Polnisches Drama, russisches Ballett Dieser EM-Start macht Lust auf mehr

Tausende zitterten beim Eröffnungsspiel mit dem polnischen Team.

Tausende zitterten beim Eröffnungsspiel mit dem polnischen Team.

(Foto: dpa)

Sie sei die einfachste von allen, so heißt es vor Beginn der EM über Gruppe A. Doch der Auftakt bietet keine Langeweile, sondern Spannung und schöne Tore. Ein Traumlos erwartet die deutsche Nationalelf im Viertelfinale ganz sicher nicht. Die Polen hadern nach dem unglücklichen Turnierstart mit sich selbst. Der Schmerz über die gefühlte Niederlage sitzt tief.

Ein Meer von leeren Bierbechern: die Fanmeile in Danzig.

Ein Meer von leeren Bierbechern: die Fanmeile in Danzig.

(Foto: dpa)

Wem vor der EM die Aufgabe gestellt worden wäre, die fünf aufregendsten Spielpaarungen der Vorrunde zu benennen, der hätte Gruppe A wohl geflissentlich übersehen. Co-Gastgeber Polen, Griechenland, Russland und Tschechien stehen im Weltfußball eher für biedere Fußballkost. Die Teilnahme Griechenlands gilt sogar als Beweis dafür, dass die EM auf keinen Fall aufgestockt werden darf.

Vor den fußballhistorisch betrachtet von Fehlstart-Angst und Unsicherheit über das eigene Leistungsvermögen geprägten Auftaktpartien ließ diese Konstellation zwei Dinge erwarten: 0:0 und 0:0. Es kam zweimal anders. Es machte richtig Spaß. Es war aufregend.

Das Auftaktspiel war ein Fußballdramolett und bot nebenbei Einblick in die polnische Seele. Auf der Danziger Fanmeile ließ sich ein euphorisiertes rot-weißes Menschenmeer zunächst verzweifeln vom Spiel ihrer Mannschaft, als Robert Lewandowski aus kurzer Distanz weder Ball noch Tor traf und das erlösende 1:0 verpasste. Das muss ja so kommen, das kann ja nichts werden! Und begeistern, als er wenig später doch die Führung erzielte und Polen anschließend weiter dominierte - weil Griechenland den Beweis antrat, dass die Fußball-EM auf keinen Fall aufgestockt werden darf.

Es wurde mucksmäuschenstill

Und dann diese zweite Halbzeit: Die drohenden Regenwolken hatten die polnischen Fans verschont, ihre Mannschaft tat es nicht. Vorne fehlte der Elan, hinten die Konzentration. Als die zu Unrecht dezimierten Griechen ausglichen, wurde es mucksmäuschenstill in Danzig. Als Torhüter Wojciech Szczesny vom Platz flog und Georgios Karagounis zum Elfmeter antrat, war der polnische Fatalismus mit Händen zu greifen: Wie hatte man nur, entgegen der nationalen Gepflogenheiten, trotz verdienter Führung und unverdienter Überzahl zur Halbzeit vom Besten ausgehen können, das in Polen grundsätzlich nie erwartet wird? Die EM schien verloren …

… bis Polens Ersatztorhüter Przemyslaw Tyton mit seinem ersten Ballkontakt nicht nur alle Wortspielfreunde glücklich machte, sondern auch alle Polska-Fans. Die im Warschauer Stadion und die in Danzig, die seine Elfmeterparade feierten wie den Titelgewinn. Es war der Höhepunkt eines Eröffnungsspiels, das seine Schönheit nicht aus Toren, sondern aus Fehlern, Platzverweisen, Heldentaten und einem 1:1-Endstand zog, den beide Teams als Sieg und Niederlage empfanden.

Als anschließend Russland und Tschechien zum Duell antraten, lagen in Danzig mehr zertretene Bierbecher auf dem Boden als Fans vor der riesigen Leinwand standen. Polen ist fußballbegeistert, wenn Polen spielt. Wer geblieben war, wurde mit – angesichts der Ausgangskonstellation – sagenhaften fünf Toren entschädigt und einer Lehrstunde in russischer Effizienz. Geradezu leichtfüßig demontierte Russland die überforderten Tschechen und widerlegte die These, dass Auftaktspiele die Beine schwer machen.

Wer nach der EM nach den fünf aufregendsten Spielen gefragt wird, wird ganz sicher an Gruppe A denken. An fatalistische Polen, biedere Griechen, russische Balletttänzer und ausgeknockte Tschechen. Dieser EM-Start hat Spaß gemacht. Und Lust. Auf mehr.

Quelle: ntv.de

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