Fußball

Hamann vs. Tuchel Das Spiel der bellenden Hunde ist eskaliert

Unversöhnliche Protagonisten.

Unversöhnliche Protagonisten.

(Foto: IMAGO/Sven Simon)

Dietmar Hamann lässt nicht locker. Der Chefkritiker der Fußball-Nation knöpft sich den FC Bayern und dessen Trainer Woche für Woche vor. Ein gutes Haar findet er nicht. Nicht nur Thomas Tuchel ist maximal genervt, auch der Klub schreitet ein. Hört das nie auf?

Wehe, der FC Bayern verliert an diesem Samstag das Topspiel der Fußball-Bundesliga (18.30 Uhr bei Sky und im Liveticker bei ntv.de), dann ist was los. Die Münchner hätten in diesem Fall fünf Punkte Rückstand auf Bayer und das Szenario eines neuen Meisters nach elf Jahren Dominanz würde weitere, konkrete Züge annehmen. Auch wenn natürlich nichts entschieden ist. Im Land würden dennoch die ganz großen Fußball-Debatten losbrechen. Und so sicher wie das Amen in der Kirche, würde sich der rauschhafte Experte Dietmar Hamann wieder auf den Rekordmeister und dessen Trainer Thomas Tuchel stürzen.

Das macht er seit Wochen, seit Monaten. Immer schärfer im Tonfall, immer gnadenloser im Urteil. Zuletzt hatte er es aber übertrieben. Eine Aussage des Bayern-Trainers, dass ihn Spanien beruflich mal reizen würde, hatte der Experte in der Luft zerfetzt. Von einer "Frechheit" sprach er. Und davon, dass "Tuchel das größte Missverständnis seit Jürgen Klinsmann" beim Serienchampion sei. Offenbar erschrocken von der eigenen Tonschärfe, ruderte der ehemalige Profi schnell zurück und bat um Entschuldigung. Vergebens. Tuchel ignorierte die ausgestreckte Hand abermals, kaufte Hamann die Reue nicht ab.

Wie zwei Hunde haben sich Tuchel und Hamann ineinander verbissen. Unversöhnlich, unnachgiebig. Sie handeln dabei anders, als sie sprechen. Der Experte sagte vergangenes Jahr im Interview mit ntv.de, dass es ihm immer nur um die Sache gehe, niemals um das Persönliche. Und Tuchel bekannte etwa nach der Pokal-Blamage gegen beim Drittligisten 1. FC Saarbrücken, dass er nie etwas zu einer Arbeit lese. Kein Lob, keine Kritik, "weil das eben immer ein bisschen was mit dir macht." Nun passen diese Bekenntnisse nicht mehr zur gelebten Praxis.

Matthäus dreht die Regler runter

Was einst ein Spiel war, ist längst eskaliert. Dass Experten kritisieren, das ist so, war immer so. Sie liefern immer eine Steilvorlage für die Berichterstattung der folgenden Tage. Je lauter, desto besser. So läuft das Spiel. Hamann beherrscht das, ob man das nun mag oder nicht. Und mit dem FC Bayern hat er seit jetzt fast zehn Jahren einen großen Gegenspieler gefunden.

Aber zurück zum Spiel der Experten: Dass Trainer auf die Kritik Bezug nehmen oder in der direkten Konfrontation am Interviewtisch reagieren, ist ein ebenfalls etablierter Workflow. Jürgen Klopp war in seiner Zeit beim BVB (und auch in Liverpool) bekannt dafür, dass er mal austeilen konnte, wenn ihm Dinge zu bunt wurden. Aber er war nicht nachtragend. Im Streit zwischen Tuchel und Hamann - Lothar Matthäus, der zweite Chefkritiker der Nation, hat seine Regler längst runtergedreht - ist das anders und hat der Punkt des Unzumutbaren erreicht. Hört das denn nie auf? Bereits im vergangenen Jahr war die Stimmung zwischen Tuchel und Hamann sowie Matthäus eskaliert. Auch da reagierte der Trainer unversöhnlich, lehnte Angebote zur Aussprache ab.

Wilde Gerüchte nach dem Pokal-Knockout

Tuchel stand bis zum peinlichen Pokal-K.-o. unter dem Schutz der Ereignisse der turbulenten Vorsaison. Kaum etwas Kritisches war auf ihn zurückgefallen. Das änderte sich mit Wucht. Der "Spiegel" warf nach dem Pokalspiel sogar die Frage auf, ob es für den Trainer eng werden könnte. Bei Sport1 hieß es, dass es Dissonanzen zwischen Coach und Mannschaft gebe. Mit seinen vermeintlichen Lieblingsspielern Harry Kane, Leroy Sané und Jamal Musiala soll er sehr viel sprechen, mit anderen dagegen kaum bis gar nicht. Hat er womöglich jetzt schon die Kabine verloren? So wie angeblich auch sein Vorgänger Nagelsmann? Feuer frei gegen Tuchel. Am Ende gingen die Bayern gestärkt daraus hervor, gewannen ihre Spiele ohne Glanz. Auch eine große Qualität.

Längst hat dieser Streit die Ebene der inhaltlichen Auseinandersetzung verlassen. Verhandelt wird nun, wo sich die roten Linien für Experten befinden und was ein Verein, ein Trainer aushalten muss. Zumal, wenn die Bilanz in Liga und Champions League bemerkenswert gut ist. In der Königsklasse wurden bis auf ein Unentschieden alle Spiele gewonnen und in der Bundesliga steht der FC Bayern bei einem herausragenden Punkteschnitt von 2,5 pro Partie. Auf Platz zwei steht die Mannschaft nur, weil Bayer Leverkusen bisher die (fast) perfekte Saison spielt und noch nicht einmal verloren hat.

Erstmals in der Geschichte der Bundesliga haben zwei Mannschaften nach 20 Spieltagen mindestens 50 Punkte auf dem Konto, Leverkusen hat schon jetzt mehr Zähler gesammelt als in der gesamten vergangenen Spielzeit - nur die Bayern unter Starcoach Pep Guardiola waren in den Saisons 2013/14 und 2015/16 zu diesem Zeitpunkt besser. Aber es ist eben nicht die Wahrheit der Zahlen, die spricht. Sondern die gefühlte auf dem Platz, auf dem die Münchner schon länger nicht mehr die brutale Dominanz vergangener Jahre zeigen. Dort gibt es nur wenige Festspiele, meist ist es mühevoll und zäh.

Bayern will unsachliche Kritik nicht mehr akzeptieren

Also, was muss man aushalten und was nicht? Und in München haben sie eine Antwort für sich gefunden, die vor allem eine dringliche Ermahnung ist. Unsachliche Kritik werde man nun nicht akzeptieren, hieß es in einer offiziellen Mitteilung der Bosse. Was das bedeutet, wurde nicht näher ausgeführt. Immerhin verzichteten sie dieses Mal auf einen erneuten Rachefeldzug wie bei der Pressevernichtungskonferenz im Oktober 2018. Einen ersten Erfolg hatten sie mit ihrem aktuellen Rüffel derweil bereits erreicht. Zumindest zeitlich folgte Hamanns Entschuldigung auf das Bayern-Machtwort.

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Hamann selbst hat in England gelernt. Dort ist der Ton rau und rauer. In den Medien sowieso, aber auch in den Expertenrunden. Aber eben auch die Haut derer dicker, die ins Bullenauge der Kritik geraten. Die Briten "fühlen sich nicht so schnell angegriffen. In Deutschland wird Kritik sehr schnell persönlich genommen", erklärte er. Dass Tuchel bei aller überzogenen Kritik so dünnhäutig reagiert, selbst nicht locker lässt und keine Bereitschaft zur Aussprache zeigt, kommt durchaus überraschend. Zuletzt hatte er im Interview mit ESPN bekannt, dass er in England mehr Anerkennung gespürt habe als hier in Deutschland. Ausgerechnet dort, wo die Experten eben noch ein Level aggressiver und gnadenloser sind.

Aber was macht nun mit diesen verbissenen Hunden? In einem Online-Ratgeber heißt es: "Lässt einer nicht los, kann gewaltsames Auseinanderreißen der Tiere zu massiven Verletzungen führen. Sofern dergleichen vorhanden ist, kann ein Eimer kaltes Wasser helfen." Wasser marsch statt Feuer frei.

Quelle: ntv.de, tno

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