Löws angekündigter Triumph Chance(n) genutzt
09.10.2016, 09:32 Uhr
Steuerte gleich zwei Treffer bei: Thomas Müller
(Foto: picture alliance / dpa)
Der Bundestrainer greift einen Tag vor dem WM-Qualifikationsspiel der Nationalmannschaft zu einer ungewöhnlichen Maßnahme. Joachim Löw erklärt, was er vorhat. Gegen Tschechien geht der Plan auf, wenn auch nur knapp.
Bundestrainer Joachim Löw hat im Sommer eine neue Leidenschaft entwickelt. Das Gespräch mit den Journalisten. Während der Fußball-Europameisterschaft in Frankreich nahm er sich regelmäßig viel Zeit für die obligatorischen Plauderrunden vor und nach den Spielen. Stets lächelnd, beschwichtigend und optimistisch hatten er und sein Espresso die kleinen und größeren Probleme seiner deutschen Nationalmannschaft wegdiskutiert. Doch dann, nach dem Turnier machte der 56-Jährige plötzlich selbst ein Fass auf: die Chancenverwertung. Die war bei der EM und eigentlich auch schon in den Monaten zuvor richtig schlecht.
Löw lieferte mit seinen Ausführungen und Mahnungen Stoff für Geschichten. Und während die Journalisten fleißig über mögliche Wege aus der Sturmkrise philosophierten, erarbeitete Löw Lösungen. Diese präsentierte er einen Tag vor dem WM-Qualifikationsspiel gegen Tschechien. Ungewöhnlich für den Bundestrainer, der das höfliche Alles-kann-nichts-muss-Spiel mit der Öffentlichkeit perfektioniert hat. Er erklärte also, was seine Elf einen Tag später tatsächlich auf den Rasen brachte: schnelles, variables und erfolgreiches Offensivspiel. Gegen überforderte Gäste gewann die DFB-Elf ihr zweites Gruppenspiel vor 51.299 Zuschauer in Hamburg durch Tore von Thomas Müller (13./66.) und Toni Kroos (49.) mit 3:0 (1:0) und verteidigte damit den Spitzenplatz der Gruppe C vor Aserbaidschan.
Erfolgreicher Missionierungsauftrag
Ein Grund zur Freude, klar. Allemal in Hamburg. In der Stadt, in der der Profifußball gerade gewaltig kränkelt - mit den Tabellenletzten Hamburger SV (1. Liga) und dem FC St. Pauli (2. Liga) - sangen die Fans Minuten vor dem Abpfiff bereits "oh wie ist das schön, so was hat man lange nicht gesehen…". Den Bundestrainer freute das. Der Missionierungsauftrag seiner Elf, er war erfolgreich. Doch er selbst wollte in den euphorischen Klang der hanseatischen Partylaune nicht ganz einstimmen. Nüchtern, beinah ein wenig gelangweilt, erklärte Löw: "Es war eine überzeugende Leistung von unserer Mannschaft. Wir hatten das Spiel zu jederzeit unter Kontrolle. Sehr viele gute Angriffe. Sehr viele Möglichkeiten herausgespielt. Der Sieg geht absolut in Ordnung. Auch in dieser Höhe." Punkt.
Dass Löw diesen letzten Satz sagt, es war durchaus bemerkenswert. Denn freilich fiel der Erfolg nicht um ein Tor zu hoch aus. Eher das Gegenteil war der Fall. In den ersten 45 Minuten spielte seine Mannschaft prima Fußball. Wie oft in seiner mittlerweile schon zehn Jahre andauernden Ära als Bundestrainer. Und sie spielten so, wie sich Löw das vorgestellt, wie er es mit seinem Trainerteam analysiert hatte: Schnell und variabel. Über die starken Innenverteidiger Jerome Boateng und Mats Hummes mit ihren überragenden langen Diagonalbällen, über Mittelfeldgehirn Toni Kroos und die flexible Offensivreihe mit Julian Draxler, Mesut Özil, Thomas Müller und Mario Götze. Nur das mit der erfolgreichen Umsetzung klappte nicht, beziehungsweise nur einmal. Außer dem plötzlich wieder treffsicheren Müller war nicht viel los in Sachen Kaltschnäuzigkeit vor dem Kasten.
Ein ganz maues 1:0 zur Pause. Ein Gegner, der viel zu stark geredet worden war, der als Referenz "stärkster Gruppengegner" nix taugte. Und ein Bundestrainer, der doch endlich einen Impfstoff gegen den hochinfektiösen Torvirus gefunden haben wollte. Nein, Löws Plan drohte zu scheitern. Doch dann kam die Pause und direkt nach ihr Toni Kroos mit dem zweiten Treffer für Deutschland. Eine Befreiung, die auch beim von den Kameras eiligst eingefangenen Bundestrainer nicht zu übersehen war. Endlich gierig und entschlossen. So wie sich das Löw gewünscht, wie er es seiner Mannschaft verklickert hatte. So wie die es in Halbzeit zwei zunehmend besser umsetzte. Ein zweiter kleiner Schritt, nach dem ersten zum Quali-Auftakt in Norwegen Anfang September. Ein laut angekündigter Erfolg. Löw genoss ihn, noch während er mit den Journalisten sprach - still irgendwie, mit einem Espresso.
Quelle: ntv.de