Nur Querpässe oder Weltstar? Kroos vs. Hoeneß - wer hat recht?

Toni Kroos und Uli Hoeneß haben derzeit keine freundlichen Worte füreinander übrig.

Toni Kroos und Uli Hoeneß haben derzeit keine freundlichen Worte füreinander übrig.

(Foto: imago images / Horst Galuschka)

Mal wieder kann Uli Hoeneß nicht an sich halten. Im Sport1-Doppelpass kommentiert er mit gewohnt klarer Kante das EM-Aus der deutschen Nationalmannschaft. Die Kurzform: Kroos war das Problem. Stimmt die Kritik des ehemaligen Bayern-Bosses? Ein Pro und Contra.

Uli Hoeneß hat womöglich noch eine alte Rechnung mit Toni Kroos offen und noch nicht ganz verkraftet, dass der Rio-Weltmeister nach seinem Abgang vom FC Bayern zu einem der erfolgreichsten deutschen Fußballer aller Zeiten wurde. Schließlich bekam der Star von Real Madrid im Sport1-Doppelpass vom ehemaligen Bayern-Patron die volle Breitseite ab. Dabei haben auch gerade die Bayern-Spieler Thomas Müller, Leroy Sané, Serge Gnabry und Joshua Kimmich allesamt keine gute Europameisterschaft gespielt. Dennoch: Stimmt die Kritik von Uli Hoeneß?

Ja, Kroos ist zu langsam und ungefährlich

"Habt ihr die letzte Viertelstunde gegen England gesehen?", wettert Hoeneß in Stammtisch-Manier in der Doppelpass-Runde. "Toni Kroos war nicht einmal über der Mittellinie und hat immer am Mittelkreis quer gespielt." Das stimmt so natürlich nicht. Dennoch spricht Hoeneß anschließend valide Punkte an.

"Da muss ich mal was riskieren." Hiermit hat der ehemalige Bayern-Präsident recht. Risiko war noch nie das Spiel des Toni Kroos'. Einige schätzen gerade seine Abgeklärtheit und Ruhe am Ball, andere vermissen schon länger, dass er viel zu selten für Überraschungsmomente sorgt. "Toni Kroos passt mit seinem Querpassspiel nicht mehr in diesen Fußball. Es wird vertikal gespielt. Es wird mit dem Ball - wie bei den Italienern - volle Pulle nach vorne gerannt." Auch für diese Hoeneß-Aussagen können leicht Beweise gefunden werden. Schnell war der 31-Jährige noch nie. Oft macht er das Spiel langsam, was in bestimmten Situationen förderlich sein kann. Manchmal macht Kroos das Spiel aber auch zu langsam. Mit dem Ball am Fuß für Tempo sorgen, sich mal eins-gegen-eins durchsetzen, wie es etwa İlkay Gündoğan im deutschen Spiel vermag, das war nie seins. Der Real-Profi ist kein dominanter Anführer, der vorangeht.

Kroos antwortet Hoeneß postwendend auf Twitter mit einer Statistik des Sportanalyseunternehmens Opta. Dort wird der Profi von Real Madrid nach der EM-Vorrunde auf Platz eins geführt bei den meisten Pässen aller Spieler ins letzte Angriffsdrittel (66, der Zweitplatzierte hat 48). Allerdings sagt die Anzahl der Pässe nichts über deren Qualität aus. Pässe ins letzte Drittel müssen nicht bedeuten, dass sie für Gefahr sorgen. Kroos sammelte mit diesen vielen Zuspielen keinen einzigen Assist. Auch kein einziger Pass, der zum finalen Assist geführt hätte, war darunter. Gegen England im Achtelfinale kamen, das ist bekannt, auch keine hinzu. Auch aussichtsreiche Standards setzte er beim Turnier mehrmals in den Sand.

Bei Real Madrid kreiert Kroos jedoch weiterhin Torchancen en masse. Aktive Fußballspieler, die den sogenannten 'modernen' Fußball wohl etwas besser als Hoeneß kennen, verehren ihn. Dass der Real-Profi dort gerade offensiv so gar nichts mehr verloren hat, ist also überzogen. Ankreiden kann man eher Kroos' Schwächen im aggressiven Spiel gegen den Ball - etwas, dass ein defensiver Mittelfeldspieler definitiv drauf haben muss. Das war schon bei der WM 2018 ein Problem und nun wieder bei der Europameisterschaft. Bei Ungarns 1:0 im letzten Gruppenspiel verliert der 31-Jährige zunächst einen Zweikampf im Mittelfeld, joggt dann zurück und macht anschließend viel zu wenig Druck auf Flankengeber Roland Sallai, sodass Adam Szalai zur Führung einnicken konnte. (dbe)

Nein, Hoeneß entfernt sich von den Fakten

Immer wieder Uli Hoeneß. Man hatte ja gehofft, dass der ehemalige Präsident des FC Bayern München nach dem Ende seiner Zeit an der Säbener Straße seinen inneren Frieden findet. Aber wahrscheinlich sind die einfachen Schlagzeilen, die er mit seinen unregelmäßigen Auftritten im Doppelpass machen kann, zu süß für ihn. Im vergangenen Jahr griff er David Alabas Berater Pini Zahavi an, bezeichnete ihn als "geldgierigen Piranha" und vertrieb einen der Schlüsselspieler der Bayern so endgültig in Richtung Spanien.

Nun hat er also scharf gegen Toni Kroos geschossen. Also genau gegen eben jenen Spieler, der die Bayern 2014 verließ, um bei Real Madrid zu einer Legende zu werden und den Hoeneß nun "Querpass-Toni" nennt. Nun bei Real Madrid häufte er Titel über Titel an, bestimmte und bestimmt seit Jahren das Spiel des weißen Balletts, auch mit seinen Bällen in die Angriffszonen. Auch das Aus bei der für den DFB enttäuschende Europameisterschaft ist nicht an dem Mittelfeldspieler festzumachen gewesen. Er bewegte sich im Rahmen seiner auch von Joachim Löw vorgegebenen Möglichkeiten und vergab, anders als Hoeneß-Liebling Thomas Müller, keine großen Torchancen im Angesicht der drohenden Niederlage gegen England.

Kroos sei beim EM-Aus gegen England zum Ende hin nie über die Mittellinie gekommen und habe "in diesem Fußball überhaupt nichts mehr verloren", sagt Hoeneß nun also. Bemerkenswert sind hier zwei Dinge. Immer wieder, auch in diesem Text, bekommt er eine Öffentlichkeit für seine Aussagen, die, da reicht ein kurzer Blick auf die Daten, sich im "Post Truth"-Bereich bewegen, die also mit den eigentlichen Fakten wenig zu tun haben. Dem deutschen Fußball würde es guttun, sich weniger mit den Einlassungen des alternden Bayern-Ehrenpräsidenten zu beschäftigen. Er beschreitet nun den Weg des Franz Beckenbauers. Am Ende seiner Experten-Karriere wurde seinen Worten wenig Bedeutung beigemessen. Das sollte fortan auch für Uli Hoeneß gelten. (sue)

Quelle: ntv.de

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