 
		                      Gegen die kleineren Südkoreanerinnen könnte die Offensive Vorteile haben.
(Foto: picture alliance / Newscom)
Die DFB-Frauen stehen bei der WM am Scheideweg: Läuft es wie bei den Männern - oder wie bei den Juniorinnen? Die Fallhöhe ist groß für das aktuell beliebteste Fußball-Team Deutschlands. Die Schwächen zuletzt sind offensichtlich, die Bundestrainerin könnte daher die Taktik ändern.
"Es war nicht notwendig, künstlich den Pausenclown zu spielen. Wir haben eh überwiegend gute Stimmung." Was ein durchaus überraschendes Statement von Bundestrainerin Martina Voss-Tecklenburg ist, ist vor dem entscheidenden dritten Gruppenspiel bei dieser Fußball-Weltmeisterschaft in Australien und Neuseeland aber optimistisch gemeint. Denn für das DFB-Team steht alles auf dem Spiel, die Stimmung aber ist positiv. Ein Unentschieden oder eine Niederlage gegen Südkorea (Donnerstag, 12 Uhr/ZDF und im ntv.de-Liveticker) könnten das Aus vor der K.-o.-Runde bedeuten. Eine Aussicht, die den eigenen Ansprüchen diametral gegenübersteht.
"Wir wollen Weltmeister werden", sagen Voss-Tecklenburg und ihre Spielerinnen immer wieder selbstbewusst. Nach dem verlorenen EM-Finale soll es nur zwölf Monate später den ganz großen Schritt aufs Podium geben. Doch stattdessen könnte es nun schon das frühe Aus geben. Und damit eine Fortsetzung dessen, was den DFB so tief in die Krise befördert hat. Nach dem zweimaligen Ausscheiden in der Gruppenphase bei Weltmeisterschaften durch die Männer, nach dem Aus der U21-Junioren in der Gruppenphase der EM, besteht die Möglichkeit, dass das laut Umfrage inzwischen beliebteste DFB-Team die unrühmliche Reihe fortsetzt. Es ist ein anderes Team, die Frauen schreiben ihre eigene Geschichte - und dennoch sind die Probleme auf dem Platz durchaus vergleichbar.
Es hapert vor allem an der Chancenverwertung, das zeigte sich vor dem Turnier in den Partien gegen Vietnam und Sambia, das zeigte sich bei der 1:2-Niederlage gegen Kolumbien. Der hohe Auftaktsieg mit vier eigenen Treffern und zwei erzwungenen Eigentoren von Marokko (6:0) war die Ausnahme. Im Spiel gegen Kolumbien dominierte das DFB-Team in allen Statistiken. 68 Prozent Ballbesitz und mehr als doppelt so viele gespielte Pässe wie die Gegnerinnen (557 zu 266), davon erreichten 80 Prozent die Teamkollegin. Aus 14 Torschüssen resultierte aber lediglich ein Tor - und das fiel per Foulelfmeter durch Kapitänin Alexandra Popp (89.).
Mittelfeld fehlt der Druck, Sturm die Präzision
Die eigenen Standards, die das Team als eigene Stärke herausgestellt hatte, liefen ins Leere. Kein Eckball erreichte präzise den Fuß oder Kopf einer Spielerin, die Freistöße gingen völlig daneben. Zu hoch, als wäre ein Field Goal im American Football zu erzielen, oder zu tief in die Füße der Mauer. Doch es sind nicht nur die Standards, auf die bei den Deutschen derzeit kein Verlass ist.
Wie bei den Männern ist das Mittelfeld am stärksten besetzt und Voss-Tecklenburg hat einige taktische Optionen mit den verschieden einsetzbaren Spielerinnen. Dennoch fehlte gegen Kolumbien der entscheidende Druck. "Unsere größte Baustelle ist der Kombinationsfußball im letzten Drittel, die Chancen zu kreieren", sagt Lena Oberdorf bei der Abschlusspressekonferenz vor dem Spiel gegen Südkorea. Lina Magull hatte direkt nach der Partie gesagt, insgesamt sei es Richtung Tor "einfach zu wenig gewesen." Und Svenja Huth hatte betont: "Wir haben es uns phasenweise selbst schwer gemacht, weil wir viel durch die Mitte wollten, anstatt über die Außen und über die Flanken zu kommen." Co-Trainerin Britta Carlson hatte am Tag danach kritisiert, dass die nötige Offensivgestaltung genauso gefehlt habe wie der "nötige Mut".
Entscheidende Wucht im Angriff?
Die Probleme sind klar, aber gibt es auch - nur vier Tage nach der überraschenden Niederlage - wirksame Lösungen? "Es kommt der Moment, in dem der Knoten platzt und wir voll da sind", verspricht Oberdorf. "Wenn man uns im Training sieht, sieht man, dass wir es können, wir müssen es nur auf den Platz bringen in einem Pflichtspiel. Es ist eine Sache, an der wir arbeiten müssen, was wir aber auch tun", erklärt sie und redet die "größte Baustelle" damit klein.
Gegen Südkorea, das bislang noch nicht gewinnen konnte, erwarten die Deutschen ein anderes Spiel als gegen Kolumbien. Vor allem dürfte dem Team im Suncorp-Stadion von Brisbane zugutekommen, dass sie gegen die Asiatinnen enorme Größenvorteile haben. Flanken und Kopfbälle könnten die Torgefahr bringen, vor allem Alexandra Popp mit ihrer Wucht, Sprungkraft und Größe könnte im Sturm einmal mehr den Unterschied machen. Mit 1,74 Meter ist sie einen Zentimeter größer als die größte südkoreanische Verteidigerin Hye-Ji Hong.
Auch eine taktische Umstellung könnte einen Unterschied machen. Carlson hatte angedeutet, dass Popp gemeinsam mit Lea Schüller auflaufen könnte: "Es könnte sich durchaus auch anbieten, dass man mit zwei Spitzen spielt." Die geforderte Präsenz im Strafraum wäre mit den beiden Stürmerinnen eher gegeben, als mit etwa der offensiven Dribbelkünstlerin Magull, die sich gegen Kolumbien zu oft festlief, nicht die entscheidenden Akzente setzen konnte und in er 67. Minute für Schüller ausgewechselt worden war.
In den letzten 24 Stunden vor dem Spiel will das Team den Druck nicht zu sehr an sich heranlassen. Der ist zweifelsfrei da, als einer der Mitfavoriten ausscheiden ist bei dieser WM nur den Olympiasiegerinnen aus Kanada passiert. Die Doppel-Weltmeisterinnen aus den USA konnten die Blamage am Dienstag mit einem mauen 0:0 gegen Portugal und viel Glück bei einem Pfostentreffer in der Schlussphase gerade so entgehen. Das DFB-Team würde nicht nur im eigenen Land, sondern auch international als große Enttäuschung wahrgenommen. Die Vergleiche mit den Männer-Teams drängen sich auf.
Nach außen hin nimmt es Oberdorf gelassen. "Wir freuen alle extrem auf das Spiel. Es ist die größte Bühne, die man hat im Fußball", sagt sie. "Nervosität gehört auch dazu, aber ich glaube nicht, dass die so groß ist, dass wir eingeschränkt ins Spiel gehen." Die Situation der K.-o.-Spiele kenne sie wie viele Teamkolleginnen aus der Champions League. "Klar, fängt man damit jetzt ein Spiel früher an, aber an sich ändert sich nichts. Wir gehen da rein, wollen gewinnen und ins Achtelfinale einziehen."
Sieg ist Pflicht
Die Favoritenrolle ist bei dem Duell der FIFA-Weltranglistenzweiten gegen die 17. mit ihrem Trainer Colin Bell, der viel Deutschland-Erfahrung hat und mit Huth sowie Kathrin Hendrich im Team 2015 die Champions League mit dem 1. FFC Frankfurt gewann, klar verteilt. Doch die "Kleinen" gibt es auch im Fußball der Frauen langsam, aber sicher nicht mehr. Das Turnier, bei dem erstmals 32 Teams statt bislang 24 dabei sind, zeigt, wie das Niveau international gestiegen ist. Kein 13:0 mehr wie vor vier Jahren im Spiel zwischen den USA und Thailand. Melanie Leupolz und Sara Däbritz, die beim EM-Titel 2013 und Olympiagold 2016 schon dabei waren, sind sich einig, dass es nie schwieriger war, den WM-Titel zu gewinnen.
Doch Südkorea sollte dabei keinen Stolperstein darstellen, das Überstehen der Gruppenphase ist Pflicht für die Elf von Trainerin Voss-Tecklenburg. Und womöglich sind die Beispiele beim DFB nicht die Männer-Teams, sondern die Juniorinnen. Erst am Wochenende war die U19 Deutschlands ins EM-Finale eingezogen und hatte sich dort erst im Elfmeterschießen den Spanierinnen geschlagen geben müssen (2:3). Es würde dazu passen, wie die Außenwirkung des Verbands in den vergangenen Monaten war: Die Männer waren es, die für die Krise sorgten. In deren Folge Oliver Bierhoff abtrat und mit Rudi Völler ein Sportdirektor antrat, der ausschließlich für die Männer verantwortlich ist. Die Unterschiede innerhalb des Verbands sind deutlich, auch wenn es spielerisch ähnliche Probleme gibt. Doch klar ist auch: Sollten die Frauen bei der WM ebenfalls in der Vorrunde scheitern, ist die Fallhöhe genauso riesig.
Quelle: ntv.de

 
   
   
   
		                             
		                             
		                             
		                             
		                             
		                            