Team geflüchteter Afghaninnen Petition soll Ignoranz der FIFA brechen


Die Afghaninnen wollen endlich wieder international Fußball spielen dürfen.
(Foto: Anja Rau)
Seit der Machtergreifung der Taliban vor zwei Jahren sind die Rechte von Frauen in Afghanistan extrem beschnitten. Den Frauen des Fußball-Nationalteams gelingt die Flucht, sie spielen in Australien wieder zusammen. Doch von der FIFA erfahren sie Ablehnung. Mit einer Petition erhöhen sie nun den Druck.
Die Fußball-Weltmeisterschaft in Australien und Neuseeland lockt so viele Fans in die Stadien wie nie zuvor bei einem Turnier der Frauen. Mit 32 Teams dürfen so viele teilnehmen wie nie zuvor, der Fußball-Weltverband hat die WM um acht Plätze aufgestockt. Doch ein Team hatte nie eine Chance, sich zu qualifizieren: die Frauen aus Afghanistan. Die FIFA erkennt sie nicht als Nationalteam an. Dagegen kämpfen die Frauen nun mit einer Petition bei change.org. Innerhalb weniger Tage haben sie so bereits 149.000 Unterschriften gesammelt.
Seit der Machtübernahme der Taliban vor zwei Jahren ist es Frauen verboten, in Afghanistan Sport zu treiben. In diesem Zuge wurde auch das Fußball-Nationalteam von der Landkarte gelöscht, die FIFA folgt der Maßgabe der Taliban. Dabei spielen viele der Nationalspielerinnen weiterhin Fußball - in Australien, als Team des Klubs Melbourne Victory. Dank der Organisation der früheren Nationalspielerin Khalida Popal, die schon 2016 nach Dänemark geflüchtet war und einem Helfernetzwerk mit einer Soldatin der US-Marine, einer Menschenrechtsanwältin und Vertretern der internationalen Spielergewerkschaft FIFPro war Australien bereit, nach der Taliban-Machtergreifung mehr als 50 Sportlerinnen Visa auszustellen. Auch die Fußballerinnen waren darunter, als die dramatische Rettung über Dubai gelang.
Sie haben Tausende Kilometer entfernt, meist getrennt von ihren Familien, eine neue Heimat gefunden. Und spielen dort als Afghan Women's Team auch wieder Fußball. Die FIFA aber interessiert das nicht. Mehrfache Bitten, dem Team ein Spielrecht zu erteilen, wurden vom Weltverband ignoriert. "Es ist absolut ausgeschlossen, dass die Taliban uns diese Chance gibt", sagte Spielerin Mursal gegenüber ntv.de. "Sie würden uns das niemals erlauben, sie gestatten den Menschen ja noch nicht einmal einen Spaziergang im Park, sie verbieten Frauen einfach alles. Frauen dürfen noch nicht einmal einfach atmen, wie sollten wir da erwarten, dass wir jemals das Land vertreten dürfen." Deswegen liegt die Hoffnung auf der FIFA - bislang folgenlos.
Nobelpreisträgerin als Unterstützerin
Nobelpreisträgerin Malala Yousafzai setzt sich für das Team ein. Bei X, ehemals Twitter, schrieb sie mit Verweis auf die Petition: "Es war aufregend, die talentiertesten Fußballerinnen bei der WM zu beobachten. Ich weiß, dass die FIFA mehr für die Gleichstellung der Geschlechter in allen Bereichen des Sports tun kann. Dazu gehört auch die Anerkennung des Afghan Women's National Team, damit sie eines Tages mit diesen Frauen auf dem Platz stehen können. Unterschreiben Sie die Petition, um Ihre Unterstützung zu zeigen."
Auch Popal kümmert sich weiter um die Belange des Teams: "Warum können afghanische Spieler, die in der Diaspora dieser Länder leben, Afghanistan nicht bei internationalen Spielen vertreten, wenn sie von Fans aus Europa, den USA, Japan und Kanada unterstützt werden? Unsere Stimmen sollten zählen", sagte sie an die FIFA gerichtet.
Wahidullah Waissi, der afghanische Botschafter in Australien, der seit dem Sturz der demokratischen Regierung seines Landes praktisch im Exil auf seinem Posten geblieben ist, hat zusammen mit 23 anderen afghanischen Botschaftern ein Schreiben an die FIFA verfasst. "Das repressive Regime der Taliban hat den afghanischen Frauen viele ihrer grundlegendsten Rechte genommen, sie vom öffentlichen Leben ausgeschlossen und ihre Träume in den Schatten gestellt", schreiben Waissi und seine Kollegen darin. "Mit der offiziellen Anerkennung der Frauenfußball-Nationalmannschaft Afghanistans im Exil zeigt die FIFA ihre Unterstützung für die Gleichstellung der Geschlechter, die Förderung von Mädchen im Sport und die Widerstandsfähigkeit afghanischer Mädchen, die sich trotz der vielen Hindernisse und Herausforderungen, mit denen sie konfrontiert sind, nicht unterkriegen lassen.
"Größte Form der Diskriminierung"
Während der Weltverband die Männermannschaft bei von ihm anerkannten Wettbewerben teilnehmen lässt, zuletzt im Juni am Nationenpokal 2023 des Zentralasiatischen Fußballverbands, lehnt die FIFA das Team von Melbourne Victory ab. Die Begründung sei, dass die FIFA für eine offizielle Anerkennung die Zustimmung des betroffenen Mitgliedsverbands benötige, heißt es in der Petition. Dabei ist den Frauen klar, dass sie nicht von den Machthabern Afghanistans anerkannt werden, sie setzen sich dafür ein - nun auch mittels Petition - als afghanisches Frauen-Nationalteam im Exil anerkannt zu werden.
"Es ist wirklich enttäuschend", sagte Mursal gegenüber ntv.de. "Wir trainieren, wir meistern all die Schwierigkeiten, wir haben sogar die Gefahren Afghanistans überwunden, wir wollen einfach nur unser Land repräsentieren. Wir wollen Stellvertreterinnen sein für Millionen von Mädchen und Frauen in Afghanistan, aber wir haben nicht einmal die Möglichkeit, als Team bei den Turnieren der FIFA mitzuwirken. Wir dürfen kein Teil der FIFA-Gemeinschaft sein." Für die Frauen des Teams ist dies "die größte Form der Diskriminierung", da die FIFA-Statuten zur "Nichtdiskriminierung von Frauen" verpflichten.
Mursal etwa hat ohne Anerkennung der FIFA keine Chance mehr, international Spiele bestreiten zu können. "Ich war bereits Nationalspielerin und ich kann aufgrund der FIFA-Regeln nie wieder für ein anderes Land spielen, der Weltverband lässt keinen Nationenwechsel zu. Selbst sollte ich Australierin werden, geht das nicht."
Zudem geht es den Frauen auch um die Außenwirkung: "Würde uns die FIFA die Möglichkeit geben, wieder offiziell mitspielen zu dürfen, wäre das eine schallende Ohrfeige für die Taliban", so Mursal. "Es wäre der deutliche Fingerzeig, dass diese Frauen hier Tausende Kilometer fern von der Heimat sind, aber immer noch ihr Land repräsentieren wollen. Wir könnten den Taliban zeigen: Ihr stoppt uns nicht! Ihr zerstört nicht unsere Träume!"
Quelle: ntv.de