"Er wird vermutlich schweben" Bierhoff nervt, Gomez will keine Rache
29.06.2016, 14:36 Uhr
Um Oliver Bierhoff könnte es morgen sehr einsam werden. Mario Gomez weicht dem Thema Terror in der Türkei aus und Mats Hummels interessiert sich nicht für die deutsch-italienische Fußball-Geschichte.
Was sagte der Bundestrainer?
Er sagte (möglicherweise) Folgendes: "Lieber Jens (Grittner, Pressesprecher der Nationalelf; Anm. d. Red.), ich war doch gestern schon bei diesen Journalisten. Schick heute einfach mal den Mats Hummels, der kann gut reden, den Andreas Köpke, der muss auch mal ran, und den Mario Gomez, der kennt sich doch mit Italien aus." Und der Jens (der Grittner) verstand und leistete Folge, schleppte das Trio nach einer intensiven Trainingseinheit am Mittag ins gut gekühlte Pressezentrum direkt oberhalb des Stade Camille Fournier zur entspannten Plauderrunde. Zu besprechen gab's ja genug.
Zum Beispiel die Europameisterschaft von 1996. Damals, in England, setzte sich Deutschland zum bisher letzten Mal die kontinentale Krone auf - dank Oliver Bierhoff. Der hatte gegen Tschechien nicht nur den zwischenzeitlichen Ausgleich zum 1:1 erzielt (79), sondern in der Verlängerung (95.) auch das Golden Goal zum 2:1. Morgen auf den Tag genau jährt sich der Triumph zum 20. Mal. Offenbar sehr zur Freude des Siegtorschützen. Bereits gestern erklärte Bundestrainer Joachim Löw daher, dass er Bierhoff am Donnerstag aus dem Weg gehen wolle. "Ich bin froh, wenn ich das nicht mehr höre. Das erzählt der Oliver bei jeder Gelegenheit oft genug." Heute legte Köpke nach: "Ich weiß nicht, ob ich den Oliver morgen sehen werde. Er wird vermutlich durchs Hotel schweben." Aber wir können sie direkt beruhigen: Sowohl Löw als auch Köpke lächelten, als sie berichteten. Wir vermuten daher: Ein bisschen Wahrheit steckt schon drin im Bierhoff'schen Glücksrausch, aber für schlechte Laune wird es nicht sorgen. War ja schließlich schön damals.
Etwas betrübter wirkte Mario Gomez. Was nicht verwunderlich war, schließlich gab es in seiner aktuellen fußballerischen Heimat Istanbul (Besiktas) gestern einen fürchterlichen Terroranschlag mit über 40 Toten und 250 Verletzten. Besonders viel drüber reden wollte der Stürmer allerdings nicht. "Wenn die ersten Nachrichten kommen, sind wir alle geschockt. Das ist eine sehr traurige Geschichte, egal wo das passiert." Er selbst versuche sich jetzt in Frankreich aber so gut wie möglich abzulenken. Dabei helfe ihm der Fußball. Und da stehe ja nun das schwere Viertelfinale gegen Italien an.
Ein besonderes Spiel für den Torero angesichts seiner Vergangenheit beim AC Florenz? "Nein, auch wenn es sportlich nicht immer gut lief, hatte ich eine gute Zeit. Aber ich hege keinen Groll." Vielmehr glaube er fest daran, dass Deutschland gegen Italien gewinnen werde. Darauf setzt auch Neu-Bayer Mats Hummels. Die Vergangenheit, so sagte er im DFB-Basecamp, spiele für ihn dabei keine Rolle. Er selbst habe Italien im Jahr 2009 mit der U21 auf dem Weg zum EM-Titel geschlagen und nur 2012 in einem Turnier gegen sie verloren. "Damit steht es 1:1 und in den Testspielen haben wir seitdem immer gut gegen sie ausgesehen." Womit er recht hat. In zwei Freundschaftsspielen seit der Niederlage von Warschau gab's ein Remis (1:1) und einen Sieg zuletzt am Ostersonntag in München (4:1).
Wie ist der Krankenstand?
Wir notieren eine Meldung, die ein kleines bisschen Sorgen bereitet. Denn der quasi alternativlose Linksverteidiger Jonas Hector fehlte am Mittwochmorgen im Training. Der Kölner hat sich eine leichte Grippe eingefangen. Oder wie es in der medizinischen Fachsprache ungleich dramatischer heißt: Er laboriert an einem Infekt der oberen Atemwege. Schlechte Nachrichten gibt es auch für die Fans der italienischen Mannschaft. Denn die Azzurri mussten in ihrer Einheit auf Daniele De Rossi, Gianluigi Buffon und Antonio Candreva verzichten. De Rossi hatte sich beim 2:0-Sieg im Achtelfinale gegen Spanien eine Verletzung an der Hüfte zugezogen, Candreva pausiert bereits seit mehreren Tagen mit Adduktorenproblemen. Warum Buffon mit dem Training aussetzte, blieb zunächst offen. Ob sie am Samstagabend spielen können? Das ist aktuell unklar.
Wer ist Mitarbeiter des Tages?
Trotz Abwesenheit mal wieder der Bundestrainer. Mit seiner Gelassenheit und Ruhe wurde er von n-tv.de in den vergangenen Tagen ja bereits mehrfach gelobhudelt. Heute übernimmt diesen Part sein Vor-Vorgänger Rudi Völler. Der nämlich sieht den 56-Jährigen mittlerweile in einer Linie mit den größten Bundestrainern aller Zeiten. "Ich sehe Jogi Löw auf einer Stufe mit Sepp Herberger, Helmut Schön und Franz Beckenbauer", sagte der Sportchef von Bayer Leverkusen der "Sport Bild". "Sie sind die Trainer, die mit Deutschland die WM-Titel gewonnen haben. Mehr geht nicht", erläuterte er: "Wenn Jogi jetzt noch den EM-Titel oben draufsetzt, ist das umso schöner."
War sonst noch was?
Ja, ein mittlerweile fast vergessener EM-Hoffnungsträger hat sich nun zu Wort gemeldet: DFB-Pechvogel Antonio Rüdiger. Der hat seine schwere Verletzung aus dem Trainingsquartier in Évian und das damit verbundene Turnier-Aus offenbar bestens verdaut. "Tränen? Nein. Es ist bitter, aber ich habe gelächelt", sagte der Abwehrspieler ebenfalls der "Sport Bild": "Ich habe die Verletzung sofort akzeptiert. In so einer Situation musst du deinen Mann stehen." Geholfen habe ihm dabei auch der Bundestrainer. In einem persönlichen Gespräch habe Löw ihm gesagt: "Komm schnell wieder auf die Beine". Zudem gab's noch eine Menge aufmunternde SMS von den Teamkollegen. Denen drückt er übrigens vom heimischen Krankenbett aus die Daumen: "Es ist auf keinen Fall so, dass ich neidisch wäre oder es ihnen nicht gönnen würde", versichert er: "Deutschland hat das Zeug, jeden Brocken aus dem Weg zu räumen."
Das sieht Mario Balotelli natürlich ganz anders. Vor vier Jahren noch hatte der mittlerweile sportlich abgestürzte Egozentriker die DFB-Elf im EM-Halbfinale von Warschau (2:1) mit zwei Toren und aufreizend provokanter Pose gedemütigt. Nun fordert er von seinen ehemaligen Nationalmannschaftskollegen, es ihm gleich zu tun (wenn auch ohne demütigende Pose): "Respektiert sie, aber fertigt sie ein weiteres Mal ab." Denn danach ist der Weg zum Titel frei, glaubt Balotelli und posaunt: "Wer Europameister wird? Italien!" Aha.
Quelle: ntv.de