Südkorea frustriert seinen Coach So groß sind die WM-Sorgen beim DFB-Team

Hendrich, Popp und Co. müssen gegen Südkorea bestehen, um das Achtelfinale zu errreichen.

Hendrich, Popp und Co. müssen gegen Südkorea bestehen, um das Achtelfinale zu errreichen.

(Foto: picture alliance/dpa)

Die Niederlage gegen Kolumbien steckt dem DFB-Team in den Knochen. Nichts ist es mit Entspannung auf dem Weg ins Achtelfinale dieser Fußball-WM. Gegen Südkorea müssen die Spielerinnen liefern. Diese haben allen Grund, dagegenzuhalten, aber auch das Vermögen?

Am Tag nach der kolumbianischen Party im Sydney Football Stadium herrscht bei den Deutschen Katerstimmung. "Wir waren alle enttäuscht. Natürlich haben wir uns viel mehr vorgenommen. Wir waren sehr traurig, dass wir verloren haben", sagte Innenverteidigerin Kathrin Hendrich. Das hatte sich das DFB-Team im zweiten WM-Gruppenspiel gegen Kolumbien (1:2) ganz anders vorgestellt. Ein Sieg hätte es werden sollen, dann hätte schon vor der abschließenden Partie gegen Südkorea (3. August, 12 Uhr/ZDF und im ntv.de-Liveticker) der Gruppensieg festgestanden.

Stattdessen steht die erste deutsche Vorrunden-Pleite seit 1995 (2:3 gegen Schweden) und die zweite überhaupt in den Büchern. Gegen die 17. der FIFA-Weltrangliste wartet nun noch einmal ein Kraftakt, anstatt Spielerinnen schonen zu können und die Startelf durchzutauschen. Den Gruppensieg hat das Team von Bundestrainerin Martina Voss-Tecklenburg nicht mehr in der eigenen Hand, den Vorteil haben sich die Kolumbianerinnen mit ihrem Sieg vor völlig ekstatischen Fans gesichert. Als wahrscheinlicher Gruppenzweiter müsste der DFB-Tross deutlich mehr Reisestrapazen auf sich nehmen. Als Erste würde der Weg im Achtelfinale zurück nach Melbourne und anschließend direkt nach Sydney führen. Als Zweite ginge es nach Adelaide - das verrückterweise eine halbe Stunde Zeitverschiebung hat -, anschließend wieder nach Brisbane und erst dann nach Sydney.

Deutschland kommt weiter ...

... mit einem Sieg gegen Südkorea.

... mit einem Unentschieden gegen Südkorea, wenn Kolumbien gegen Marokko gewinnt oder unentschieden spielt.

... mit einer Niederlage gegen Südkorea mit maximal vier Toren Unterschied, wenn Kolumbien gegen Marokko gewinnt.

Deutschland scheidet aus ...

... mit einem Unentschieden gegen Südkorea, wenn Marokko gegen Kolumbien gewinnt.

... mit einer Niederlage gegen Südkorea mit mehr als vier Toren Unterschied.

... mit einer Niederlage gegen Südkorea, wenn Marokko gegen Kolumbien gewinnt oder unentschieden spielt.

Das DFB-Team sollte so oder so gegen die bereits sicher ausgeschiedenen Südkoreanerinnen liefern. Die Rechenspiele liefern immer noch eine Menge Optionen für die Deutschen, mit einem Sieg sind sie sicher im Achtelfinale, auch ein Unentschieden oder eine Niederlage könnten unter bestimmten Voraussetzungen den Verbleib im Turnier bedeuten.

"Deutschland ist keine Nation, die zittern muss"

Was heißt dies jetzt für das Spiel, das im sommerlichen Brisbane stattfinden wird? Muss das DFB-Team zittern, die verfrühte Heimreise antreten zu müssen? "Deutschland ist keine Nation, die zittern muss. Egal, in welches Spiel sie geht", sagt Lena Oberdorf, die nach ihrer Oberschenkelverletzung in die Startelf zurückgekehrt ist und sofort ein extrem starkes Spiel abgeliefert hat. "Wenn wir 100 Prozent geben und wirklich komplett ins Spiel gehen, und jeder für jeden rennt und wir vielleicht noch ein bisschen mehr Spielfreude offensiv entwickeln - dann glaube ich schon, dass das machbar ist." Vor allem die Verwertung der Standards ließ gegen Kolumbien zu wünschen übrig, die Spielerinnen selbst kritisierten, den Ball zu sehr über die Mitte haben spielen zu wollen, anstatt über die Außen mit Flanken kreativer und unberechenbarer zu werden.

"Es tut natürlich weh", sagte Co-Trainerin Britta Carlson, "aber die Analyse haben wir heute Morgen schon gemacht." Der "nötige Mut" habe genauso gefehlt wie die Offensivgestaltung im letzten Drittel. "So, wie gegen Marokko nicht alles gut war, war gegen Kolumbien nicht alles schlecht."

Die Hoffnungen auf einen Erfolg im dritten Gruppenspiel liegen auf der Hand. Die Gegnerinnen sind das Team, das gegen Marokko verloren hat. Eben jene WM-Debütantinnen, gegen die die Deutschen zum Auftakt 6:0 gewonnen hatte. Der letzte Sieg bei einer WM datiert von 2015 als die Asiatinnen gegen Spanien gewannen - es ist der bislang einzige. 2019 schieden sie ohne Sieg als Gruppenletzte aus, so könnte es nun erneut kommen. Mit Colin Bell aber ist ein Trainer im Amt, der sich im deutschen Fußball bestens auskennt. Der Brite spielte einst selbst im Land, trainierte später mehrere Bundesliga-Teams der Frauen: Von 2011 bis 2013 den SC Bad Neuenahr, anschließend bis 2015 den 1. FFC Frankfurt (heute Eintracht Frankfurt) und dann noch den SC Sand. "Colin war ein paar Jahre mein Trainer, deswegen weiß ich genau, wie er tickt", sagte Hendrich über die gemeinsame Zeit beim 1. FFC. "Gegen Deutschland zu spielen, ist für ihn was ganz Besonderes. Er wird seiner Mannschaft einheizen, wird sie taktisch und was die Motivation betrifft ganz genau einstellen."

Mit Bell sind die Koreanerinnen Zweite der Asienmeisterschaft 2022 geworden. Doch bei dieser WM fällt das Team deutlich ab, kein Sieg, kein Tor, drei Gegentreffer ist die Bilanz nach zwei Spielen. Einzig ein Eintrag in die Statistikbücher sorgt für Aufmerksamkeit: Casey Phair ist seit dem Auftaktspiel gegen Kolumbien (0:2) die jüngste Spielerin in der Geschichte der Weltmeisterschaften. Mit gerade einmal 16 Jahren und 26 Tagen ist die in den USA geborene Angreiferin in die Geschichtsbücher eingegangen.

Trainer schimpft auf sein Team

Bell ist von seinem Team enttäuscht: "Ich kann es nicht glauben, um ehrlich zu sein. Die beiden schlechtesten Leistungen in meiner Amtszeit haben wir uns für die Weltmeisterschaft aufgehoben. Ich habe meine eigene Mannschaft nicht wiedererkannt", sagte der 51-Jährige, der das Team 2019 übernommen hatte. "Die Realität ist, dass wir in beiden Spielen nicht gut genug waren. Warum das so war, müssen wir im Detail analysieren. Ich werde mich jetzt nicht von meinen Emotionen leiten lassen, und natürlich sind wir alle sehr enttäuscht."

Schon nach dem Auftaktspiel gegen Kolumbien war er so hart mit seinen Spielerinnen ins Gericht gegangen, dass er Kritik von TV-Experten dafür kassierte: "Er hat seine Spielerinnen den Wölfen zum Fraß vorgeworfen. Er hat keine Verantwortung übernommen", monierte die frühere australische Nationalspielerin Heather Garriock beim australischen Sender Optus Sport.

In die Partie gegen Marokko waren die Südkoreanerinnen als Favoritinnen gegangen, doch dann schoss Ibtissam Jraidi den ersten Treffer (6. Minute) bei einer Fußball-Weltmeisterschaft für ihr Land. Das Team, das sich als Erstes aus dem arabischen Raum für die WM der Frauen qualifiziert hatte, rettete den Sieg über die Zeit. Phair hatte in der Schlussphase noch die Chance auf den Ausgleich, schoss aber weit daneben. Die Angriffe waren nicht zwingend genug, die Durchschlagskraft im Sturm nicht vorhanden. "Die Spieler sind viel besser, als sie in beiden Spielen gezeigt haben, und es ist wirklich fast unglaublich, dass wir so aufgetreten sind", sagte ein konsternierter Bell.

"Wird kein Selbstläufer"

Sicherlich werden sich die Südkoreanerinnen wenigstens mit einem ansehnlichen Spiel aus dem Turnier verabschieden wollen. "Jeder spielt gegen Deutschland oder eine größere Nation immer am Limit", so Voss-Tecklenburg. "Das wird ein ähnliches Spiel - mit der Mentalität. Sie sind sehr diszipliniert gegen den Ball, rauschen auch mal unkontrolliert in Zweikämpfe hinein", blickte Oberdorf voraus. "Von daher müssen wir den Ball schnell laufen lassen und die Torchancen nutzen." Die dürften sich vor allem mit Flanken oder Kopfbällen ergeben, denn Deutschland hat gegen die deutlich kleineren Südkoreanerinnen enorme Größenvorteile. Vor allem Alexandra Popp mit ihrer Wucht und Größe könnte im Sturm einmal mehr den Unterschied machen.

Voss-Tecklenburg betonte, in den kommenden zwei Tagen als Vorbild vorangehen zu wollen - und das Team als Einheit zu beschwören: "Wir gewinnen zusammen und wir verlieren zusammen." Schon am Mittwoch heißt es für den Tross wieder Koffer packen und in den Flieger steigen. "Das wird kein Selbstläufer", warnte sie. Aber: "Sorgen helfen nicht." So ganz von ihnen freimachen, können sich die Spielerinnen jedoch auch nicht.

Quelle: ntv.de

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