Formel1

Mercedes und die Weltmeister-Lücke Wehrlein wäre als Rosberg-Erbe ein Risiko

Pascal Wehrlein sieht sich als legitimer Erbe von Weltmeister Nico Rosberg.

Pascal Wehrlein sieht sich als legitimer Erbe von Weltmeister Nico Rosberg.

(Foto: picture alliance / dpa)

Der Ausstieg von Formel-1-Weltmeister Nico Rosberg bereitet den Silberpfeilen arges Kopfzerbrechen. Pascal Wehrlein sieht sich unterdessen als legitimer Erbe des vakanten Cockpits und verkündet das auch öffentlich. Vielleicht etwas vorschnell.

Die Fußstapfen in die Wehrlein treten will sind verdammt groß.

Die Fußstapfen in die Wehrlein treten will sind verdammt groß.

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Der plötzliche Abgang von Nico Rosberg nach seinem Titelgewinn in der Formel 1 setzt das Team der Silberpfeile ordentlich unter Druck. Ein Nachfolger muss her. Und zwar schnell, denn die Zeit bis zum Saisonstart im März eilt. Hinzu kommt, dass die Cockpits eigentlich alle besetzt sind und die Teams mit den besten Fahrern mal ganz schnell die Schotten dicht gemacht haben. Red-Bull-Teamchef Christian Horner schickte dem Chef der Silberpfeile Toto Wolff – kurz nachdem bekannt wurde, dass Rosberg das Weite sucht – eine SMS, in der er unmissverständlich zum Ausdruck brachte, dass ein Werben um Max Verstappen oder Daniel Ricciardo aussichtslos sei.

Der ebenfalls sofort ins Gespräch gebrachte Sebastian Vettel wies ebenfalls deutlich darauf hin, dass sein Vertrag bei Ferrari das Jahr 2017 einschließe. Und einen Mann wie Fernando Alonso in das Mercedes-Cockpit zu setzen, ist auch einem Wolff zu heiß. "Was ich auf jeden Fall vermeiden will, ist ein Alonso-Hamilton-Szenario, wie es das 2007 gab. Das ist ein Territorium, das ich wirklich nicht betreten möchte", sagte Wolff der Onlineplattform motorsport-magazin.com. Seinerzeit beharkten sich die McLaren-Teamkollegen auf und abseits der Strecke derart, dass Ferrari-Pilot Kimi Räikkönen den WM-Titel abstaubte.

Wehrlein ist kein Verstappen

In der DTM erfolgsverwöhnt, fuhr Wehrlein in der Formel 1 nur hinterher.

In der DTM erfolgsverwöhnt, fuhr Wehrlein in der Formel 1 nur hinterher.

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Der richtige Zeitpunkt also, dass sich der Ziehsohn von Toto Wolff, Pascal Wehrlein, für den vakanten Posten in Stellung bringt. Und sogleich tönt der 22-jährige: "Natürlich habe ich das Zeug, der Nachfolger von Nico Rosberg zu werden." Woher nimmt Wehrlein diese Einsicht? Statistisch gesehen ist der Worndorfer in der Saison der beste Rookie gewesen. Seinem Teamkollegen Rio Haryanto fuhr er im Schnitt 30 Sekunden voraus und auch ein Jolyon Palmer muss sich noch deutlich steigern. Ob Wehrlein aber auch gegen einen jungen Wilden wie Esteban Ocon, der in der kommenden Saison das Cockpit von Nico Hülkenberg bei Force India einnehmen wird, noch Klassenbester wäre, darf in Frage gestellt werden.

Nein, ein Ocon hat in seiner Vita keinen DTM-Titel vorzuweisen wie Wehrlein, aber den hat ein Verstappen auch nicht. Bei dem jungen Holländer ist aber klar, dass er das Zeug zum Weltmeister hat. Bei Wehrlein zählt einzig und allein die Behauptung, dass er mit einem Silberpfeil das Zeug zum Sieger hätte. Eine gewagte und nicht wirklich zu belegende These. Ein Verstappen ist in der Lage vom letzten Platz aufs Podest zu fahren. Wehrlein hat es mit seinem Manor in 21 Rennen einmal in die Punkte geschafft.

Bottas und Pérez zu teuer?

Der 20-jährige Estaban Ocon könnte Wehrlein das Silberpfeil-Cockpit noch wegschnappen.

Der 20-jährige Estaban Ocon könnte Wehrlein das Silberpfeil-Cockpit noch wegschnappen.

(Foto: picture alliance / dpa)

Wichtig ist bei dem Cockpit-Poker auch, dass Wehrlein für Mercedes kostenfrei aufrücken könnte. Denn eine ebenfalls nicht uninteressante Besetzung wäre Valtteri Bottas. Der Finne wird im Übrigen von Toto Wolff gemanagt und stünde so gesehen als sehr talentierter und inzwischen gereifter Pilot zur Verfügung. Aber Williams braucht Bottas als erfahrenes Gegengewicht zu Lance Stroll, der den Platz von Felipe Massa übernehmen wird. Die Briten werden den Finnen mit Sicherheit nicht kampflos hergeben, was nichts anderes heißt, als dass sie sich den Wechsel fürstlich vergüten lassen würden. Ähnlich verhält es sich mit der Option Sergio Pérez bei Force India.

Insofern scheint es fast unumgänglich, dass sich die Mercedes-Verantwortlichen Pascal Wehrlein weiter schönreden und darauf verweisen, dass der Rookie unzählige Testkilometer zurückgelegt hat. Und Wehrlein selbst betont: "Kein Fahrer hat mehr Erfahrung im Umgang mit den 2017er Reifen als ich." Mehrfach in diesem Jahr war er für Pirelli in einen alten Silberpfeil gestiegen, um die neuen Breitreifen der kommenden Saison zu testen. Sein Wissen, so wird argumentiert, könnte angesichts des neuen Reifen- und Aerodynamik-Reglements in der neuen Saison Gold wert sein.

Keine Zwistigkeiten mehr

Vielleicht ist das tatsächlich so, aber noch ein anderes Unbill könnte Mercedes für einige Zeit ausschließen. Der 22-Jährige hat früh gelernt, sich in die Mercedes-Hierarchie einzugliedern. "Jedes einzelne Mitglied ist Teil der Balance", so Wolff: "Deswegen kann man nicht jemanden reinwerfen, der sein eigenes Ding durchziehen will und diese Dynamik nicht versteht." Das gilt wohlgemerkt nicht für einen Lewis Hamilton. Das Naturtalent würde Wehrlein ohnehin in Grund und Boden fahren. Zwistigkeiten wie mit Rosberg sind hier jedenfalls nicht zu erwarten. Denn selbst die Ansage, dass die Piloten bei Mercedes frei fahren dürfen, wäre in dieser Konstellation nur ein Glaubensbekenntnis und keine Herausforderung zum ernsten Zweikampf.

Wolff jedenfalls sagte der "Gazzetta dello Sport", er bevorzuge "am wenigsten" die Option, sich auf dem Markt nach einem Top-Fahrer umzusehen, wenn man "einen der beiden Juniorpiloten Pascal Wehrlein oder Esteban Ocon" einsetzen könne. Bei den Mercedes-Feierlichkeiten in Sindelfingen am Samstag bezeichnete er Wehrlein "natürlich" als eine Option. Allerdings nicht als einzige. Und warum nicht? Nun, weil auch Ocon noch eine Option ist. Den Franzosen etwa könnte Mercedes beim Kundenteam Force India durch rabattierte Aggregate auslösen - ein vergleichsweise geringer Preis, wenn Wolff und Niki Lauda in dem 20-Jährigen den Top-Kandidaten sehen. Einen Versuch wäre Ocon in jedem Fall wert. Denn bei aller Klasse, die Wehrlein in der DTM gezeigt hat: In der Formel 1 blieb er den Beweis eines Ausnahmetalents bis dato schuldig.

Quelle: ntv.de

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