Fußball-EM

Goretzka wichtigster Baustein Löw, greif' an wie Italien!

Kann Leon Goretzka der deutsche Manuel Locatelli werden und gegen Portugal jubeln?

Kann Leon Goretzka der deutsche Manuel Locatelli werden und gegen Portugal jubeln?

(Foto: imago images/Buzzi)

Der deutschen Fußball-Nationalmannschaft fehlt im Auftaktspiel gegen Frankreich gerade offensiv die nötige Durchschlagskraft. Wie es besser geht, zeigt die Squadra Azzurra. Sie erzielt sechs Tore in den ersten beiden Spielen und hat ähnliche Spielertypen wie Bundestrainer Löw an Bord.

Ausgerechnet zu den Italienern schauen, wenn es um die Offensive geht? So ist es. Denn die Italiener zeigen aktuell dynamischen Ballbesitzfußball aus dem Lehrbuch. Die Mannschaft von Roberto Mancini überzeugt mit Tempo, schnellen Pässen und einer Grundstruktur, die gut zu den einzelnen Spielertypen passt. Gerade Spielmacher Lorenzo Insigne kann sich voll entfalten und sorgt mit seinen Eins-gegen-eins-Aktionen auch dann für Dynamik, wenn seine Mitspieler sich mal zu wenig bewegen.

All das fehlte der Elf von Joachim Löw nicht nur gegen Frankreich. In den letzten Wochen und Monaten gab es immer wieder Spiele, in denen sich die DFB-Elf mit tief stehenden Gegnern schwertat. Gegen Portugal und insbesondere gegen Ungarn wird man sich aber wieder mit kompakten Defensivreihen auseinandersetzen müssen. Was könnte sich Löw also von den Italienern abschauen, um in diesen Spielen mehr Durchschlagskraft in der Offensive zu erzeugen?

Vor allem die Grundstruktur sollte sich der Bundestrainer genauer ansehen. Die Squadra Azzurra spielt auf dem Papier in einer 4-3-3-Formation. Auf dem Platz interpretieren die Italiener dies aber asymmetrisch: Rechtsverteidiger Giovanni Di Lorenzo positioniert sich meist etwas tiefer und sichert ab, während Linksverteidiger Leonardo Spinazzola sich offensiv deutlich mehr beteiligt. Dadurch kann Insigne stärker einrücken und seine Spielmacherqualitäten einbringen, ohne dass die Mannschaft an Breite auf dem Spielfeld verliert. Italien kann mit einer Dreierkette aufbauen und gleichzeitig offensiv viele Spieler zwischen die Linien des Gegners bringen.

Neue Rollen für Ginter, Gnabry und Sané

Im Zentrum setzt Mancini auf ein dominantes Mittelfeld: Jorginho ist der Taktgeber und Spielmacher des Teams. Er holt sich die Bälle im Sechserraum ab und verteilt sie nach vorn. Nicolò Barella und vor allem Manuel Locatelli sollen von der Achterposition aus ebenfalls auf die Offensive achten. Locatelli stößt aus dem Mittelfeld immer wieder in die Angriffsreihe vor und sorgt dort nicht nur für zusätzliche Torgefahr wie gegen die Schweiz, als er zweimal traf, sondern bringt sich auch mit klugen Pässen ein. Deutschland hat die Spielertypen, um eine ähnliche Grundordnung zu spielen - das könnte gleich mehrere Vorteile mit sich bringen.

Matthias Ginter hat bereits häufiger als Rechtsverteidiger gespielt und kann auf dieser Seite analog zu Di Lorenzo bei den Italienern für defensive Stabilität sorgen. Robin Gosens ist auf der linken Seite ein Außenverteidiger mit Offensivdrang. Er bringt sich gern am gegnerischen Strafraum ein, sucht Kombinationen mit seinen Mitspielern und schließt selbst gern ab. Serge Gnabry ist wiederum jemand, der in seiner Karriere häufig auf den Außenbahnen eingesetzt wurde, von dort aber immer wieder den Weg ins Zentrum und zum Tor sucht. Startet er in der Spielfeldmitte, können sich die Gegenspieler gut auf ihn einstellen. Seine Läufe von außen nach innen kommen hingegen mit mehr Dynamik und lassen sich schwerer verteidigen.

Auf der anderen Seite wäre Leroy Sané der Breitengeber. Noch konnte der Tempodribbler bisher nicht unter Löw überzeugen. Das liegt aber auch daran, dass er meist zu zentral eingesetzt wird. Auch für die Bayern hatte Sané immer dann seine stärksten Spiele, wenn er von außen kommen konnte. Mit Thomas Müller hätte er tatkräftige Unterstützung und nach Verlagerungen könnte der 25-Jährige sein Tempo bestmöglich einbringen.

Taktgeber Kimmich und Goretzka in der Locatelli-Rolle

Im Zentrum wird Joshua Kimmich gebraucht. Auch wenn die Idee, Kimmich auf der Außenbahn gegen die kompakten Franzosen zu bringen, auf dem Papier Sinn ergibt, wurde er im Mittelfeld schmerzlich vermisst. Er wäre in dieser Ausrichtung Löws Jorginho. Auch Leon Goretzka fehlte beim Auftaktspiel spürbar, weil er ein Spieler ist, der wie Locatelli bei den Italienern die Offensive mit tiefen Läufen unterstützt. Er könnte, egal in welcher Ausrichtung, der wichtigste Baustein für den Bundestrainer werden. Nun hat Löw allerdings bereits am Freitagnachmittag mitgeteilt, dass Goretzka nach seiner Verletzungspause die Matchfitness fehle und er deshalb nicht von Anfang an mit ihm plane. Ein Bluff?

Löw ist eigentlich nicht der Typ dafür. Zumal er im Mittelfeld auf einen breiten Kader zurückgreifen kann. Ist Goretzka nicht fit, wäre am ehesten İlkay Gündoğan als nachstoßender Achter geeignet. Er ist zwar ein anderer Spielertyp, aber auch er hat bei Manchester City bewiesen, dass er die Offensive unterstützen kann. Dennoch wäre Goretzka für diese Rolle prädestiniert.

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Die größte Baustelle bleibt die Neunerposition. Kai Havertz kann diese Position durchaus spielen, bringt aber nicht die Wucht eines Ciro Immobiles oder vergleichbarer Stürmer mit. Trotzdem kann er seine Beweglichkeit und seine technischen Fähigkeiten besser einbringen, wenn um ihn herum mehr Mitspieler in Bewegung sind. Denn das öffnet ihm wichtige Räume.

Der Unterschied zur Grundstruktur gegen Frankreich ist auf den ersten Blick nur marginal, letztendlich aber doch riesig. Einerseits sind mehr Spieler in Positionen und Rollen, in denen sie sich wohlfühlen, andererseits müssen sie sich mehr bewegen, um aus dem 4-3-3 oder 4-2-3-1 heraus in diese Formation zu kommen. Und allein diese Bewegung könnte dafür sorgen, dass das Offensivspiel der deutschen Mannschaft dynamischer wird, ohne an defensiver Stabilität zu verlieren.

Quelle: ntv.de

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