Inoffizieller Titel zu gewinnen Warum der unbesiegbare FC Bayern dieses PSG-Spiel so überhöht
04.11.2025, 09:35 Uhr
		                      Joshua Kimmich und der FC Bayern sind derzeit nicht aufzuhalten. Gilt das auch noch nach dem Spiel gegen PSG?
(Foto: IMAGO/Uwe Kraft)
Der FC Bayern gewinnt in dieser Saison alle Spiele. Nun geht es in der Champions League gegen Titelverteidiger Paris St. Germain und die Münchner heben dieses Duell auf ein besonders hohes Podest. Aber warum eigentlich?
Luis Enrique staunt über diesen FC Bayern. Alle 15 Saisonspiele haben die Münchner bisher gewonnen. Das sei einfach "unglaublich", findet der Startrainer von Paris St. Germain, selbst höchst dekoriert mit dem Triumph in der Champions League in der vergangenen Saison. Und auch in dieser Saison läuft es zumindest in Europas Elite-Liga schon wieder ganz hervorragend. Der Titelverteidiger steht nach drei Spieltagen in der Ligaphase auf Platz eins, einen Rang vor den alles fressenden Münchnern. Nun treffen die beiden Schwergewichte aufeinander und natürlich bekommt dieses Spiel besonders große Beachtung. Aber eine teilweise auch zu große.
An diesem 4. November wird nichts entschieden. Gar nichts. Nicht mal vorentschieden wird irgendwas. Wobei das nicht ganz stimmt, es geht um den inoffiziellen und damit eher wertlosen Titel des Klub-Weltmeisters, den sich die Bayern zuletzt gegen Chelsea schnappten. 2004 hatten ein paar Statistik-Liebhaber das alte Boxsport-Prinzip auf den Fußball übertragen: Es gibt nur einen Titel und der muss in jedem Spiel verteidigt werden. Die inoffizielle Klub-Weltmeisterschaft wird von einer Handvoll Nerds aus England und Deutschland nachgehalten.
Zurück zur eigentlichen Bedeutung des Spiels: Zu lang ist diese Saison noch, zu viel kann noch passieren, um hier eine Vorentscheidung um Europas Thron herbeizurufen. Und dennoch brennen die Münchner lichterloh für das Duell. Der Champions-League-Sieger gegen die "heißeste" Mannschaft des Kontinents - "das", schwärmte Bayern-Präsident Herbert Hainer mit leuchtenden Augen, "ist das Höchste, was man haben kann!" Um 21 Uhr (bei Prime Video und im Liveticker bei ntv.de) treten die Unbesiegbaren im stimmungsvollen Prinzenpark an und wollen dem Kontinent ein fußballerisches Statement entgegenschleudern.
Letzter CL-Triumph ausgerechnet gegen PSG
Das haben sie im Sommer ja bereits auf dem Transfermarkt getan. Nach dem gescheiterten Sehnsuchtstransfer von Florian Wirtz, der nun beim FC Liverpool vor sich hinkriselt, griffen die Bayern bei eben jenen Reds zu und verpflichteten Luis Diaz. Das viele Geld, das sie investierten, zahlt sich bislang voll aus, auch wenn der Mann aus Kolumbien vor dem Tor noch abgezockter sein kann. Aber seine herausragende Arbeitsbereitschaft, sein Tempo, seine Spielfreude haben den FC Bayern noch besser gemacht. Im Kampf der Oligarchen, die Unsummen selbst für Fußballer ausgeben, die nicht leckerste Feinkost sind, sind Gigantenwechsel ein ständiger Kraftakt. Wie gut, dass die 70 Millionen Euro für den Flügelstürmer bislang sehr gut angelegt scheinen.
Die Münchner plagt eine große Sehnsucht. Sie wollen unbedingt wieder den Henkelpott holen. 2020 gelang das zuletzt, damals unter den grauen Wolken der grassierenden Corona-Pandemie. Ausgerechnet gegen PSG. Beide Mannschaften haben in den vergangenen Jahren eine große Rivalität entwickelt. Ein Kampf der Systeme war das. Die Münchner, die Traditionsmannschaft, die sich aus eigener Kraft antreibt. Gegen die katarische Maßlosigkeit, die in einem kranken Superstarkult mündete, der sich nicht auszahlte. Weder Neymar noch Lionel Messi und auch nicht Kylian Mbappé brachten den Henkelpott zustande (nicht mal gemeinsam). Erst als sich PSG mit Luis Enrique neu ausrichtete, Fußball nicht mehr als Individualsport betrachtete, sondern als Mannschaftsereignis, flog man an Europas Spitze. Die Systeme glichen sich an, auch wenn bei PSG das Geld weiter keine Rolle spielt.
Die besten Bayern, die es je gab? Vorsicht!
Die Bayern wollen nun beweisen, dass sie mit ihrer Strategie ebenfalls in der Lage sind, Europa zu erobern. Dass sie weiter erfolgreich das gallische Fußball-Dorf sind, das sich gegen die superreichen Mäzen-Klubs behauptet. Und in dieser Saison scheint vieles möglich, alles. Trainer Vincent Kompany hat eine perfekt funktionierende Mannschaft geformt, die hart arbeitet, wahnsinnig viel rennt und tollen Fußball spielt. Vielleicht den besten, den es jemals in der Bundesliga zu bestaunen gab. Wobei solche Fallhöhen natürlich niemandem helfen. Und auch anderen Mannschaften, wie den Josep-Guardiola-Bayern oder den eine Saison lang unbesiegten Xabi-Alonso-Leverkusenern, nicht gerecht werden, um nur zwei Beispiele aus der jüngeren Vergangenheit herauszuheben.
Was aber derzeit Fakt ist: Egal, was Vincent Kompany tut, es gelingt. Wie Rumpelstilzchen besitzt er offenbar die Lizenz zum Goldspinnen. Im Bundesliga-Topspiel rotierte er einfach mal Superstürmer Harry Kane auf die Bank, setzte in einem überraschenden Schonungsprogramm direkt auch noch Diaz und den unfassbaren Michael Olise daneben. Ein Problem? Aber nicht im Geringsten. Die Maschine lief einfach weiter. Dominant, brillant.
Der Angstgegner von PSG
Und so geht es den Bayern vorerst einmal darum, das sich Erarbeitete auf der größten Bühne des Fußballs zu präsentieren, im wohl derzeit denkbar größten Kräftemessen. Wobei die Pariser (noch) nicht in der Form der vergangenen Saison sind. In der heimischen Liga gab es zwar nur eine Niederlage, aber auch schon drei Remis nach elf Spieltagen. Die Siege sind längst nicht so souverän wie jene der Bayern. Vieles ist (noch) harte Arbeit und weniger Magie. Was sicher auch damit zu tun hat, dass Ballon-d'Or-Gewinner Ousmane Dembélé verletzt fehlte. Er kehrte zuletzt erst langsam zurück, während sich parallel das große Juwel Désiré Doué verletzte.
Mit perfektem Fußball, mit gnadenlosem Pressing und einer kindlichen Spielfreude hatten sie Europa erstürmt, das gelingt ihnen (noch) nicht wieder in Serie. Das spektakuläre 7:2 gegen Bayer Leverkusen war eine Ausnahme, wobei die Werkself auch ein Rätsel bleibt und sich nach dem 0:3 am Wochenende beim FC Bayern selbst aus dem Kreis der europäischen Spitzenteams gestrichen hatte. Die Bayern selbst sind derweil längst ein Angstgegner für PSG geworden. Die jüngsten vier CL-Duelle gewannen sie zu Null, seit Stürmerstar Mbappé im April 2021 zum 3:2-Sieg für Paris in München traf, ist dessen Ex-Klub in 382 Minuten ohne Tor gegen die Deutschen. Keine andere Mannschaft hat die Franzosen, die auf den rotgesperrten Innenverteidiger Ilya Zabarnyi verzichten müssen, in diesem Wettbewerb öfter bezwungen (achtmal).
Allerdings ist da noch das kleine Drama bei der Klub-WM. Die Niederlage im Viertelfinale und die schwere Verletzung von Spielmacher Jamal Musiala, der erst bald sein Comeback geben wird. Aber Rachegelüste gibt es nicht, das wäre der Sache auch nicht angemessen. Zumal Keeper Gianluigi Donnarumma gar nicht mehr für PSG spielt, sondern sich gegen den eigenen Wunsch zu Manchester City verabschiedet hat. Er wäre gerne geblieben.
Trainer der heißesten Mannschaft Europas
Kompany wischt aber all das Vergangene weg. Er schwärmt für PSG und Enrique, der etwas "Revolutionäres" geschaffen habe. "Man unterschätzt, PSG war ein Verein mit den allergrößten Stars der Welt", sagt Kompany. Enrique setzte dagegen nicht auf den Einzelnen, als er 2023 in Paris anfing, sondern auf das Kollektiv. "Er kam und hatte eine Idee. Das Gesamtpaket, das er hierhergebracht hat, ist nicht zu unterschätzen. Eine so große Änderung durchzuziehen, war nicht einfach. Er hat auch viel Kritik abbekommen hier." Und wurde belohnt.
Eine kleine Parallele zu seinem eigenen Weg ist durchaus erkennbar. Kompany musste nach der absurden Trainersuche, an deren Ende er stand, viel Kritisches lesen. Er sei die Gott weiß wievielte Lösung. Was nicht gänzlich falsch war. Dann gab's Kritik an der zu anfälligen Abwehr und dem erneut frühen Pokal-Aus. Kompany blieb unbeirrt, passte ein paar Dinge an, ohne seinen großen Plan zu verwerfen. Und ist nun der Trainer der "heißesten Mannschaft" in Europa. Das wollen sie auch nach diesem Dienstagabend bleiben. Darum geht's. Deswegen brennen sie so lichterloh für dieses Spiel in München. Wohl wissend, dass an diesem Abend nichts entschieden wird. Aber man kann ja mal vorfühlen, vielleicht sieht man sich im Mai nochmal wieder.
Quelle: ntv.de, tno