Formel 1 in Silverstone Vettel will die Führung
09.07.2010, 12:26 Uhr
Begehrter Mann: Sebastian Vettel hat derzeit alle Optionen offen. Auf und neben der Strecke.
(Foto: REUTERS)
In Silverstone hat sich schon manches Blatt der Formel-1-Saison gewendet. Vergangenes Jahr eröffnete Red Bull die Jagd auf die überlegenen Brawns und fügten dem späteteren Weltmeister Jenson Button eine schmerzhafte Niederlage zu. Das will Vettel dieses Jahr wiederholen. Michael Schumacher hingegen hat den Titel bereits abgeschrieben.
Irgendwie haben alle ein Heimspiel in Silverstone. Nahe der traditionsreichen Rennstrecke im Süden Englands sind zahlreiche Rennställe beheimatet und so will jeder der dort zahlreich antretenden Belegschaft zeigen, was ihre harte Arbeit denn bewirkt hat. Und die Techniker und Ingenieure aller Teams mussten richtig ran in den letzten Wochen. Für Silverstone haben die meisten der führenden Teams ein größeres Update angekündigt. Dabei geht es vornehmlich um den schon in den vergangenen Wochen heiß diskutierten F-Schacht. Das System, das Red Bull schon seit längerem im Einsatz hat, soll die Abgase des Motors gezielt auf den Diffusor am Heck lenken und so für einen besseren Abtrieb auf der Hinterachse sorgen.
Der Grund, warum die Teams gerade in Silverstone mit der Neuerung endlich auf die Strecke wollen, ist nicht nur die geographische Nähe der meisten Teams zu den Werken. Nach dem Umbau der Strecke des GP von Großbritannien ist der Kurs 745 Meter länger geworden und soll mindestens zwei neue Überholmöglichkeiten haben. Vor Kurve 13 und Kurve 16 könnten die Piloten die Chance zum Angriff haben.
Unwägbarkeiten im neuen Abschnitt
Allerdings ist das alles bisher graue Theorie, denn kein F1-Auto durfte bisher wirklich testen. Alle Werte wurden am Simulator ermittelt. Wie es dann wirklich aussieht im umgebauten letzten Streckenabschnitt, wo Bodenwellen, unterschiedlicher Grip und Temperaturunterschiede weitere Faktoren sind, kann der beste Simulator der Welt nicht ermitteln. An das Feingefühl eines F1-Fahrers kommt kein Computer heran.
Stallkrieg: Jenson Button (r.) und Lewis Hamilton üben sich demonstrativ in Harmonie.
(Foto: REUTERS)
Generell ist die Strecke gespickt mit schnellen Kurven und Hochgeschwindigkeitspassagen. Das kommt dem Auto von Red Bull entgegen, das genau auf solchen Kursen hervorragend funktioniert. Allerdings hat McLaren in Sachen Top-Speed die Bullen sogar überholt. Nur in schnellen Kurven haben sie noch einen Vorsprung, und der sollte in England noch entscheidend sein. Ob es aber für einen Doppelsieg wie im letzten Jahr reicht, ist dennoch fraglich.
Hill prognostiziert Stall-Krieg
Denn bei McLaren hat man nicht nur am F-Schacht gearbeitet. Ein ganzes Bündel an Verbesserungen soll den MP4-25 nach vorne bringen. Wegen der Komplexität eines F1-Boliden haben die Briten viele Stunden am Simulator getüftelt, bevor sie jetzt das große Update auf die Strecke bringen. Unterdessen prognostizieren viele Experten, allen voran Ex-Weltmeister Damon Hill, ein Ende des Stallfriedens bei McLaren. "Bis jetzt hält sich das Ganze am Siedepunkt, aber es könnte schon bald überkochen", spekuliert der Brite. Zwei Weltmeister in einem Team, die derzeit nur sechs Punkte auseinander liegen, das könne nicht gut gehen.
Ferarri-Pilot Felipe Massa sieht sein Fahrzeug am entscheidenden Punkt angekommen.
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Lewis Hamilton und Titelverteidiger Jenson Button üben sich dagegen demonstrativ in Harmonie vor ihrem Heimspiel in Silverstone. Button sagt als Reaktion Auf Hill: "Für mich ist es eine gute Beziehung und ich bin sicher, dass es so weitergeht." Hamilton greift Hill sogar direkt an. Der Champion von 2008 stellt in Frage, dass Hill überhaupt weiß, wovon er spricht und orakelt: "Ihr werdet es im Laufe des Jahres herausfinden."
Ferrari-Wut hat sich gelegt
Bei Ferrari hingegen will man jetzt endlich den großen Sprung an die Spitze schaffen. Fernando Alonso sieht eine große Verbesserung des F10 in schnellen Kurven. Die Roten hatten bereits in Valencia ein umfangreiches Update im Gepäck, konnten es aber nicht in Punkte ummünzen. Der Zorn des Teams konzentrierte sich auf Lewis Hamilton und sein unfaires Verhalten in der Safety-Car-Phase, das zwar bestraft wurde, dem Briten aber dennoch große Vorteile brachte. Inzwischen haben sich die Wogen in Maranello wieder etwas geglättet. Allerdings sieht Teamkollege Felipe Massa den F10 an einem entscheidenden Punkt, gerade weil Silverstone keine Ferrari-Strecke ist. Silverstone ähnele sehr Istanbul, wo der Ferrari nicht gut ging. "Wenn der F10 also jetzt funktioniert, dann wissen wir, dass wir am richtigen Weg sind", prophezeit der Brasilianer.
Michael Schumacher will sich auf die kommende Saison und die Entwicklung des neuen Autos konzentrieren.
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Unterdessen hat Michael Schumacher in einem Interview den WM-Titel für dieses Jahr abgeschrieben. Wörtlich sagte er: "Jetzt denke ich nicht mehr an die Weltmeisterschaft - das wäre in meinen Augen unrealistisch, wenn ich an mein Punktekonto denke." Vielmehr will er die Brawn-Strategie aus dem Jahr 2008 wiederholen und alle Kräfte auf die kommende Saison und das neue Auto lenken. Das klang vor Valencia noch anders, als der siebenfache Champion noch Siege in dieser Saison ankündigte. Davon ist erst mal keine Rede mehr. F1-Guru Bernie Ecclestone glaubt hingegen ungebrochen an Schumacher und sieht die Schuld für das Siechtum bei Mercedes. "Würde Michael im Red Bull sitzen, wäre er sofort wieder der Alte", sagte der 79-Jährige.
Vettel hat alle Optionen
Sebastian Vettel hat in England nach seinem Sieg von Valencia hingegen Oberwasser. Und das gleich in mehrerlei Hinsicht. Einerseits geht der RB10 dort richtig gut, im Vorjahr konnten die Bullen einen Doppelsieg einfahren. Auch für die Zukunft kann der Heppenheimer gerade ganz entspannt planen. Red Bull will seinen bis 2012 laufenden Vertrag vorzeitig bis 2015 verlängern und dabei die Bezüge deutlich aufbessern. Aber der 23-Jährige steht bei nahezu allen Spitzenteams auf dem Zettel. Ecclestone möchte ihn gerne bei Ferrari neben Alonso sehen, das Interesse von Mercedes ist schon länger bekannt und selbst McLaren soll in ihm eine Option als Nachfolger von Jenson Button sehen. Vettel selbst, der immer noch keinen Manager hat und mit seinem Vater in die Verhandlungen geht, will vor allem eines: "Ein siegfähiges Auto." Das Gehalt sei ihm dabei weniger wichtig. Kein Wunder, denn das dürfte auf jeden Fall stimmen.
Vor allem aber hat er den nächsten Grand Prix in Silverstone vor Augen. Bei einem Sieg könnte er erstmals die Führung in der Gesamtwertung übernehmen. Dazu dürfte Hamilton aber nicht über den vierten Platz hinaus kommen. Bei einem Doppelsieg von Red Bull also keine unrealistische Option. Dazu sollte aber auch Teamkollege Mark Webber den zweiten Platz sichern. Der muss nach seinem Horrorcrash von Valencia in Vettels gebrauchtem Chassis starten. Sein alter Bolide war nicht mehr rechtzeitig zu reparieren. Am Sonntag ist aus deutscher Sicht also Daumen drücken für Vettel angesagt, denn der kann in diesem Jahr immer noch der jüngste Weltmeister aller Zeiten werden.
Quelle: ntv.de