Der Bundesliga-Check: Hannover 96 Abschied von der Vierschanzentournee
01.08.2015, 12:14 Uhr
Auf Europapokal-Auftritte ihres Teams müssen die Fans von Hannover 96 auf absehbare Zeit verzichten.
(Foto: imago/Contrast)
Ruhig ist es um Hannover 96. Der Traum von Europa ist kein Thema mehr, Nüchternheit kehrt ein. Doch wenn 96 Pech hat, wird aus der Politik der ruhigen Hand schnell Unterlassung.
Berlin will es, Bremen auch, aber offenbar gibt es schon eine deutsche Großstadt, die das Kiffen legalisiert hat: Hannover. So ruhig, so gechillt geht es im Lager von 96 zu, man könnte meinen, die Verantwortlichen hätten nach der Rettung am 34. Spieltag der Vorsaison zur Entspannung eine Sportzigarette geraucht. Der Zwist mit den Ultras? Beigelegt. Der Abstiegskampf? Durch die schwere Zeit sind alle zusammengerückt. Der Kapitän von Bord? Jetzt zählt eben jeder Einzelne.

Coach Frontzeck verordnet seiner Mannschaft eine Spielweise, die auf einer stabilen Defensive fußt.
(Foto: imago/Eibner Europa)
"Im Herzen weit vorne", so lautet das Motto, unter dem das neue Trikot von 96 vorgestellt wurde. Man könnte es lesen als eine Absage an die Leistungsgesellschaft Bundesliga, an den Erfolgsdruck, der so lange herrschte unter dem ambitionierten Präsidenten Martin Kind. Der groß angekündigte Angriff auf das obere Tabellendrittel endete in der vergangenen Saison fast im Desaster. Doch eine 180-Grad-Wende muss nicht zwingend in die richtige Richtung führen.
Was gibt’s Neues?
"Zurück in die Zukunft" heißt die Taktik von Retter Michael Frontzeck. Tayfun Korkut scheiterte mit seiner Ballbesitz-Strategie, sein Nachfolger setzt auf das Gegenteil: das Team soll aus einer stabilen Defensive heraus kontern. Am besten soll es aussehen wie die "10-Sekunden-Doktrin" von Mirko Slomka, in der blitzartiges Umschaltspiel so schnell wie möglich zum Abschluss führen soll. "Mit Ballbesitz spielen, das kann Bayern", sagt Frontzeck. "Wir müssen sehen, dass wir in unsere Aktionen Tempo reinbekommen, Überraschungen schaffen."
Auf wen kommt es an?
Panik wäre eine angemessene Reaktion gewesen. Kapitän Lars Stindl – weg. Jimmy Briand – weg. Joselu – weg. Das Angriffs-Trio erzielte 21 der 40 Saisontore von 96. Doch Sportdirektor Dirk Dufner verzichtete bislang auf den einen Königstransfer. Statt sich zum Beispiel Kevin Kuranyi zu sichern, der lange im Gespräch war, entschied sich Dufner für den Türken Mavlüt Erdinc von St. Etienne und Charlie Benschop aus Düsseldorf. Eine eingebaute 10-Tore-Garantie bringen sie nicht mit.
Große Hoffnungen setzen die Hannoveraner vor allem in ihre neue Flügelzange aus dem dänischen U21-Nationalspieler Uffe Bech und Felix Klaus. Doch wie die Jungspunde mit den Erwartungen zurechtkommen, kann niemand voraussagen. Als Fixstern der in der Bundesliga noch unerfahrenen Offensive soll Hiroshi Kiyotake wirken, doch der Japaner wird den Saisonstart wegen eines Mittelfußbruchs verpassen. Leo Bittencourt gab 96 nach Köln ab. Doch einen weiteren Mittelfeldspieler hält Dufner nicht um jeden Preis für nötig, wenn überhaupt, soll noch ein Talent "mit Perspektive" kommen, wie der Sportdirektor der "Bild"-Zeitung sagte.
Was fehlt?
Die Nachwuchsarbeit von 96 bringt bisher zu wenig Hochkaräter hervor. Von den sieben Spielern im Kader, die aus der eigenen Jugend kommen, haben gerade zwei schon einmal Bundesliga-Rasen betreten. Das soll sich ändern, dafür investiert der Klub 18 Millionen Euro in ein neues Nachwuchs-Leistungszentrum. Das Geld kommt übrigens zum Teil aus dem Verkauf der letzten 15 Prozent Anteile des Stammvereins an der Profi-Abteilung. Der Käufer: Die Investorengruppe um Martin Kind.
Wie lautet das Saisonziel?
Das Wort "Europa" nehmen sie in Hannover nur noch in den Mund, wenn die Fans den schönen Gassenhauer "Europapokal – Vierschanzentournee" zum Besten geben. Klub-Boss Martin Kind fordert in dieser Saison "Platz acht bis zwölf", was sich ungefähr mit den "sicheren Tabellenregionen" decken dürfte, die Michael Frontzeck anvisiert.
Die n-tv.de-Prognose
In den vergangenen Spielzeiten galt mit Ausnahmen das Prinzip: Wer zu wenig Tore schießt, gerät in Schwierigkeiten. 96 verfügt über einen herausragenden Torhüter und eine erfahrene Abwehr. Doch davor fangen die Probleme an: Taugen die Sechser Salif Sané und Manuel Schmiedebach wirklich als Taktgeber für das geforderte schnelle Umschaltspiel? Wie bewähren sich die jungen Außen Uffe Bech und Felix Klaus? Wer wird der Knipser vom Dienst? Stand jetzt hat Dirk Dufner einen Kader zusammengestellt, der schneller Lücken offenbaren könnte als die Kapitaldecke einer griechischen Bank. So wird 96 die ganze Saison lang gegen den #Hannovexit kämpfen müssen.
Quelle: ntv.de