Fußball

Ein Welttorhüter zieht Bilanz "Afrika Cup ist ein hartes Brot"

Lutz Pfannenstiel bei der Arbeit: Als Experte analysiert er die Spiele beim Afrika Cup für den BBC World Service und damit Hunderte Millionen Zuhörer und Zuschauer.

Lutz Pfannenstiel bei der Arbeit: Als Experte analysiert er die Spiele beim Afrika Cup für den BBC World Service und damit Hunderte Millionen Zuhörer und Zuschauer.

(Foto: Lutz Pfannenstiel)

Mit dem Finale zwischen Nigeria und Burkina Faso endet der Afrika-Cup 2013 in Südafrika. Als Scout und TV-Experte vor Ort begleitete Welttorhüter Lutz Pfannenstiel das Turnier. Im Gespräch mit n-tv.de zieht er Bilanz: Welche Teams haben überrascht, welche enttäuscht? Wer ist der neue Fußball-Superstar des schwarzen Kontinents und wie schlugen sich die Bundesliga-Profis? Hat Südafrika einen Boom nach der WM 2010 erlebt - und: Ist Pfannenstiel diesmal von Malaria verschont geblieben?

n-tv.de: Herr Pfannenstiel, beim Afrika Cup steht das Finale an. Wer wird neuer Afrikameister und damit Nachfolger von Sambia?

Lutz Pfannenstiel: Kurzporträt

Lutz Pfannenstiel ist der erste und einzige  Fußballer, der auf allen sechs Kontinenten als Profi gespielt hat. Angefangen vom 1. FC Bad Kötzting bis hin zum Ramblers Club in Windhoek, Namibia. Er gilt als einer der größten Kenner des südamerikanischen und afrikanischen Fußballs und arbeitet deshalb auch als Chefscout für den Bundesligisten 1899 Hoffenheim sowie als TV-Experte für diverse Sender. Gleichzeitig engagiert er sich mit seinem Projekt Global United für die Umwelt und organisiert Fußballturniere mit Weltstars an exotischen Orten, um so auf die Folgen des Klimawandels aufmerksam zu machen. Sie können ihm auf Twitter folgen.

Pfannenstiel: Das ist eine gute Frage, eine schwierige Frage. Die beiden sind ja bereits in der Gruppe C aufeinandergetroffen. D ort hat Burkina Faso glücklich kurz vor Schluss den Ausgleich gemacht. Also eigentlich ganz klar: Der Favorit heißt Nigeria. Allerdings würde ich mich nicht festlegen wollen, auch weil Burkina Faso im Halbfinale gegen Ghana sich sehr stark präsentiert hat.

Wie war das sportliche Niveau in diesem Jahr?

Eigentlich genau wie immer: Das Niveau ist nie überragend, eher durchschnittlich. Es gibt zwar durchaus das ein oder andere Top-Spiel. Aber vor allem die Vorrunde ist von taktischen Spielereien geprägt. Da spukt bei vielen Teams in den Köpfen herum, dass bei einer Niederlage im ersten Spiel das Turnier schon gegessen ist. Je weiter der Cup dann fortschreitet, umso besser wird das Niveau: Die taktischen Zwänge fallen zunehmend weg, die Mannschaften spielen befreiter und unbekümmerter auf - und das ist noch das Beste und Interessante am afrikanischen Fußball.

Welches Team hat Sie positiv überrascht?

Mehrere: Auf jeden Fall die Kapverden. Die waren überraschend gut. Und Burkina Faso. Die haben ja in der sogenannten Todesgruppe mit dem Titelträger Sambia und Nigeria gespielt und sich dort als Gruppenerster durchgesetzt.

Wer hat enttäuscht?

Die Elfenbeinküste! Die Art und Weise, wie sie sang- und klanglos im Viertelfinale ausgeschieden sind, war enttäuschend. Da bekamen sie von Nigeria, einem jungen, spielfreudigen Team, die Grenzen aufgezeigt.

Und Sambia?

Rein vom Tableau her schon: Der Titelverteidiger ist in der ersten Runde ausgeschieden. Aber wenn man bedenkt, dass sie in der sogenannten Todesgruppe gespielt haben und ungeschlagen - mit drei Remis - die Segel streichen mussten, relativiert das etwas. Dann hat es in diesem Jahr einfach nicht sollen sein. Lustigerweise spielen zwei von Sambias Vorrundengegner im Finale.

Und warum hat es bei der Elfenbeinküste, dem Team mit den größten Stars - Didier Drogba, immerhin amtierender CL-Sieger, die in der englischen Premier League bei ManCity spielenden Toure-Brüder -, wieder einmal nicht zum Titel gereicht?

Didier Drogba: Mit der Elfenbeinküste im Afrika Cup bereits wieder früh gescheitert.

Didier Drogba: Mit der Elfenbeinküste im Afrika Cup bereits wieder früh gescheitert.

(Foto: picture alliance / dpa)

Das Team hat seinen Zenit überschritten: Viele Spieler bewegen sich weit jenseits von 30 Jahren. Sie haben Probleme gegen junge, sch nelle Mannschaften. Zudem sind viele Spieler bereits satt: Sie spielen bei großen ausländischen Teams, haben mit denen schon eine Menge erreicht, Titel gewonnen, verdienen gutes Geld. Da fehlt dann am Ende einfach der nötige Biss. Es ist auch eine Mannschaft mit vielen großen Egos und einfach keine Turniermannschaft.

Apropos zu alt: Wer wird der neue afrikanische Fußball-Superstar?

Beim Afrika Cup selbst war kein absoluter Überflieger dabei. Am ehesten Überflieger-Potenzial würde ich zwei oder drei Nigerianern zugestehen: Emmanuel Emenike von Spartak Moskau, Brown Ideye von Dynamo Kiew oder auch Ahmed Musa von ZSKA Moskau. Das können ganz Große werden. Allerdings spielen die auch schon bei namhaften Vereinen und verdienen dort nicht schlecht - und da tendiert ein Afrikaner auch mal dazu, die Zügel etwas streifen zu lassen.

Aus der Bundesliga waren diesmal nur vier Profis dabei?

Ja: Arthur Boka von Stuttgart ist für die Elfenbeinküste kaum in Erscheinung getreten. Aristide Bance vom FC Augsburg hat speziell im Halbfinale gegen Ghana für Burkina Faso brilliert und die besten Nerven im Elfmeterschießen gehabt, als er den Ball mit einem kleinen Heber ins Netz befördert hat. Cedrick Makiadi aus Kongo, der in der Bundesliga für den SC Freiburg spielt, hat auch ganz ordentlich gespielt. Man merkt, dass er ein Guter ist. Und der Yvorer Ya Konan von Hannover wurde zwar immer eingewechselt, hat dann aber immer für frischen Schwung im Sturm der Elfenbeinküste gesorgt.   

Der Afrika Cup 2013 fand in Südafrika statt, WM-Gastgeber 2010. Wie war die Stimmung im Vergleich zu damals?

Absolut nicht vergleichbar. Der Afrika Cup ist - im Gegensatz zur WM damals - nie von Zuschauern gesegnet. Wenn der Gastgeber spielt, dann ist zwar immer was los. Sobald der aber ausgeschieden ist, geht die Stimmung in den Keller.

Waren die Spiele denn ausverkauft?

Soccer City, Johannesburg: Schön anzusehen, aber selten ausverkauft.

Soccer City, Johannesburg: Schön anzusehen, aber selten ausverkauft.

(Foto: picture alliance / dpa)

Die Stadien waren nicht voll. Zwar wurden viele Tickets verkauft, aber die viele Fans lassen die am Ende einfach verfallen. Bei der WM waren die Stadien voll, weil du halt auch mal die Deutschen, die Brasilianer, die Engländer, die Niederländer oder die Argentinier gesehen hast. Die haben zudem ihre Fans mitgebracht. Das passiert bei den afrikanischen Teams kaum bis gar nicht. Es ist schon ein bisschen traurig, wenn ein Halbfinale vor fast leeren Rängen ausgetragen wird.

Wie hat sich der Fußball in Südafrika seit 2010 entwickelt? Hat sich etwas verändert?

Ja, fußballerisch ist die Liga beispielsweise besser geworden. Die Infrastruktur, sportlich gesehen, ist überragend im Land: Das reicht von den Stadien bis zu den Trainingszentren, zur Ausrüstung und Equipment bis hin zu den Medien. Allerdings reicht das noch nicht, um nachhaltig das fußballerische Niveau zu steigern. Südafrika muss geduldig weiterarbeiten, vielleicht noch sechs bis acht Jahre, weiter vor allem jetzt in den fußballerischen Nachwuchs investieren, um dann endlich bei Turnieren auch erfolgreich zu sein. 

Gab es den vielzitierten Boom nach der WM dann nicht?

Doch, der Boom ist da, man sieht ihn als Außenstehender nur nicht. Aber das Endresultat eben noch nicht.

Der letzte Afrika Cup liegt gerade ein Jahr zurück, Grund ist die Umstellung des Austragungsrhythmus auf die ungeraden Jahre. Zudem findet die Afrikameisterschaft alle zwei Jahre statt und nicht wie die EM alle vier Jahre. Wo liegt der Grund dafür?

Sambias Spieler feiern den Triumph beim Afrika Cup 2012.

Sambias Spieler feiern den Triumph beim Afrika Cup 2012.

(Foto: REUTERS)

Das liegt vor allem an einem, dem Geld. Rein wirtschaftlich e Gründe also. Die Veranstalter und der Verband CAF verdienen gutes Geld und wenn alle zwei Jahre ein Turnier stattfindet, profitiert vor allem der CAF davon.

Gibt es denn Bestrebungen, davon wegzukommen, hin zu einem Vierjahresrhythmus?

Ja, die gibt es. Aber momentan sind die Gegner einer Veränderung noch zu zahlreich. Ein erster positiver Schritt war aber die Umstellung auf ungerade Jahre. So kollidiert man nicht mehr mit Weltmeisterschaften. Ein zweiter Schritt muss sein, den Afrika Cup in den Sommer zu verlegen und dann irgendwann einmal ihn parallel alle vier Jahre mit der EM auszurichten.

Wieso?

Derzeit beeinflusst der Afrika Cup einige Vereine in Europa negativ. Wenn du drei oder vier Afrikaner in der Mannschaft hast und die dann für sechs bis acht Wochen weg sind, kann das den Verein die Meisterschaft kosten, den Europacup-Platz oder den Klassenerhalt. Die Spieler kommen zum Teil auch total ausgebrannt vom Turnier zurück. Das birgt natürlich Konfliktpotenzial, denn die Vereine zahlen die Gehälter der Spieler.

Gibt es deshalb auch weniger afrikanische Bundesliga-Profis?

Ja, ich denke schon, dass das eine Rolle spielt.

Wie beim Vorgängerturnier in Gabun und Äquatorialguinea spielte auch diesmal die Politik - wenn auch etwas anders gelagert - eine Rolle. Stichwort Mali. Spielt das eine Rolle für die Spieler? Ist das ein Thema?

Man merkt natürlich, dass die Mali-Spieler mit ihren Gedanken in der Heimat sind. Man sieht das auf dem Spielfeld, mit wie viel Herzblut sie spielen. Die ein oder andere Message steht dann auch auf T-Shirts zu lesen. Mali wäre zu wünschen zu gewesen, dass sie ins Finale gekommen wären und dort den Titel gewonnen hätten. Das hätte dem Land vielleicht etwas Ruhe verschafft. Fußball verbindet ja schließlich auch. Das habe ich auch in Gesprächen mit Momo Sissoko und Salif Keita erfahren: Sie wollten ihrem Heimatland etwas zurückgeben. Sie haben für ihr Land gespielt. Voller Stolz.

Aber Sie sind im Halbfinale von Nigeria fast schon an die Wand gespielt, ja zerlegt worden …

Ja, das war eine sehr einseitige Partie. Mali hat schlecht gespielt. Da nur auf den Kriegszustand in ihrem Heimatland zu schieben, wäre aber vermessen. Dennoch muss man ganz klar sagen, dass sie nicht bei der Sache gewesen sind. Insgesamt hat sich Mali aber sehr gut verkauft bei diesem Afrika Cup.

Und Ägypten?

In Ägypten erdrückt die politische Situation den Sport. Die macht den Fußball kaputt. Ägypten hat allein von den Namen eines der besten Teams des Kontinents. Allerdings ruht der Liga-Spielbetrieb dort seit über einem Jahr. Da ist es kein Wunder, wenn die Mannschaft bereits in der Qualifikation scheitert. Für Libyen, Marokko und Algerien gilt dasselbe. Der Sport im Allgemeinen und der Fußball im Speziellen werden unter diesem Zustand, den politischen Bedingungen, noch jahrelang leiden. Das ist sehr schade.

Ihr ganz persönliches Fazit zum Afrika Cup 2013? Bei der vorhergehenden Meisterschaft hatten Sie sich ja Malaria eingefangen

(Lacht) Das stimmt. Diesmal habe ich ihn gesund überstanden. Anstrengend war es dennoch. Der Afrika Cup ist ein hartes Brot. Auch weil ich in Doppelfunktion als Scout für 1899 Hoffenheim und als Medienvertreter vor allem als Experte und Chefanalyst für den BBC World Service vor Ort war. Ich habe 25 der 32 Spiele geschaut. Das klingt erst einmal super: viele Spiele, viele Fußball. Aber das ist teilweise schon ein hartes Brot und nicht einfach. Du musst von Ort zu Ort zu hetzen, schaust die Spiele an, berichtest darüber, scoutest, dann ist ein Tag ganz schnell vorbei. Der Schlaf bleibt auf der Strecke.

Also nach dem Afrika Cup geht’s erst einmal in den Urlaub?

(Lacht) Schön wär's. Sie kennen mich ja: Urlaub gibt's bei mir nicht.

Mit Lutz Pfannenstiel sprach Thomas Badtke

Quelle: ntv.de

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