55 Jahre Bundesliga

Redelings über die Saison 80/81 "Pfeif nicht so einen Scheiß!"

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Toni Schumacher im Tête-à-Tête mit Schiedsrichter Dieter Pauly - das Sportfoto des Jahres 1981.

Toni Schumacher im Tête-à-Tête mit Schiedsrichter Dieter Pauly - das Sportfoto des Jahres 1981.

(Foto: imago/Wiechmann)

Bunte Fußball-Bundesliga: Ein Elefant schießt in Uerdingen keine Tore, ein Kaiser kehrt zurück, ein Nationaltorwart legt sich mit einem Schiedsrichter an und ein Leverkusenener Spieler wird zum Buhmann. Leider gibt es auf Schalke einen Toten.

Ein Foto geht um die Welt. Köln spielt in Dortmund 2:2, Schiedsrichter Dieter Pauly und Torwart Toni Schumacher stehen Nase an Nase und giften sich an. Schumacher brüllt Pauly an: "Pfeif nicht so einen Scheiß!" Der Schiedsrichter tritt noch einen Zentimeter näher an Schumachers Gesicht heran und brüllt zurück: "Wenn hier einer schreit, dann bin ich das, Herr Toni. Sie gehen sofort zurück in Ihr Tor, und die Gelbe Karte nehmen Sie gleich mit!"

Eine Szene erhitzt in dieser Saison die Gemüter der Fans. Beim Spiel zwischen Bayer 04 Leverkusen und Eintracht Frankfurt wird Bayers Jürgen Gelsdorf zum großen Buhmann. Mit "absoluter Absicht" (Eintracht-Trainer Lothar Buchmann) verletzt der Leverkusener den Frankfurter Cha Bum-kun schwer. Dabei hat sich der Koreaner schon wie ein "mittelalterlicher Ritter gepanzert": Binden und Bandagen um die Fußgelenke, vorne an den Schienbeinen die starken Schützer und hinten an den Waden und Achillessehnen ein eigens für ihn angefertigter Spezialschutz.

Gelsdorf spielt nach der Partie den Unschuldigen: "Ich will nicht abstreiten, dass ich Cha umgeräumt habe. Doch dies geschah keineswegs mit Absicht, und ich verstehe nicht, wie er sich dabei so verletzen konnte." Frankfurts Bernd Nickel hebt die Angelegenheit gleich auf eine höhere Ebene: "Was ist nur mit dem Fußball los, dass solche Typen wie Gelsdorf großgezogen werden?" Eine Woche später im DFB-Pokal beim SV Bramfeld wird der "Bayer-Treter" mit "Mörder"-Rufen empfangen. Doch es geht auch anders. Eine 20 Jahre alte Anhängerin herzt Gelsdorf, drückt ihm einen Kuss auf die Stirn und spricht altersweise: "Du musst vergessen, Jürgen!". Die Liga kann das erst nach und nach.

"Die ganze Welt befruchtet"

Lustiges Kuriosum: Schiri Max Klauser wird am neunten Spieltag vom Arminen Büscher mit einem kräftigen Schuss niedergestreckt. Der Ball trifft ihn voll ins Gesicht. Als einer schreit "Die Pfeife ist weg", befürchtet Büscher, Schiri Klauser habe sie verschluckt. Doch als dieser wieder aufwacht, zeigt er sich tief beeindruckt: "Mensch, war das ein Hammer!"

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Und eine Notiz aus der Rubrik "bunte Bundesliga": Eine Attraktion wird den 12.000 Zuschauern beim Spiel Bayer Uerdingen gegen den 1. FC Köln geboten. Ein Elefant aus dem nahe gelegenen Zoo tritt zum Elfmeterschießen gegen die Ersatzkeeper Hans Dotzler und Gerald  Ehrmann an. Leider trifft das Rüsseltier kein einziges Mal ins Tor.

In Köln scheitert der DFB-Trainerausbilder Karl-Heinz Heddergott. An mangelnder Kompetenz kann es eigentlich nicht liegen. Heddergott: "Ich habe mit meinem Fußballwissen die ganze Welt befruchtet." Ein Streit am Anfang der Saison bricht ihm jedoch frühzeitig das Genick. Jungstar Schuster zum Trainer: "Flasche!" Heddergott zum Nachwuchsspieler: "Rotzlöffel!" Kurz danach nennt Präsident Weiand nicht das aufmüpfige Talent Schuster einen "Sozialfall", sondern Heddergott. Die Laufbahn des Trainers in Köln endet nach dem achten Spieltag. Auf der Pressekonferenz sieht er Kameras und fragt: "Geht das übers Fernsehen? Dann spreche ich nicht!" Wenigstens das Präsidium des FC sagt an diesem Tag noch etwas - nämlich: "Tschüss!"

Als Schalke am 32. Spieltag nur 1:1 gegen den 1. FC Nürnberg spielt, ist die sportliche Lage für die Gelsenkirchener aussichtslos. Die Königsblauen müssen runter in die zweite Liga. Ein 18-jähriger Anhänger stürzt sich unmittelbar am Parkstadion von einer Brücke auf die Straßenbahnschienen. Er stirbt am nächsten Tag. In seiner Jackentasche findet die Polizei einen Zettel: "Schalke ist tot, da will ich auch nicht mehr leben."

Kaiser Franz ist zurück. Für den Hamburger SV kickt er wieder in der Bundesliga. Einer ist nicht so begeistert von diesem Plan. Die überlieferte Reaktion von Beckenbauers Manager Robert Schwan, als ihm der Ex-Nationalspieler verkündet, er möchte gerne wieder nach Deutschland zurückkehren: "Franz, du spinnst!" Doch die Fans freuen sich. Beckenbauer wird beim ersten Training von 5.000 Kiebitzen empfangen. Mitspieler Manni Kaltz ist tief beeindruckt vom Auflauf der Zaungucker: "Sonst gehen sie zu dieser Zeit immer zu Hagenbeck!" Sein Debüt feiert er bei der 2:3-Niederlage in Stuttgart am 14. Spieltag.

Die Nachrichtenagentur "Reuters" tickert: "Am Tag, als der Papst nach Deutschland kam, kehrte der Kaiser in die Bundesliga zurück!" Und Beckenbauer selbst nach seinem ersten Spiel: "Als ich die Pfiffe hörte, da wusste ich, ich bin daheim." Trotz der Rückkehr des Kaisers werden am Ende die Bayern wieder Meister.

Alle Artikel unserer wöchentlichen Serie "55 Jahre Bundesliga" finden Sie hier. Unser Kolumnist Ben Redelings ist mit seinen Bühnen-Programmen republikweit unterwegs: Infos und Tickets zur Tour.

Quelle: ntv.de

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