Es reicht so eben gegen Bergamo BVB müht sich im "Cup der Verlierer"
16.02.2018, 08:56 Uhr
Richtig strahlen kann beim BVB derzeit nur einer: Volltreffer-Neuzugang Michy Batshuayi.
(Foto: imago/Eibner)
Borussia Dortmund gewinnt unter Trainer Peter Stöger zwar wieder, aber die Kontinuität fehlt weiterhin - auch in der Europa-League gegen Bergamo. Die Ausnahme ist der neue Torjäger Michy Batshuayi. Zukunft hat das eher nicht.
Die Mission Wiedergutmachung sollte mit einem dieser rauschenden Feste beginnen, wie sie in Dortmund schon so oft gefeiert worden sind, wenn im Revier das Flutlicht angeknipst und internationaler Fußball geboten wird. In der Europa League - so der Plan - will sich der BVB für das sang- und klanglose Ausscheiden in der Champions League rehabilitieren. In der Runde der besten 32 Teams ging es im Hinspiel gegen Atlanta Bergamo, die Borussia gewann am Donnerstag vor 62.500 Besuchern nach hartem Kampf mit 3:2 (1:0), weil der belgische Torjäger Michy Batshuayi seinen neuen Arbeitgeber nach einem Rückstand mit zwei Treffern rettete.
Eine Gala war es nun wirklich nicht, im Gegenteil, es war wie so oft in den letzten Wochen und Monaten ein zähes Ringen. "Wir müssen sehr, sehr zufrieden sein, dass wir dieses Spiel noch gewonnen haben", sagte Mario Götze. Dabei ist der "Cup der Verlierer", wie ihn Franz Beckenbauer einmal genannt hat, für die Dortmunder die einzig verbliebene Möglichkeit, eine Saison mit einigen Höhen und erstaunlich vielen Tiefen noch mit einem Titel abzuschließen. "Wir sehen die Europa League ganz bestimmt nicht als Trostpreis", beteuert etwa Innenverteidiger Ömer Toprak: "Wenn man alleine sieht, welche Mannschaften dieses Jahr dabei sind." Atlético Madrid zum Beispiel, der FC Arsenal, der AC Mailand und der SSC Neapel.
"Am Ende das Finale in Lyon spielen"
Das ist europäischer Fußballadel, zu dem sich die Borussia derzeit nicht zählen darf. Nur zwei Punkte aus der Champions-League-Vorrunde - darunter zwei Remis gegen ein Leichtgewicht wie Zyperns Meister Nikosia - das war einfach nur blamabel. Oder auch "unerträglich", wie es Dortmunds Geschäftsführer Hans-Joachim Watzke formulierte. Doch das krachende Scheitern hatte tatsächlich noch etwas Positives, denn es reichte, um als Dritter in der Europa League zu überwintern. Den einzigen Pokal zu gewinnen, der noch fehlt, um die Titelsammlung des börsenorientierten Fußballunternehmens komplett zu machen, ist das neue Saisonziel des BVB. "Ich hoffe, dass wir noch viele Europapokalspiele haben und am Ende das Finale in Lyon spielen", verkündete Manndecker Ömer Toprak vor dem Kräftemessen gegen Bergamo.
Es ist ein hehrer Plan, an dem die Borussia gemessen wird in einem Wettbewerb, in dem sich die Bundesliga zuletzt alles andere als glorreich verkaufte. Auch der BVB lieferte im heimischen Stadion kein Glanzstück ab, es war wieder mal harte Arbeit, die eigenen Unzulänglichkeiten zu überwinden und die so dringend benötigten Erfolgserlebnisse zu schaffen.
"Gut so, dass wir bestraft wurden"
Vor allem der Beginn der zweiten Halbzeit gab Anlass zur Sorge, als die Dortmunder mit einer 1:0-Führung durch den starken André Schürrle im Rücken ohne jegliche Not die Initiative abgaben und mit haarsträubenden Fehlern von Außenverteidiger Toljan und Torhüter Bürki zuließen, dass der Gegner aus Italien innerhalb weniger Minuten das Spiel drehte. Dieser Blackout sei "schwer zu erklären", sagte Trainer Peter Stöger, "weil wir eine ordentliche erste Hälfte gespielt haben. Du musst aktiv bleiben, aber wir haben es ihnen viel zu einfach gemacht." Mittelfeldspieler Julian Weigl bemängelte, "wir haben aufgehört, Fußball zu spielen und es nur noch mit langen Bällen versucht." Immerhin glaubt Stöger, einen pädagogischen Effekt aus dem Einbruch ziehen zu können: "Gut so, dass wir bestraft wurden, daraus können wir für unsere Entwicklung lernen."
Immerhin ist auf den neuen Torjäger Verlass: Als gar nichts mehr lief, schnappte sich Michy Batshuayi den Ball und donnerte ihn aus 18 Metern zum Ausgleich in die Maschen. In der Nachspielzeit traf der Stürmer nach herrlichem Zuspiel von Mario Götze ein weiteres Mal und sicherte so den Sieg. Es war im dritten Spiel für den BVB bereits der fünfte Treffer des neuen Saltomanns, der seinen exzentrischen Vorgänger Pierre-Emerick Aubameyang innerhalb kürzester Zeit hat vergessen lassen. Das Problem ist: Je zuverlässiger der Belgier trifft, desto schwieriger dürfte es werden, den bis zum Sommer von Chelsea London ausgeliehenen Vollblutstürmer dauerhaft zu halten. Der 24-Jährige selbst hat sich jedoch entschlossen, nur für den Augenblick zu leben und seinen Ist-Zustand zu genießen: "Ich fühle mich sehr gut in der Mannschaft und denke überhaupt nicht an den Sommer. Es kommt, wie es kommt."
Etwas von der Leichtigkeit ihres neuen Torgaranten täte auch dem Rest einer Mannschaft gut, die weiterhin nach Souveränität und Ausstrahlung sucht. In einer Woche wird sich beim Rückspiel in Italien herausstellen, ob der knappe Vorsprung reicht oder ob Borussia Dortmund auf europäischer Bühne den nächsten herben Rückschlag einstecken muss. Der BVB gewinnt zwar unter Peter Stöger wieder regelmäßig, aber Siege wie die in Köln, gegen den HSV oder nun gegen Bergamo offenbaren überdeutlich, wie viele Schwachstellen noch zu beseitigen sind, bis die Borussia wieder da ist, wo sie sich selbst sieht. Denn eines wird derzeit von Woche zu Woche überdeutlich: Vom Anspruch, den BVB-Boss Watzke einst formulierte, in Fußball-Deutschland neben Branchenführer Bayern München als "zweiter Leuchtturm" zu erstrahlen, sind die Dortmunder meilenweit entfernt.
Quelle: ntv.de