Conte umgarnt die DFB-Elf Löw gesteht Italien doch Augenhöhe zu

Joachim Löw - doch siegessicher?

Joachim Löw - doch siegessicher?

(Foto: dpa)

Vor dem EM-Viertelfinale gegen die Squadra Azzurra legt der Bundestrainer seine Demut ab, während Kollege Conte ihn übermäßig lobt. Dio mio! Und doch gibt es einen Hinweis darauf, dass Italien das Spiel längst gewonnen hat. Ein Überblick

Worum geht's?

Das europäische Fußball-Establishment sucht dringend eine Mannschaft, die in der Lage ist, den Isländern und Walisern beim kontinentalen Kräftemessen in Frankreich den Café au lait zu reichen. Italiener und Deutsche treffen sich heute (ab 21 Uhr im Liveticker bei n-tv.de) im Stadion Matmut Atlantique Bordeaux, um sich dafür zu bewerben. Joachim bevorzugt zwar Espresso, gibt sich aber vor diesem Viertelfinale ambitioniert: "Wir haben uns schon auch einige Dinge angesehen von Italien. Von daher glaube ich, dass wir gut eingestellt sind und wissen, was uns erwartet." Und dann sagte der Bundestrainer einen Satz, der interessant war: "Die Italiener sind sicherlich auf Augenhöhe, klar." Sicherlich auf Augenhöhe? Hatte er nicht noch in dieser Woche Demut gepredigt? Nun, es scheint so, als sei da gestern eine ansonsten gut unter Verschluss gehaltene Siegesgewissheit durchgeschimmert.

Wie ist die Ausgangslage?

Hatten wir erwähnt, dass noch niemals seit der Erfindung des Fußballs eine Auswahl des DFB bei einem Turnier gegen eine Squadra der Federazione Italiana Giuoco Calcio gewonnen hat? Und dass der aktuelle Bundestrainer da so seine ganz eigenen Erfahrungen gemacht hat? Ah, hatten wir. Dann belassen wir es dabei. Schließlich sagt selbst Gianluigi Buffon, 38 Jahre alter Torwartphilosoph und Hobbyturner von Juventus Turin: "Es geht um das Hier und Jetzt. Und das unterscheidet sich von der Vergangenheit." Wir werden sehen.

Wie ist die deutsche Mannschaft drauf?

Alles prima also, tutto bene. Oder, Herr Löw? "Man soll sich nicht täuschen, dass alle nur locker sind." Die Spannung steige schon auch vor dieser Partie, die für die DFB-Elf die fünfte in diesem Turnier ist. Über die Ukraine, Polen, Nordirland bis hin zum souveränen 3:0 gegen die Slowakei im Achtelfinale hat die Mannschaft jedes Mal ein wenig besser gespielt. "Die Automatismen sind in den letzten Spielen relativ gut gewesen." Und nun kommt erstmals ein Gegner auf der zitierten Augenhöhe. "Jeder weiß, das nächste Spiel kann das letzte sein." Aber: "Zuversicht haben wir natürlich auch. Wir wissen schon um unsere eigenen Stärken. Das ist immer sehr, sehr wichtig. Die Mannschaft hat Selbstbewusstsein."

Aber kommen wir zur Aufstellung. Welchen elf Spielern vertraut der Bundestrainer heute? Wir wissen es nicht. Gestern Abend im Stadion sagte er nur: "Es ist ja nie so, dass sich ein Trainer und eine Mannschaft immer nur nach den eigenen Möglichkeiten richten. Es gibt schon auch Gegner, klar. Und umso besser die Gegner werden, umso mehr muss man auch darauf hinweisen, was den Gegner stark macht. Italien hat ja auch hervorragende Lösungen in der Offensive wie in der Defensive. Es ist wichtig, vieles über das eigene Spiel zu wissen, aber auch manches über den Gegner." Puh, und was heißt das jetzt? Dem ZDF sagte Löw abseits der Pressekonferenz als Service für alle Gebührenzahler, dass Benedikt Höwedes nicht für Joshua Kimmich als rechter Außenverteidiger ins Team rücken werde. Zudem deutete er an, dass nicht die gleiche Startelf wie gegen die Slowakei auflaufen werde. Also mit Mario Götze statt Mario Gomez in der Angriffsmitte? Das sagte er nicht.

Nur so viel: Dreierkette? Viererkette? Die Frage nach der Abwehrformation kann Bundestrainer nicht mehr hören. Die sei nämlich nicht entscheidend. Da hat er insofern Recht, als dass beim 4:1 beim Testspiel gegen die Italiener Ende März in München die deutsche Mannschaft zwar mit einer Dreierkette spielte, mit Shkodran Mustafi, Antonio Rüdiger und Mats Hummels; Sebastian Rudy und Jonas Hector agierten rechts und links als Außenspieler und rahmten im Verteidigungsfall die Dreierbande ein. Zudem spielte Mesut Özil auf der Position des Sechsers im defensiven Mittelfeld. Nicht nur, weil Rüdiger und Rudy gar nicht dabei sind, ist das nun keine Option. Wenn überhaupt, dann bilden Höwedes, Jérôme Boateng und Hummels die Dreierkette, ergänzt durch Kimmich rechts und Hector links. Mesut Özil, Sami Khedira, Toni Kroos und Julian Draxler würden das Mittelfeld bilden und Thomas Müller dürfte sich in vorderste Reihe versuchen. Vielleicht kommt aber alles auch ganz anders.

Was machen die Italiener so?

Sie loben den Gegner und verraten nicht, wer auflaufen wird. Und so sprach Trainer Antonio Conte: "Wir spielen gegen einen sehr starken Gegner, in jeder Hinsicht. Ich glaube, dass sie in diesem Turnier besser sind als die Spanier. Sie sind der amtierende Weltmeister, sie haben alles, was eine Mannschaft aufbringen kann: Technik, Talent, physische Stärke, Organisation. Ich glaube, sie sind die kompletteste Mannschaft weltweit. Es ist eine Hochphase in der Geschichte des deutschen Fußballs. Sie haben sehr starke Spieler und sind eine sehr starke Mannschaft als Einheit. Mein Kompliment an die deutschen Spieler und an Joachim Löw." Du meine Güte! Dio mio! Dieser Conte ist schon ein Fuchs, den Gegner so zu umschmeicheln, einzulullen mit überschwänglichen Worten des Lobes.

Aber zum Personal: Wie steht's um Mittelfeldstar Daniele De Rossi vom AS Rom, der sich im Achtelfinale beim 2:0 gegen Spanien den linken Oberschenkel geprellt hatte? Conte: "Ich möchte jetzt nicht zu viel zu seinem Fitnesszustand sagen. Er muss aber 120 Prozent fit sein für dieses intensive Spiel, das wir erwarten. Es geht nicht darum, nur mehr oder weniger, sondern absolut fit zu sein." Er sei aber "zuversichtlich, dass es Ersatz für De Rossi geben könnte". Wir tippen mal, dass er spielt.

War sonst noch etwas?

Allerdings. Im Grunde hat Italien das Spiel längst gewonnen - das mit den Klischees. Und schon sind wir beim Coolnessfaktor. Es traten an am Freitagabend im Stadion Matmut Atlantique: Conte und Gianluigi Buffon gegen Löw und Özil. Alles fing damit an, dass die Italiener eine knappe Viertelstunde zu spät zur Fragerunde mit den Journalisten erschienen - und die Deutschen, die danach an der Reihe waren, mussten warten. 1:0 Italia. Löw war in seinem blütenweißen T-Shirt, das die durchaus beeindruckenden Oberarme des 56 Jahre alten Schwarzwälders zumindest erahnen ließ, derjenige, der "schon au" einen Punkt für die DFB-Elf holte - 1:1. Nichts beitragen konnte Özil, der sein weißes Polohemd mit dem DFB-Emblem und den vier Sternen bis ganz oben zugeknöpft hatte - 2:1 Italia. Die Herren Conte und Buffon hingegen trumpften in Dunkeldunkelblau auf. Conte kam im Anzug und mit Krawatte - 3:1. Für das, was aussah wie ein Dreitagebart, braucht er wahrscheinlich drei Stunden - 4:1. Capitano Buffon, die 38 Jahre alte Torwartlegende, kam mit Sonnenbrille ins Kellergeschoss geschlendert - 5:1. Dazu trug er sein Hemd so weit offen, dass die Kette um seinen Hals zwischen den braunen Holzperlen golden blitzte - 6:1. Und als sei das alles noch nicht genug, sagte er: "Ich bin zurzeit sehr entspannt." 7:1 für Italien. Weitere Fragen lassen wir heute nach dem Spiel zu.

Quelle: ntv.de

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