Redelings über die Saison 79/80 Wie ein Orgasmus im Westfalenstadion
11.11.2017, 12:02 Uhr

Kurz vor der Ekstase - die Stimmung in Dortmund war schon vor über 30 Jahren euphorisierend.
Der "Playboy" berichtet gewohnt schlüpfrig über die "Maid" Bundesliga. "Der Rubel rollt" lautet die Überschrift. In Hamburg hat man ganz andere Probleme: Trainer Zebec schläft betrunken auf der Bank ein - und wird dennoch fast Meister!
Trainerlegende Max Merkel holt in seiner Kolumne im "Playboy" zu einem Rundumschlag aus. Keiner in der Fußballszene ist vor seiner kessen Schnauze sicher. Über seinen Kollegen Hennes Weisweiler sagt Merkel: "Das ist einer wie Dschingis Khan - der kann raufen, saufen und Kinder zeugen." Voll des Lobes ist Merkel hingegen über die Fans des BVB: "Im Westfalenstadion berauscht dich die Masse dermaßen, da kannst du vom Beifall fast 'nen Orgasmus kriegen."
Und über die Bundesliga im Allgemeinen sinniert das Magazin: "Sie ist 17 und macht jedes Jahr sieben Millionen Männer an. Doch sie selbst hat die richtigen Männer nicht. Vielleicht liegt es daran, dass sie trotz ihrer Jugend schon ziemlich alt aussieht. Die Maid heißt Bundesliga und tritt in 18 Häusern der Republik auf, oben ohne und unten schwach wie nie. Sie bumst nicht mehr so schön wie ehedem, als die Deutschen noch Europameister und Weltmeister waren."
Nach dem 32. Spieltag liegen der amtierende Deutsche Meister, der Hamburger SV, und der FC Bayern München punktgleich an der Spitze. Beide weisen eine Tordifferenz von plus 48 auf. Der HSV führt die Tabelle nur an, weil er zwei Tore mehr geschossen hat als die Bayern. Doch dann verlieren die Hamburger überraschend, aber ziemlich sang- und klanglos und vor allem wehrlos am vorletzten Spieltag beim Aufsteiger Bayer Leverkusen mit 1:2. Die Münchner gewinnen hingegen ihre Partie beim Tabellendritten VfB Stuttgart überzeugend mit 3:1 und werden zum sechsten Mal Deutscher Meister – fünf Titel haben die Bayern seit dem Bestehen der Bundesliga gewonnen.
FC Bayern folgt dem Pál-System
Nach dem Meisterstück seiner Bayern am 33. Spieltag in Stuttgart fordert Kalle Rummenigge in der Kabine lautstark: "Wo ist der Champagner? Wie bei Niki Lauda!" Die Stimmung ist ausgelassen. Wieder Karl-Heinz Rummenigge, im Überschwang der Gefühle des Titelgewinns: "Wir waren schon immer für das Pál-System!" Dabei meint der Torjäger des FC Bayern jedoch nicht den neuen Fernsehapparat im Vereinsbus, sondern das Spielsystem seines Trainers Pál Csernai.
Lästermaul Max Merkel, der selbst gerne einmal auf der Bank des Übungsleiters im Olympiastadion Platz genommen hätte, meckert jedoch immer noch: "Da gibt's einen Trainer beim FC Bayern, der lässt die Linken (Oblak) rechts spielen und die Rechten (Dürnberger) links. Das ist eben echter ungarischer Gurken-Salami-Paprika-Mischsalat à la Csernai."
Zebec schockt mit Promillefahrt
Bei der Partie des HSV in Dortmund (2:2) am 29. Spieltag kann die gesamte Fernsehnation sehen, was längst jeder weiß: Der Hamburger Trainer Branko Zebec hat ein Alkoholproblem. Völlig abwesend verfolgt der volltrunkene Zebec die erste Halbzeit auf der Bank des Westfalenstadions. In der zweiten Hälfte bleibt sein Platz leer. HSV-Präsident und Anwalt Dr. Wolfgang Klein wählt seine Worte mit Bedacht, und dennoch benutzt er erstmals bewusst und öffentlich das Wort "Alkohol" in seiner Stellungnahme: "Es ist bekannt, dass Herr Zebec seit langem unter einer Erkrankung der Bauchspeicheldrüse leidet.
Deshalb ist jeder Tropfen Alkohol für ihn besonders schädlich." Da er am Freitag die Hinfahrt im Bus verpasst hat, ist Zebec im Leihwagen dem Team gefolgt. In der Nacht stoppt ihn die Polizei in der Nähe der Autobahnausfahrt Ascheberg bei Münster und behält seinen Führerschein sofort an Ort und Stelle ein. Die Blutprobe ergibt einen Promillewert von 3,25.
Sepp Maier sagt der Bundesliga "Servus"
Am Schluss verabschiedet die Bundesliga wieder einen ihrer großen Stars. Leider ganz anders, als es sich dieser immer gewünscht hat. Eigentlich wollte Sepp Maier ja so abtreten: "Ich höre erst auf, wenn mich der Franz und der Gerd mit dem Rollstuhl nicht mehr auf den Platz schieben können." Doch dann kommt sein schwerer Unfall dazwischen - und nichts ist mehr, wie es einmal war. Und auch der Franz und der Gerd spielen schon länger nicht mehr bei den Bayern.
Beim Abschied spricht der große Torhüter und wunderbare Entertainer Sepp Maier bewegende Worte: "Fußball, das war meine Welt, meine große Welt! Zuletzt, als ich nur noch auf der Tribüne gesessen bin, als das Flutlicht angegangen ist, habe ich erst gespürt, was mir der Fußball wirklich bedeutet. Jedes Mal lief mir eine Gänsehaut den Rücken runter. Früher, als ich voll dabei war im Spiel, hab ich doch nie mitbekommen, was das für eine Atmosphäre ist!" Nun ist Schluss, nach 473 Spielen sagt Sepp Maier der Bundesliga adieu. Und er weiß, dass der Zeitpunkt der richtige ist. Denn der verrückte Torwart denkt beim Abschied auch an seine sportliche Zukunft: "Ich möchte nach dem Fußball ohne Beschwerden weiter Tennis spielen!"
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Quelle: ntv.de