Plötzlich nah an der Perfektion Southgate treibt England das Elfmeter-Trauma aus

Bukayo Saka gehört zu den Elfmeter-"Experten" der Engländer.

Bukayo Saka gehört zu den Elfmeter-"Experten" der Engländer.

(Foto: REUTERS)

Die englische Fußball-Nationalmannschaft steht im Halbfinale der EM - auch dank eines souveränen Elfmeterschießens gegen die Schweiz. Zufall ist das nicht, erklärt ein Experte. Unter Trainer Gareth Southgate wird intensiv an der Spezialdisziplin gearbeitet.

Die Engländer und Elfmeterschießen, das war einmal eine bittere Geschichte. Die flatternden Nerven der Three Lions wurden zur Legende. Doch ein Mann wollte das nicht akzeptieren, auch wegen seiner eigenen Erfahrung. Trainer Gareth Southgate hat sich dem Thema angenommen. Seit acht Jahren, seit er die Nationalmannschaft übernommen hat, arbeitet er akribisch daran, dem Elfmeterschießen den Zufall zu nehmen. Geir Jordet, ein Sportpsychologe und Elfmeter-Experte, sagte der "Frankfurter Allgemeinen Zeitung", dass sich die Engländer "einem perfekten Elfmeterschießen langsam nähern". Wegen eben Southgate.

1996, bei der Heim-EM, vergab der Innenverteidiger, der damals bei Aston Villa unter Vertrag stand, als sechster und einziger Schütze seines Teams. Sein Schuss in die linke untere Ecke wurde von DFB-Keeper Andreas Köpke entschärft. Weil Andreas Möller danach den Ball kompromisslos unter die Latte knallte, war das tieftraurige England im Halbfinale gescheitert und Deutschlands Weg zum EM-Titel frei. Es war aber nicht das einzige Elfmeterschießen, das auf bittere Weise mit dem Namen Southgate verknüpft ist.

Bei der letzten Europameisterschaft, 2021, wechselte er im Finale gegen Italien in der 120. Minute zwei Spieler ein, die schließlich scheiterten. Marcus Rashford schoss an den Pfosten. Der Schuss von Jadon Sancho wurde von Gianluigi Donnarumma entschärft. Ebenso der Versuch von Bukayo Saka, der allerdings schon seit der 70. Minute gespielt hatte. Die tragischen Helden mussten danach schlimmen Rassismus ertragen. Saka reifte daran. Gegen die Schweiz, im Viertelfinale (5:3, 1:1) trat er als dritter Schütze an und traf souverän. Er war schwer erleichtert, was er gestenreich kundtat. Auch seine vier Teamkollegen waren erfolgreich. Weil Torwart Jordan Pickford einen Versuch, den von Manuel Akanji, dank seines Trinkflaschentricks parierte, zog England ins Halbfinale ein.

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"Ich bin voller Bewunderung für ihn (Anmerk. d. Red.: Bukayo Saka). Er hat damals nicht nur den entscheidenden Elfmeter verschossen, die Konsequenzen für ihn waren verheerend", sagte Jordet. Saka habe "seither intensiv an seiner Elfmeter-Routine gearbeitet". Er kenne "kaum einen Spieler, bei dem die Abläufe derart automatisiert sind, der sich auch so viel Zeit lässt vor seinem Schuss." Southgate, so berichtet Jordet, habe "eine Elfmeter-Task-Force" gegründet und nach "einem wissenschaftlichen Ansatz" gesucht. "Ich habe damals mit Chris Markham gesprochen, er hat diese Task-Force geleitet", erklärte Jordet, "und ich habe ihm gesagt, dass es vor allem auf eines ankommt: Kontrolle." Unter Southgate gewannen die Engländer drei von vier Elfmeterschießen bei den vergangenen Turnieren, inklusive der Nations League.

England spielt am Mittwoch (21 Uhr/ARD und MagentaTV sowie im ntv.de-Liveticker) in Dortmund gegen die Niederlande um den Einzug ins Finale. Der Sieger der Partie steht am Sonntag im Endspiel in Berlin. Bislang machten die Niederländer im Turnierverlauf den besseren Eindruck. Die Elftal hofft auf eine Wiederholung des EM-Triumphs von 1988, als das Turnier ebenfalls in Deutschland ausgetragen wurde. Trotz ihres Halbfinal-Einzugs sind die Engländer eine der großen Enttäuschungen bei der EM. Das Starensemble in der Offensive strahlt wenig Gefahr aus, stattdessen kamen die Three Lions mit Minimalisten-Fußball weiter. Dennoch ist die Hoffnung auf den ersten Triumph bei einem großen Turnier seit der WM 1966 groß.

Quelle: ntv.de, tno

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