Formel1

Keine Cockpitchance bei Mercedes Schumacher wählt ungewöhnlichen Umweg - ins F1-Glück?

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Mercedes wirft Mick Schumacher den Rettungsanker zu. Dank der Silberpfeile ist der 23-Jährige nach seinem Aus bei Haas auch kommendes Jahr Teil der Formel 1, wenn auch nur als Test- und Ersatzfahrer. Ab 2024 reizt ein anderes Projekt.

Schumacher und Mercedes 2.0. Wo die professionelle Karriere von Vater Michael Anfang der Neunziger im Sportwagen begann und 2012 im F1-Silberpfeil endete, will nun auch Mick Schumacher Fuß fassen. Ein "Neuanfang" sei sein Engagement als Test- und Ersatzfahrer bei den Silberpfeilen, sagte der Deutsche, nachdem der Deal mit Mercedes-Motorsportchef Toto Wolff eingetütet war. Im Umfeld des langjährigen Weltmeister-Teams will Schumacher die schwierige Zeit bei Haas mit dem bitteren Aus als Stammfahrer vergessen.

"Die Formel 1 ist eine faszinierende Welt, in der man nie aufhört zu lernen. Ich freue mich darauf, noch mehr Wissen aufzusaugen und alles zum Wohle des Mercedes-Teams zu geben", zitierte der Rennstall Schumacher in seinem offiziellen Bulletin. Das klingt schön, das klingt motiviert - und doch geht es für Schumacher zunächst einmal vor allem in den "Keller".

Im (hochmodernen) Simulator am Mercedes-Werk in Brackley soll er bei der Entwicklung und Weiterentwicklung des neuen Silberpfeils W14 helfen. Schumacher habe in seiner Karriere stets durch "sein technisches Feedback und seine Arbeitsmoral beeindruckt", ließ das deutsch-britische Werksteam wissen. Und auch der Chef verteilte Vorschusslorbeeren. "Er ist ein harter Arbeiter, hat eine ruhige und methodische Herangehensweise und ist immer noch hungrig, zu lernen und sich als Fahrer zu verbessern", sagte Mercedes-Häuptling Toto Wolff über seine Nummer drei im Stall.

Kann Ruf als affiner Analytiker festigen

Bedeutsamer als die Einsätze im Simulator ist für Schumacher aber etwas anderes. In seiner neuen Rolle wird er 2023 bei jedem der 23 Grands Prix mit dem Team an der Strecke sein. Das ist zum einen wichtig, weil er bei dem ein oder anderen Freitagstraining sicher einmal im Silberpfeil Platz nehmen darf. Zum anderen, weil er so in die Abläufe beim langjährigen Branchenprimus eingebunden wird, etwa, wenn es um die Setup-Arbeit an den Boliden von Superstar Lewis Hamilton und dessen Kronprinz George Russell geht. Gerade hier kann Schumi jr. seinem Ruf als technisch affiner Analytiker gerecht werden. Vor allem aber kann er sich weiterbilden. "Noch mehr Wissen aufsaugen" eben. Von den Besten lernen - wo ginge das besser als bei Rekordchampion Hamilton und Mercedes?

Dennoch: Mehr als die Rolle des dritten Mannes ist für Schumacher bei Mercedes auf absehbare Zeit nicht drin. Hamilton will trotz seines fortgeschrittenen Alters von 37 Jahren noch ein paar Jährchen weiterfahren. Russell steht gerade erst am Anfang seiner Zeit bei Mercedes, die, nach Ansicht vieler Experten, früher oder später auf dem Weltmeister-Thron gipfeln wird. Für Schumacher gilt es daher, das Beste aus seiner Rolle zu machen. "Schaffe, schaffe, Zukunft bauen", lautet die Devise. Und genau hierbei dürfte Schumacher von seiner Mercedes-Dauerpräsenz im Fahrerlager profitieren. An 23 Rennwochenenden bieten sich unzählige Möglichkeiten zu Gesprächen mit den Verantwortlichen anderer Teams - vor allem mit einem: Andreas Seidl.

Der Bayer hat nach seinem überraschenden Abgang von McLaren künftig als Geschäftsführer bei Sauber das Sagen. Die Schweizer stehen - wie Schumacher - vor einem "Neuanfang", 2023 soll für Sauber - wie für Schumacher - ein Jahr des Übergangs werden. Ende nächsten Jahres endet die Sponsoring-Partnerschaft des Rennstalls mit Alfa Romeo, Audi steht vor der Tür.

Audi winkt und hat große Pläne

Der Autoriese übernimmt Sauber 2026, wenn in der Formel 1 ein neues Motorenreglement gilt. Aus dem einst von Peter Sauber gegründeten Privatteam wird das Audi-Werksteam. Schon zuvor will sich die Marke mit den vier Ringen in mehreren Schritten bei Sauber einkaufen. Seidl soll bei Sauber den Übergang ins Audi-Zeitalter leiten. Dem 46-Jährigen kommt dabei zugute, dass er den Rennstall in Hinwil aus seiner Zeit bei BMW kennt (die Bayern bildeten von 2006 bis 2009 ein F1-Team mit Sauber). Außerdem hat Seidl aus seiner Zeit bei Porsche in der Langstreckenserie WEC beste Kontakte zum VW-Konzern, zu dem bekanntlich auch Audi gehört.

Seidl kennt die Wünsche Audis. Die Ingolstädter machen kein Geheimnis daraus, dass sie sich für ihr Formel-1-Abenteuer einen deutschen Fahrer wünschen. Natürlich kennt Seidl auch Mick Schumacher. Und natürlich könnte der sich im kommenden Jahr empfehlen. Persönlich im direkten Gespräch und übers Ohr. Auch ein versierter "Entwicklungsfahrer" spricht sich im Paddock herum.

Für kommende Saison sind die Cockpits bei Alfa/Sauber an den finnischen Routinier Valtteri Bottas und den jungen Chinesen Zhou Guanyu vergeben. Mindestens ein Sitz dürfte 2024 frei werden. Umso wichtiger ist der Mercedes-Deal für Schumacher. Als Ersatzfahrer (und das übrigens auch für die Mercedes-Kunden McLaren, Aston Martin und Williams) verliert der junge Fahrer nicht den Kontakt, nicht den Anschluss an die Königsklasse, verschläft keine (technische) Entwicklung. Unter dem Mercedes-Stern kann Schumacher 2023 ohne den medialen Dauerstress, den er zuletzt bei Haas hatte, sein Profil schärfen - und die Zukunft planen.

Was braucht es für ein F1-Comeback?

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Dass solch ein Übergangsjahr funktionieren kann, zeigt der Werdegang von Esteban Ocon. Der Franzose hatte Ende 2018 bei Racing Point sein Cockpit verloren, damit der Teameigner, Milliardär Lawrence Stroll, seinen mit weitaus weniger Talent "gesegneten" Sohn Lance unterbringen konnte. Ocon, damals im Mercedes-Juniorprogramm, übernahm 2019 die Rolle des Test- und Entwicklungsfahrers der Silbernen, auch er war bei den Grand-Prix-Wochenenden präsent. Als Mercedes im Sommer 2019 lieber mit Valtteri Bottas verlängerte, statt den Junior zu befördern, hatte Ocon längt Kontakte zu Renault geknüpft, drängte bei den Franzosen Nico Hülkenberg ins Aus. Der Rest ist Geschichte: 2020 raste Ocon erstmals aufs Podest, 2021 stand er für das mittlerweile in Alpine umbenannte Werksteam in Ungarn sensationell ganz oben. Erfolge, von denen auch Mick Schumacher träumt.

Was braucht es für ein F1-Comeback, wenn man ein Jahr lang nur Ersatzfahrer ist? Geduld und Sitzfleisch im Simulator, sagte Ocon wenige Tage nach seinem Budapest-Coup im Interview mit RTL/ntv. "Als ich die Ziellinie überquert habe, musste ich an all diese Momente denken, auch an die schwierigen in der Formel 1, in denen ich geduldig darauf gewartet habe, dass mir jemand eine Chance gibt. Ich habe im Dunkeln gearbeitet, ohne Scheinwerferlicht, ohne, dass es jemand gesehen hat. Aber ich habe darauf gewartet, dass die Leute erkennen, wie wahnsinnig motiviert ich bin. Koste es, was es wolle - ich will Rennen gewinnen. Ich war mir immer sicher, dass sich harte Arbeit eines Tages auszahlt, wenn ich zeige, dass ich motoviert und hungrig bin. Ich war immer bereit, wenn der Motor startete, egal ob für Filmaufnahmen, Winter- oder Sommertests. Wenn es eine Möglichkeit gibt, springe ich ins Auto, auch wenn ich kein Rennen fahren kann, ich will so viel fahren wie möglich." Die Worte seines Kumpels aus der Normandie - für Mick Schumacher klingen sie wie eine Anleitung.

Quelle: ntv.de

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