Fußball

Fußball-Zeitreise, 9.11.1960 Andreas Brehme, der Mann der 1000 Sprüche

Andy Brehme und Lothar Matthäus - Weltmeister und Kumpels.

Andy Brehme und Lothar Matthäus - Weltmeister und Kumpels.

(Foto: imago/HJS)

Die deutschen Fußballfans werden es ihm nie vergessen: In Italien schießt Andreas Brehme die Nationalmannschaft 1990 mit seinem Elfmeter zum WM-Titel. Danach allerdings läuft es nicht mehr ganz so rund beim Mann der 1000 Sprüche.

Es war der Aufsichtsratsvorsitzende des 1. FC Kaiserslautern, Robert Wieschemann, der seinerzeit live vor einem Millionenpublikum im "DSF-Doppelpass" eine interessante Sichtweise auf den Elfmeterschützen des WM-Finals 1990 offenbarte: "Die Sprachlosigkeit von Andy Brehme ist eine Gesundung, nee, Entschuldigung, ist eine Fehlerhaftigkeit im Sein". Ein Satz, über den man gerne etwas länger nachdenken sollte, bevor man festhalten kann: So schön er auch ist - er stimmt einfach nicht. Denn dafür gibt es viel zu viele schöne Wortmeldungen des Weltmeisters, der für sich schön früh erkannte: "Von der Einstellung her stimmt die Einstellung". Nun feiert Andreas Brehme seinen 59. Geburtstag.

Pilar kochte dem Andy immer den legendären "Feuertopf".

Pilar kochte dem Andy immer den legendären "Feuertopf".

(Foto: imago sportfotodienst)

Ex-Profi Axel Roos hat ihn einmal so beschrieben: "Andy hat ein sonniges Gemüt. Seine Defizite liegen hauptsächlich im menschlichen Bereich". Diese Charakterstudie verwundert, wenn man berücksichtigt, dass Brehme über sich selbst sagt: "Ich bin immer höflich. Auch zu anderen Leuten". Klar, es gibt auch Sätze, die das Gegenteil vermuten lassen. Er soll nach einem Uefa-Cup-Spiel zwischen der PSV Eindhoven und Kaiserslautern, das wegen Zuschauerausschreitungen unterbrochen werden musste, gesagt haben: "Wir müssen die deutsch-holländische Feindschaft wieder aufleben lassen."

Aber im Grunde war Brehme alles andere als ein Hitzkopf. Und das trotz des "mexikanischen Feuertopfs", den ihm seine Frau Pilar vor jedem Fußballspiel kochen musste. Erotik-Expertin Erika Berger konnte ihr Faible für den blonden Lockenkopf nicht verbergen. Sie gestand, dass Brehme "sehr reizvoll für uns Frauen" sei. Rolf Töpperwien fragte während der WM 1990 beim Italienlegionär investigativ nach: "Na, Andy, wie ist das denn so mit euren Frauen hier? Fällt das schwer, so lange getrennt von Tisch und Bett?" Und Brehme antwortete damals sichtlich überhitzt, aber dennoch cool: "Vom Tisch nicht."

Weil Matthäus' Schuh kaputt war ...

Für die Öffentlichkeit wurde der gebürtige Hamburger 1990 während der Wochen von Italien zu einer Legende. Auch für die Freundschaft zu Lothar Matthäus war diese Zeit prägend. Sein Zimmergenossen schwärmt noch heute von den Vorzügen seines Lieblingskollegen: "Der Andy hat immer schön geschlafen, wenn ich noch telefoniert oder Fernsehen geguckt habe". Und deshalb war der Andy wohl auch der geeignete Mann, um den Strafstoß im Endspiel gegen Argentinien zu verwandeln. Damals ließ Matthäus dem Kollegen den Vortritt, weil ihm in der ersten Halbzeit sein Schuh kaputt gegangen war.

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Brehme verwandelte, wie wir wissen, cool und lässig, obwohl ihm kurz vor der Ausführung Rudi Völler noch einmal den klugen wie verschwörisch-gemeinen Satz, "Andy, wenn du den reinmachst, sind wir Weltmeister", zurief. In diesen Minuten entschied sich so, was niemand ahnte, auch ein Teil seiner Karriere nach der Zeit als Profi. Denn Lauterns Präsident Jürgen Friedrich sagte später einmal: "Wer einen Elfmeter schießen kann, kann auch ein guter Trainer werden".

Brehmes Erfolgsgeheimnis als Übungsleiter: "Ich spreche die gleiche Sprache wie die Jungs, und außerdem freuen sie sich, wenn der Papa im Training mal mitmacht und eine gute Flanke schlägt". Zudem hatte der Weltmeister den besten Lehrmeister, den man nur haben kann: "Beckenbauer hat mir beigebracht: Fehler darf man nie zugeben". Den Ratschlag des Kaisers beherzigte Brehme fortan, wiewohl Beckenbauer dem Fußballprofi Brehme einmal geraten hatte: "Spiel Halma, spiel Schach, spiel alles - aber nicht Fußball."

Als Feldkamp in Brehmes Bett lag

Einer der größten Fans des Lauterers war der Trainer Friedel Rausch: "Andreas Brehme hätte mit einem Bein besser gespielt als einige meiner Spieler heute mit zweien". Nicht so sehr angetan war einer seiner Trainer in den Anfangstagen seiner Karriere, wie Brehme selbst erzählt: "Ich war mit Norbert Eilenfeldt abends auf ein Bier unterwegs. Um 23 Uhr war Bettruhe angeordnet. Dummerweise hatten wir uns verspätet, etwa 30 Minuten. Mit dem Mannschaftsbus war schon nach uns gesucht worden, als wir im Quartier auftauchten. Heimlich, still und leise wollte ich mich in mein Bett schleichen. Da lag zu meinem Entsetzen aber Kalli Feldkamp drin, der auf mich gewartet hatte. Ich hatte meinen Namen für Sekunden vergessen, so bin ich von Feldkamp zurechtgestaucht worden".

Auch mit 59 Jahren hat Andreas Brehme noch viel zu erzählen.

Auch mit 59 Jahren hat Andreas Brehme noch viel zu erzählen.

(Foto: imago images/Pacific Press Agency)

Den französischen Superstar in Diensten des 1. FC Kaiserslautern, Youri Djorkaeff, konnte Brehme nicht so gut leiden. Die beiden waren Konkurrenten, doch Djorkaeff war gerade bei jüngeren Anhänger beliebter als der alternde Star Brehme, wie sich der Franzose erinnert: "Ein Fan rief: Weltmeister. Brehme drehte sich um, aber der Fan hat mich gemeint".

Eine Sache wird Brehme bis an sein Karriereende begleiten: Seine verbalen Lattentreffer sind in die Geschichte des deutschen Fußballs eingegangen. TV-Komiker Harald Schmidt umschrieb diese spezielle Begabung einmal mit den Worten: "Was mir ja an Andy Brehme so imponiert, ist, dass er nicht ständig den Intellektuellen raushängen lässt". Axel Roos sagte es direkter: "Hinter Brehmes Rücken wurden immer häufiger Witze über seine schlichte Sprache gemacht. Nach einer Weile hatte kaum noch jemand Respekt vor ihm, der zuvor noch nicht einmal eine E-Jugend-Mannschaft trainiert hatte".

"Sie sind übern Schweinehund weggegangen"

Roos erinnerte sich an einen typischen Ausspruch von Brehme, wenn die Spieler einmal eine gute Partie gezeigt hatten: "Sie sind übern Schweinehund weggegangen". Diese Liste an legendäre Zitaten lässt sich endlos fortsetzen:

  • Rom, Stadio Olimpico, 8. Juli 1990: Breme schießt, Argentiniens Sergio Goycochea ist machtlos.

    Rom, Stadio Olimpico, 8. Juli 1990: Breme schießt, Argentiniens Sergio Goycochea ist machtlos.

    (Foto: imago/Laci Perenyi)

    "Schiedsrichter müssen parteiisch sein."
  • "Zum Glück ist die Mannschaft nach dem Spiel besser ins Spiel gekommen."
  • "Ich bin bärenstolz auf meine Mannschaft."
  • "Wir haben mit einem Arbeitssieg das Spiel gewonnen."
  • "Uns steht ein hartes Programm ins Gesicht."
  • "Wir hatten viele Verletzte, aber das soll den Sieg der Freiburger in keinster Weise schmeicheln."
  • Über einen seiner Spieler: "Der Dings ist auch in der zweiten Halbzeit immer besser geworden."
  • "Ich habe gesehen, dass die Mannschaft 90 Minuten auf dem Platz war."
  • "Wenn der Schiri den Elfmeter gibt, dann hätten wir noch was zerreißen können."
  • "Wenn der Mann in Schwarz pfeift, kann der Schiedsrichter auch nichts mehr machen."

Kommen wir aber noch einmal auf den Anfang zurück. Sprachlosigkeit kann man Brehme, wie wir gesehen haben, nun wirklich nicht attestieren. Stattdessen haben wir einen willensstarken und lebenslustigen Freund von Lothar Matthäus kennengelernt. Und genau zu den beiden Kameraden hat der ehemalige Bundesliga-Kollege Michael Krätzer noch eine abschließende Anekdote auf Lager: "In der ‚Tennis Bar’ sind einige Bundesligagrößen ein- und ausgegangen. Und die kamen nicht nur wegen der Musik. Ich kann mich noch an einen Abend mit Andy Brehme und Lothar Matthäus erinnern. Die waren eigentlich beste Freunde, aber am Ende so besoffen, dass die sich auf Klo gesiezt haben".

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Quelle: ntv.de

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