstellung. Timo Glock ist dennoch optimistisch.

Rock'n Roll auf der Rennstrecke: Bei Virgin geht es weniger ums Gewinnen als um die Selbstdarstellung. Timo Glock ist dennoch optimistisch.

(Foto: REUTERS)

"Furchtbar, Katastrophe, hoffnungslos", entfuhr es Christian Danner, als er nach den Perspektiven des hauptsächlich von Milliardär Richard Branson finanzierten Virgin-Rennstalls gefragt wurde. Timo Glock, der vor der Saison vom ausgelösten Großteam Toyota zum Neuling gewechselt war, ficht das nicht an. Er glaubt: "2010 wird einfach mega." Drei Jahre veranschlagt der 27-Jährige, bis sich das Projekt für ihn auszahlt. Glocks Zielsetzung für die erste Saison ist entsprechend bescheiden: "Wenn es überall einen Schritt nach vorne geht, sehe ich es als Erfolg an."

Stabile Motoren von Cosworth

Sein Traum wäre, "in einem Chaos-Rennen mal einen Punkt abstauben zu können". Davon scheint das von Chefdesigner Nick Wirth komplett per Computer Fluid Dynamics (CFD) und ohne "die größte Geldverschwendung" Windkanal, entwickelte Auto weit entfernt. Bei den Tests machte primär die Hydraulik Probleme, zudem ließen dringend benötigte Ersatzteile lange auf sich warten. Resultat: Glock konnte lediglich 944 Testkilometer zurücklegen. Wenigstens kommt der Motor, wie bei den anderen beiden Einsteigern auch, von Cosworth - und ist überraschend stabil.

Ohne einen einzigen Testkilometer ist HRT, wie das Team von Hispania abgekürzt heißt, nach Bahrain gereist.

Ohne einen einzigen Testkilometer ist HRT, wie das Team von Hispania abgekürzt heißt, nach Bahrain gereist.

(Foto: REUTERS)

Anders als USF1 hat Hispania in letzter Sekunde noch die Kurve bekommen. Nach der Übernahme des zunächst unter dem Namen Campos gegründeten  Rennstalls durch den spanischen Geschäftsmann Jose Ramon Carabante wurde Colin Kolles zum neuen Teamchef ernannt. Kolles hatte bereits 2008 bei Force India das sportliche Sagen gehabt. Bei HRT schaffte es der Zahnarzt aus Ingolstadt innerhalb kürzester Zeit, doch noch ein Team aus dem Boden zu stampfen. Ein Team, das allerdings erst kurz vor Saisonbeginn in Murcia präsentiert wurde - und in Bahrain deshalb ohne einen einzigen Testkilometer antreten wird.

Ein neuer Senna in der Formel 1

Das Chassis für HRT F1 wurde in der italienischen Rennsportschmiede Dallara gefertigt, die weiland schon einmal in der Formel 1 aktiv war. Von 1988 bis 1992 bauten die Italiener das Chassis für das Formel-1-Team Scuderia Italia. Die blieb in 92 Formel-1-Rennen punktlos. Immerhin: Hispania bringt einen legendären Namen zurück in die Formel 1. Einer der beiden Fahrer ist der Brasilianer Bruno Senna, der Neffe des 1994 tödlich verunglückten dreimaligen Weltmeisters Ayrton Senna. Der zweite Fahrer ist Karun Chandhok, ein Inder.

Ein Senna in der Formel 1: Der Neffe der Rennlegende Ayrton Senna, Bruno, fährt für HRT in der Königsklasse.

Ein Senna in der Formel 1: Der Neffe der Rennlegende Ayrton Senna, Bruno, fährt für HRT in der Königsklasse.

(Foto: REUTERS)

Den sportlich solidesten Eindruck machte bislang Lotus. Die Wette, die Teamchef Tony Fernandes mit Virgin-Finanzier Richard Branson laufen hat, scheint die englische Rennwagenschmiede mit dem großen Namen schon gewonnen zu haben: Fernandes und Branson habe jeweils gewettet, dass ihr Team die Saison als bester Neueinsteiger beenden wird. Lotus hat mit Routinier Jarno Trulli (Italien) und dem Finnen Heikki Kovalainen ein starkes Fahrerpaar, beide haben bereits ein Formel-1-Rennen gewinnen können. Bei den Testfahrten konnten sie das von Chefingenieur Mike Gascoyne entwickelte Auto zudem ausgiebig testen. Die Bestzeiten lagen allerdings mehr als fünf Sekunden hinter der Pace. Damit wiederum lag man deutlich vor Virgin.

Der Verlierer der Wette zwischen Fernandes (Chef von Air Asia)  und Branson (Boss von Virgin Airlines) muss den Gewinner übrigens als Stewardess in dessen Flugzeug bedienen. Das nur der Vollständigkeit halber.

"Eine absolute Bereicherung"

Wenngleich die neuen Teams zum Saisonstart aus sportlicher Sicht nur dahingehend interessant sind, wie oft sie überrundet werden (O-Ton Niki Lauda), begrüßt Christian Danner den Einstieg der neuen Rennställe. "Ich finde es sehr, sehr gut, dass es diese kleinen Teams gibt. Es ist hervorragend, dass sich diese Leute in das Wagnis Formel 1 stürzen. Und jedes dieser drei existierenden neuen Teams macht es ja auf seine eigene Art: Der eine setzt nur auf Computersimulationen. Der andere sagt, ich hab es ja schonmal gemacht, und macht es etabliert klassisch. Und Hispania kauft, zum ersten Mal in der Geschichte der Formel 1, praktisch bei einem Zulieferer ein schlüsselfertiges Auto."

Danners Fazit: "Auch wenn ich die Erfolgsaussichten sehr beschränkt sehe, beurteile ich die neuen Teams als eine absolute Bereicherung der Formel 1. Es nützt nichts, wenn ich nur Häuptlinge habe. Ich brauche auch Indianer."

Hispania Racing - das sagt F1-Experte Christian Danner:

"HRT hat zwar keine Testfahrten absolviert, aber das Auto ist sicher solider als der Virgin. Dass er schneller sein wird, glaube ich nicht. Die werden schon bis Mitte des Jahres brauchen, bis sie einigermaßen Land sehen. Das sind Leute, die aus dem Stand von Null auf Formel 1 fahren wollen. Dallara hat zum letzten Mal 1991 ein Auto gebaut, und das war damals eine Möhre."

Das Team
Teamchef: Colin KollesPole Positions: --
Budget: 40 MillionenChassis: Dallara
Angestellte: 11Motor: Cosworth CA2010
Starts (Siege): -- (--) Testfahrer: ---
 
Karun Chanhok (Nr. 20)Bruno Senna (Nr. 21)
                        >>> beide neu in der Formel 1

 

Virgin - das sagt F1-Experte Christian Danner:

"Furchtbar, Katastrophe, von Virgin halte ich gar nichts. Die machen jetzt einen auf Rock'n Roll und Lederjacke, das finde ich sehr amüsant und auch gut. Das gibt es in der Formel 1 bislang noch nicht, das ist eine Nische, die besetzt wurde. Aber das, was ich bei den Tests gesehen habe, ist hoffnungslos, noch schlimmer eigentlich als hoffnungslos. Wenn ein Auto seine mit den neuestens Technologien entwickelten Einzelteile beim Testen sukzessive abwirft, kann da irgendwas nicht stimmen.

Timo Glock tut mir jetzt schon leid - so ein netter Kerl, so ein guter Fahrer und so ein Kastastrophenteam. Wenn man nach den Testfahrten geht, ist Virgin noch ganz weit weg davon, ein Rennen zu beenden."

Das Team
Teamchef: John BoothPole Positions: --
Budget: 45 MillionenChassis: Virgin VR-01
Angestellte: --Motor: Cosworth CA2010
Starts (Siege): -- (--) Testfahrer: Andy Soucek, Luiz Razia
 
Timo Glock (Nr. 24)Lucas di Grassi (Nr. 25)
Fahrerwertung: 10. mit 24 PunktenFahrerwertung: --
Siege: 0Siege: --
Podestplätze: 2Podestplätze: --
Pole Positions: 0Pole Positions: --
Bester Startplatz: 2.Bester Startplatz: --
Bestes Rennergebnis: 2.Bestes Rennergebnis: --

Lotus - das sagt F1-Experte Christian Danner:

"Von den Neulingen ist Lotus sicher das beste Team - nicht, weil sie so einen tollen Namen haben, sondern weil die ganze Technik sehr solide ist. Mike Gascoyne war in den vergangenen Jahren Cheftechniker bei vielen Teams und hat nicht bei Null angefangen, er wusste was er braucht. Das Auto ist aber sicherlich nicht sehr schnell, ich schätze dreieinhalb bis vier Sekunden hinter der Pace. Aber der Lotus ist ein ordentliches Formel-1-Auto und wird auch ins Ziel fahren.

Mit Jarno Trulli und Heikki Kovalainen haben sie zudem eine absolut starke Fahrerkombination. Aber sie werden trotzdem nicht in die Nähe des Mittelfelds kommen."

Das Team
Teamchef: Franz TostPole Positions: 102
Budget: 65 MillionenChassis: Lotus T127
Angestellte: 260Motor: Cosworth CA2010
Starts (Siege): 489 (74) Testfahrer: Fairuz Fauzy
 
Jarno Trulli (Nr. 18)Heikki Kovalainen (Nr. 19)
Fahrerwertung: 8. mit 32,5 PunktenFahrerwertung: 12. mit 22 Punkten
Siege: 0Siege: 0
Podestplätze: 3Podestplätze: 0
Pole Positions: 1Pole Positions: 0
Bester Startplatz: 1.Bester Startplatz: 2
Bestes Rennergebnis: 2.Bestes Rennergebnis: 4.

 

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Quelle: ntv.de, (mit dpa, sid)

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