So läuft die Gala gegen Nordirland Das DFB-Team glüht fürs Campo Rossija vor
11.10.2016, 16:38 Uhr
Torphobie kuriert: Thomas Müller, hier in Hamburg beim 3:0 gegen Tschechien mit dem Kollegen Götze.
(Foto: imago/Baering)
Norwegen? Deutlich besiegt. Tschechien? Dominiert. Das schürt vor dem WM-Qualifikationsduell mit dem mittelkleinen Nordirland große Erwartungen, selbst bei Bundestrainer Löw. Nur Mats Hummels bleibt kritisch.
Worum geht es?
Für RTL-Experte Jens Lehmann darum, ein erneutes Interview mit Horst Hrubesch unbedingt zu vermeiden. Für Manuel Neuer, diesmal die Tücken des Tornetzes zu meistern. Bundestrainer Joachim Löw und der Rest seiner Fußballweltmeister wollen heute in Hannover hingegen gegen Nordirland (ab 20.45 Uhr bei RTL und im Liveticker bei n-tv.de) in Anmut auslaufen auf dem Weg nach Russland. Erst auf dem Rasen (zum Glück echt!), dann auch vor Kameras, Mikrofonen - und Lehmann. Es sind zwar erst zwei Spiele absolviert und mit sechs Punkten hat sich auch Deutschland noch nie für ein Turnier qualifiziert.
Aber durch die Blume haben den Bundestrainer und seine Mannen schon nach dem formschönen 3:0 gegen Tschechien erste Gratulationen zur perfekten WM-Qualifikation erreicht. Den stärksten Gruppengegner beherrscht, Chancen auch mal genutzt, die Torphobie von Thomas Müller kuriert und sogar das gern ebenso divenhafte wie vergnügungssüchtige Länderspiel-Publikum begeistert - wer soll dem DFB-Team da noch ein Bein stellen auf dem Weg nach Russland, wo Löw und DFB-Teammanager Oliver Bierhoff im November schonmal nach der perfekten Insellage für das Campo Rossija Ausschau halten wollen? Der Schlendrian, fürchtet Kapitän Neuer und fordert: "Wir sind der Favorit. Aber wir müssen es immer wieder auf den Platz bringen."
Wie ist die Ausgangslage?
Sportlich durchaus gratulationswürdig, siehe oben. Personell wieder entspannt, siehe unten. Sicherheitstechnisch "ein besonderes Spiel für uns", teilte die Polizei in Hannover mit. Grund ist der 17. November 2015. Damals wollte die DFB-Elf wenige Tage nach den Terroranschlägen in Paris in der niedersächsischen Landeshauptstadt den Fußball über die Terrorangst siegen lassen, doch das Trotzspiel wurde zum Schockspiel. Elf Monate später ist die Partie zwar nicht als Risikospiel eingestuft. Dennoch ist die Polizei "intensiv vorbereitet, um die Sicherheit der Besucher zu gewährleisten". Verstärkte Einsatzkontrollen, Präsenz in der Innenstadt, Sprengstoffspürhunde, dazu szenekundige Beamte aus Nordirland als Empfangskomitee für Kleingruppen von Problemfans. Bundestrainer Löw sieht Hannover und sein Team bestens vorbereitet, in der Mannschaft habe das Thema Sicherheit vorab keine Rolle gespielt: "Wir vertrauen da absolut den Sicherheitskräften und konzentrieren uns auf das Spiel."
Wie ist die deutsche Mannschaft drauf?
Stimmung, Spielfreude, Ergebnis, alles stimmte beim Tschechien-Spiel und das stimmte Fußball-Deutschland euphorisch. Kollateralschäden gab es von der Gala aber abseits eingeschlafener Körperteile des unterbeschäftigten Manuel Neuer auch zu vermelden. Die Abwehrrecken Jérôme Boateng und Jonas Hector galten als angeschlagen. Sind sie aber nicht mehr, heißt es vom DFB. Damit könnte Boateng gemeinsam mit Innenverteidiger-Kollege Mats Hummels theoretisch wieder seine feinen Diagonalbälle über die gegnerische Abwehr schlagen wie gegen Tschechien.
Deutschland: Neuer - Kimmich, Boateng, Hummels, Hector - Gündogan, Kroos - Müller, Özil, Draxler – Götze. Trainer: Löw.
Nordirland: McGovern - McLaughlin, Jonny Evans, McAuley, Hughes - McGinn, Davis, Norwood, Corry Evans - Ward – Lafferty. Trainer: O'Neill.
Schiedsrichter: Tagliavento (Italien)
Dafür müssten die Nordiren aber tschechisches Fußball-Harakiri praktizieren, woran Boateng nicht glauben mag: "Die werden sicher nicht vorne draufgehen." Seine Lösung: "Da müssen wir wieder schnell über die Außen spielen und unser Kombinationsspiel aufziehen." Hummels assistierte: "Es kann ein Geduldsspiel werden." Sein Vorschlag: "Es ist unsere Aufgabe, es nicht dazu kommen zu lassen. Wir werden wieder viel in offensive Laufwege investieren müssen." Löws Rezept gegen die erwartete nordirische Spielunfreude: Ilkay Gündogan in der Startelf plus deutsche Spielwut: "Wir richten uns auf einen defensiveren Gast ein, aber die Mannschaft ist in der Lage, da Lösungen zu haben." Ganz so wie beim kürzlichen Tête-à-Tête in der EM-Vorrunde. Da hatten die dominanten Deutschen nur das Toreschießen vergessen.
Was machen die Nordiren so?
Die gehen mit einem 4:0-Sieg im Rücken in die Partie, allerdings hieß der Gegner nur San Marino. Heute hingegen muss die Green and White Army von Trainer Michael O'Neill absolut on fire sein, um mithalten zu können. Doch der Mann, dem solche Fähigkeiten zugeschrieben werden, drückt sich: Will Grigg wechselt gerade lieber Windeln, als im Strafraum von Manuel Neuer Angst und Schrecken zu verbreiten. Die Babypause des Stürmers sei "ein echter Schlag", sagte O'Neill. Dabei hätte Grigg "die beste Chance seit langem auf einen Platz in der Startelf gehabt".
Nun muss es der Rest des Teams richten, hat bei der EM ja auch bis zum Achtelfinale funktioniert. Ein Offensivfeuerwerk ist von den Nordiren nicht zu erwarten. O'Neill kündigte im Vergleich zum San Marino "fünf oder sechs" Veränderungen in der Startelf an. Soll heißen: Norn Iron wählt die ultradefensive Einigelungstaktik und wartet auf den goldenen Moment. Den könnte Kyle Lafferty nutzen. "Wir werden nicht raus auf den Platz gehen, um das Spiel zu verlieren", kündigte der Topstürmer an. Am Samstag erzielte er zwei Jokertore und wird nun wohl in der Startelf stehen. Hinten soll es der von Mats Hummels gefürchtete nordirische Abwehrriegel richten - und Michael McGovern. Im Norden der Grünen Insel hofft man auf eine ähnliche Glanzleistung des Torwarts wie beim bisher letzten Aufeinandertreffen. Eine Wiederholung des 0:1 bei der EM in Frankreich wäre für die Nordiren schon ein Erfolg. "Wir haben nichts zu verlieren", betonte O’Neill. "Ich weiß nicht, ob wir über 90 Minuten Spaß haben können, aber meine Spieler sind zu allem bereit." Das gilt auch für die nordirischen Fans (siehe unten). Irgendwie wird das EM-Phantom Will Grigg dann doch dabei sein.
Was gibt es sonst noch?
Einen Riesennachteil für das DFB-Team – trotz Heimvorteils in Hannover. Ilkay Gündogan meinte zwar: "Die Stimmung in Hamburg war eine der besten, die ich je bei einem Länderspiel in Deutschland erlebt habe." Kollege Hummels goss jedoch gewohnt kritisch Wasser in den Wein. Er mutierte zum Stimmungsdämpfer, so richtig enthemmt mochte er vom immer noch auf anlasslose La Olas und befremdliche "Sieg!"-Rufe im Rudel spezialisierten deutschen Anhang nicht schwärmen. "Die Nordiren haben einen Riesenvorteil mit ihrem Will-Grigg-Song", findet Hummels nämlich, überhaupt sei die Stimmung auf den britischen Inseln immer fantastisch: "Da haben wir noch einen kleinen Weg zu gehen, aber den ersten Schritt sind wir schon gegangen." Wie groß der nächste Schritt in Hannover wird? Das Stadion ist aktuell nicht ausverkauft. Mal wieder bei einem Länderspiel.
Quelle: ntv.de