Fußball

Dortmunds Blick in die Zukunft Befriedet Rose die Sehnsucht des BVB?

Marco Rose hat mit Gladbach turbulente Wochen hinter sich.

Marco Rose hat mit Gladbach turbulente Wochen hinter sich.

(Foto: picture alliance/dpa/Pool AP)

Im DFB-Pokal bekommt Borussia Dortmund eine Kostprobe davon, was den Klub erwarten könnte. Noch-Gladbach-Trainer Marco Rose wird ab Sommer beim BVB in der Verantwortung stehen. Auf ihn warten nicht nur schwere Aufgabe, sondern auch eine jahrelange Sehnsucht.

In den letzten Jahren ist es fast schon unfair, Trainer bei Borussia Dortmund zu sein. Thomas Tuchel, Peter Bosz, Peter Stöger, Lucien Favre und Edin Terzic: Obwohl sie alle hervorragende Übungsleiter sind, hatte so wirklich keiner eine richtige Chance. Sie mussten eine Erwartungshaltung erfüllen, die niemand erfüllen kann. Vor sechs Jahren ist Jürgen Klopp aus Dortmund fortgegangen, doch seine Aura hat die Borussia nie verlassen. Diese Sehnsucht, die schon fast einer Obsession gleicht, ab Sommer soll Marco Rose sie vergessen machen.

Während die Schwarz-Gelben sich in den vergangenen Monaten mit Mentalitätsfragen quälten, bei ihnen Enttäuschungen inzwischen zur Tagesordnung gehörten und sogar der Absturz ins Tabellenmittelmaß drohte, lief es bei der Borussia vom Niederrhein deutlicher harmonischer. Dort konnte der BVB aus nächster Nähe erleben, was der zukünftig erwarten könnte. Auch wenn aktuell die Qualifikation für Europa in Gefahr ist, waren die ersten anderthalb Jahre mit Rose durchaus erfolgreich.

Der Start war mitunter risikobehaftet, Gladbachs Sportdirektor Max Eberl setzte vor zwei Jahren seinen Trainer Dieter Hecking vor die Tür, um Platz für Marco Rose zu schaffen. Befeuert von Jürgen Klopp, der Rose den "Gehyptesten von allen" nannte, buhlten zahlreiche Bundesligisten um den damaligen Salzburg-Trainer. Bis auf Hecking, der mit dem HSV anschließend den Aufstieg verpasste, hat sich Eberls Mut für alle Beteiligten ausgezahlt. Unter Rose traten die Gladbacher offensiver und attraktiver auf. In seinem ersten Jahr 2019/20 stand die Fohlenelf für acht Spieltage an der Tabellenspitze, in seinem zweiten erreichten sie erstmals seit 43 Jahren die K.-o.-Phase der Königsklasse.

Favre ging, die Unruhe blieb

Die Dortmunder dagegen rannten den eigenen Zielen hinterher. Meist konnten sie die Flick-Bayern mit gehörigem Abstand aus der Ferne beobachten. Zusehend waren die Schwarz-Gelben mit sich selbst beschäftigt. Obwohl er als "Mensch und Fachmann über jeden Zweifel erhaben ist" (BVB-Boss Hans-Joachim Watzke), musste Lucien Favre nach unruhigen Monaten Mitte Dezember dann doch gehen. Interimslösung Edin Terzic konnte diese Unruhe nicht bändigen. Schon Ende Dezember fragten die BVB-Verantwortlichen laut "Sport Bild" bei Roses Berater an. Auch sie verfolgten wohl, was sich bei der anderen Borussia abspielte. Diese Sehnsucht nach Klopp, vielleicht könnte Rose sie stillen.

Die gemeinsame Geschichte der beiden ist hinlänglich bekannt. Nicht umsonst ist Klopp ein begeisterter Fürsprecher seines ehemaligen Linksverteidigers. Gemeinsam stiegen sie 2004 mit dem 1. FSV Mainz 05 in die Bundesliga auf. Die Zeit scheint Rose nachhaltig geprägt zu haben. Im Fußballmagazin "11 Freunde" schwärmte er davon, wie Klopp es schaffte, aus den 05ern einen verschworenen Haufen zu machen. Ähnlich wichtig empfand der 44-Jährige die Zeit bei Hannover 96 unter Trainer Ralf Rangnick. Dem Mann, der Deutschland 1998 die Viererkette erklärte und die Trainergeneration um Julian Nagelsmann prägte.

Seine ersten eigenen Trainerschritte machte Rose in als Co-Trainer Mainz und 2012/13 in der Regionalliga Nordost bei Lok Leipzig. Dem "Guardian" erzählte er, dass er die Zeit in Leipzig zwar schätzte, häufig nur mit sich selbst über Fußball reden konnte. Erst im Red-Bull-Konstrukt änderte sich das. Als Jugendtrainer in Salzburg profitierte er vom weltweiten Netzwerk, entwickelte sich weiter und erweiterte sein Trainerteam um Taktikexperten. Als Cheftrainer der Salzburger Profis machte Rose auch europaweit auf sich aufmerksam.

Dortmunds Blick in die Zukunft

Fußballerisch verfolgen Rose und Klopp eine ähnliche Philosophie: hohes Pressing, viel Zug zum Tor, wenig Ballbesitz. Doch bemerkenswerter ist eine andere Gemeinsamkeit mit dem Liverpool-Trainer. Von seinen Spielern fordert Rose, "immer von jedem Teamkollegen überzeugt sein, und immer den Glauben haben, dass wir die Chance haben, gegen jeden zu gewinnen".

Aus Sätzen wie diesen entsteht etwas, was den Dortmundern in den letzten Jahren verloren gegangen ist und wieder zurückkehren könnte: das Gefühl, eine eingeschworene Gemeinschaft zu sein. Der Zeitpunkt, inmitten einer entscheidenden Saisonphase seinen Abschied zu verkünden, ist unglücklich. Ohnehin gibt es kein perfektes Datum dafür. Und das, obwohl seine Ausstiegsklausel von Anfang an bekannt war. Die Dreifachbelastung, die Pandemie-Belastungen, der Streit um den Übungsleiter zollen gerade ihren Tribut: Nach der Ergebnis-Krise der jüngsten Wochen besteht die reale Gefahr, in der nächsten Saison nicht mehr europäisch zu spielen. Seit der Abschiedsankündigung haben die Fohlen kein Match mehr gewonnen. Es droht das Erreichte der jüngsten Jahre verspielt zu werden. Nun geht es im so wichtigen DFB-Pokal-Viertelfinale ausgerechnet gegen Roses neuen Verein.

Doch während Medien nach dem Abschied des Trainers einen Riss in der Mannschaft kolportierten, Fans ihrem Frust Ausdruck verleihen, verteidigte in einer bemerkenswerten Wutrede Sportdirektor Max Eberl seinen Weg, Rose nicht sofort zu beurlauben. Anschließend sekundierten ihm medienwirksam auch Florian Neuhaus und Jonas Hofmann ("Das ist sowas von verlogen" bei "Kicker meets Dazn"). Gladbach präsentiert sich als der verschworene Haufen, von dem der BVB seit sechs Jahren träumt und hofft, in Zukunft wieder zu sein. So, wie Marco Rose es von Jürgen Klopp gelernt hat.

Quelle: ntv.de

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