Fußball

Wilde Attacken gegen FC Bayern Verzweifelter Manuel Neuer schreit laut um Hilfe

Manuel Neuer ist offenbar mächtig wütend und enttäuscht.

Manuel Neuer ist offenbar mächtig wütend und enttäuscht.

(Foto: AP)

Bei Manuel Neuer hat sich eine Menge Frust aufgestaut - und der entlädt sich in einem bemerkenswerten Interview. In diesem geht der Kapitän mit seinem FC Bayern hart ins Gericht. Und beendet damit womöglich seine Zeit beim Rekordmeister.

Die Chancen, dass Manuel Neuer in der kommenden Saison das Tor des FC Bayern hütet, sind an diesem Freitag dramatisch gesunken. Mit dem Heilungsprozess seines verunfallten Beins hat das indes nichts zu tun, vielmehr sind die Aussichten auf eine "Koan-Neuer"-Zukunft in München eine verbale Spätfolge des folgenschweren Skiunfalls zur Therapie seines Wut-Frusts, der doch eigentlich nicht gefährlicher hätte sein sollen als der Gang zum "Brötchen holen". Wer sich wundert, wie all das zu einem Puzzle zusammenpasst, das die Karriere des vielleicht besten Torwart beim Rekordmeister beendet, der muss das bemerkenswerte Interview des 36-Jährigen lesen. Es ist ein schwer zu greifendes Gespräch aus Hilflosigkeit, Kontrollverlust, Abrechnung und Entschuldigung, über dem die Frage schwebt: Was soll das und warum jetzt?

In den letzten zwei Monaten haben fremde Mächte die Kontrolle über die Karriere von Neuer gewonnen. Sein Ausbruch in dem zeit- und inhaltsgleich veröffentlichten Interview in der "Süddeutschen Zeitung" und bei "The Athletic" ist eine Auflehnung gegen diesen Kontrollverlust. An seinem Verein, Bayern München, vorbei, kommuniziert hier der echte Neuer. Der Junge aus dem Pott, der es ganz nach oben gebracht hat und jetzt erfahren muss, wie rasant es zum Ende einer Karriere nach unten gehen kann. Doch die Laufbahn, sagt der 36-Jährige, ist noch lange nicht vorbei. Es waren nur schlimme Monate.

Begonnen habe alles bei der WM in Katar, als die Nationalspieler plötzlich im Wüstenwind standen. "Zu diesem Zeitpunkt waren wir Sportler, die vor dem ersten Gruppenspiel des größten Turniers überhaupt standen", sagt Neuer und berichtet vom "Klotz am Bein", den sie statt der "One Love"-Binde mit sich rumschleppen mussten. "Niemand wurde getrieben, niemand dazu gezwungen", sagt er über die Mund-zu-Geste, die vor der Niederlage gegen Japan stand und die wohl auch im Kreis der Mannschaft kontrovers diskutiert wurde. Neuer wollte der FIFA etwas entgegenhalten, am Ende ergoss sich weltweite Häme über die, die es probierten. Weil Deutschland verlor und ausschied und vieles an diesem Protest festgemacht wurde.

WM-Kritik hat Neuer "echt verletzt"

Nicht alles, denn auch sportlich lief es nicht für Neuer, dem das späte Tor der Japaner zur deutschen Niederlage angekreidet wurde. Schon wieder massiver Gegenwind. "Als es nach der WM hieß, ich sei für das Scheitern verantwortlich, das hat mich in gewisser Weise echt verletzt", sagt Neuer, der sich zur WM gekämpft hatte, aber schon in den ersten Spielen dieser Saison nicht mehr überzeugen konnte. Er war unsicherer, musste, da schon angeschlagen, sich auch für das 2:2 in Dortmund verantworten, aber Bundestrainer Hansi Flick hielt zu ihm. Andere nicht. "Ich weiß nicht, ob es eine Kampagne war, aber es lief in diese Richtung", erklärt Neuer diesen Kontrollverlust, der sich immer weiter fortsetzte.

Statt in Katar, um den Einzug ins Finale im Lusail zu kämpfen, saß er nun in Bayern zu Hause, konnte nicht einmal in den Urlaub nach Island fahren. Der war für den 19. Dezember gebucht. Nichts zu machen. "Und dann saß ich hier, und es geht einem richtig scheiße", erinnert er sich und, dass er gegen dieses Gefühl etwas tun wollte. Raus in die Natur, seine "Therapie". Doch auch die Natur hatte sich gegen ihn gewendet. Auf dem Gang zum "Brötchen holen", auf einer Ski-Tour, die er so oft schon gemacht hatte, stoppte ihn etwas und brach ihm das Schienbein. Was eine Trainingseinheit sein sollte, wurde zur größten Katastrophe für einen Keeper.

Nicht die Verletzung habe ihn in den Wahnsinn getrieben, sondern dass er die Menschen in seinem Umfeld verletzt hatte und dass, sagt er nicht, seinem Verein durch dieses Unglück einen erheblichen finanziellen Schaden zugefügt hatte. Er habe sich gestellt, er sei "kein Schisshase, der sich wegduckt". Aber natürlich war er einer, der nur davon berichten konnte, dass es schon wieder in die Hose gegangen sei. Zu "One Love", der Kritik an ihm, dem WM-Aus, gesellte sich nun noch der Bruch des Schienbeins. Ein Monat, der alles veränderte.

Nicht verteidigen, nicht wegducken, nur erklären

Und der war nur der Auftakt für neue Debatten und eine Eskalation an der Säbener Straße, an deren Ende mit Yann Sommer ein ernsthafter Konkurrent im Tor der Bayern stand und sein Lebensfreund und Trainer Toni Tapalovic von seinen Aufgaben entbunden worden war. Alles, was passierte, lag nicht mehr in seiner Kontrolle. Neuer, der das Spiel von hinten lesen kann wie kaum ein anderer Torhüter, der das Spiel neu erfand und ganze Generationen prägte, sieht sich am Ende dieser Abwärtsspirale plötzlich in einer Verteidigungsposition. Doch er will sich nicht verteidigen, nicht wegducken, nur erklären, wie es dazu kommen konnte, dass etwas passierte, was sein Leben auf den Kopf stellte, was dazu führte, dass sein Verein ihm, dem Kapitän, ja sogar "das Herz rausgerissen" hat.

Noch einmal will er sich stellen, noch einmal kämpft er um sein Erbe und darum, dass er wieder die Kontrolle über seine Karriere gewinnt. Der technische Prozess der Heilung wird irgendwann abgeschlossen sein, und er will sich dem Konkurrenzkampf stellen, er ist hungrig, er liebt dieses Spiel viel zu sehr, um es einfach aufzugeben. Es ist jetzt die Frage, was die Bayern daraus machen. In einer ersten Reaktion hat Klubchef Oliver Kahn klargemacht, wie wenig er inhaltlich von der Kritik seines Nachfolgers als Titan hält und wie falsch er den Zeitpunkt findet.

Für die Münchner, die in der Bundesliga noch immer in der Ergebniskrise hängen, steht das Gigantenduell mit Paris St. Germain in der Champions League an. Ruhe im Team wäre eine kluge Form der Vorbereitung. Doch ihr steht nun die Eskalation gegenüber. Denn die Worte, die Neuer als Anklage wählt, haben als Subtext: Ehrverletzung, Gewalt und Rücksichtslosigkeit. Dass das nicht aus der ersten Emotion heraus geschieht, sondern mit Abstand, dürfte ein Indiz dafür sein, dass Neuer diese Worte sehr bewusst gewählt hat.

Allein im Gefecht im Alphatiere

Und dass er sie an zwei Personen konkret richtet: an Cheftrainer Julian Nagelsmann und an Sportvorstand Hasan Salihamidžić. Nagelsmann soll die treibende Kraft hinter dem Rauswurf von Tapalovic gewesen sein. Neuer wertet den Angriff auf seinen Freund auch als Angriff auf ihn selbst. Und seiner Säule der Unantastbarkeit. An der hatte auch der Sportvorstand schon gerüttelt, als er im Sommer 2020 mit Alexander Nübel ein Torwart-Talent als potenziellen Nachfolger verpflichtete. So empfand es Neuer.

Dem jungen Keeper, ebenfalls ein Schalker, war damals sogar, so hieß es, eine stabile Zahl an Einsätzen in Aussicht gestellt worden. Neuer reagierte wütend, betonte, immer der "Protagonist" sein zu wollen. In München, im DFB-Team. Einen Konkurrenzkampf sah er nicht, weil es in seiner Welt keinen Konkurrenten gab. Das ändert sich nun. Mit Sommer ist ein Keeper da, der in den vergangenen anderthalb Jahren vielleicht sogar der Stärkere war. Und mit Nübel kommt im Sommer das Talent zurück, das dem Tapalovic-Stein den letzten Schubs gab und stets betont, die Nummer eins sein zu wollen.

Probleme mit Salihamidžić

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Die Welt der Neuer-Loyalisten beim Rekordmeister in München ist in den vergangenen anderthalb Jahren rapide geschrumpft. Vielleicht ist der Keeper mittlerweile sogar allein im Gefecht der Alphatiere. Mit Tapalovic hat Boss Salihamidžić nach Hansi Flick, mittlerweile Bundestrainer, bereits den zweiten Mann rasiert, der Neuer gegen alle Widerstände verteidigt hatte. Flick ließ den Keeper immer spielen, pfiff auf die angeblichen Versprechungen des Bosniers. Ein Teil, der zum eskalierten Machtkampf geführt hat. Und auch mit Salihamidžić selbst hat Neuer so seine Probleme gehabt. Bei der Vertragsverlängerung 2020 etwa. Da lancierte die Seite des Keepers Vorwürfe der Indiskretion. Ein Verdächtiger wurde nicht offen benannt, aber es brauchte nicht viel, um Salihamidžić als jenen Mann zu entlarven, von dem der Torwart enttäuscht war. Damals wie heute ging es um Wertschätzung.

Das bemerkenswerte Interview zeichnet zumindest das Bild eines Kämpfers, der sich, anders als Cristiano Ronaldo in seinem fatalen Interview im Herbst 2022, noch nicht aufgegeben hat. Es bleibt die Frage, ob Neuer aber darüber überhaupt noch die Kontrolle hat.

Quelle: ntv.de

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