Musiala oder Bellingham? Das "definitiv verrückte" Rennen der Goldjungen
15.10.2023, 07:59 Uhr
Kennen sich nicht nur aus Funk und Fernsehen, sondern bereits aus ihrer Jugend: Jamal Musiala und Jude Bellingham.
(Foto: IMAGO/ActionPictures)
In Kürze wird der Golden Boy Award an den besten Jungspieler Europas vergeben. In diesem Jahr zeichnet sich ein Duell zwischen zwei hierzulande bekannten Spielern ab: Jude Bellingham und Jamal Musiala. Die beiden sind nicht nur gute Freunde, sondern auch die künftigen Posterboys des Fußballs.
Die italienische Zeitung "Tuttosport" zelebriert jedes Jahr die Vergabe des Golden Boy Awards unter Führung des erfahrenen Journalisten Xavier Jacobelli. Für gewöhnlich werden nach der Bekanntgabe der Shortlist mit 100 Spielern jeden Monat 20 gestrichen. In diesem Jahr fiel das Prozedere etwas verhaltener aus. Am Donnerstag gab die Zeitung schlicht die 20 Finalisten bekannt. Nun dürfen 50 Sportjournalisten darüber abstimmen, wer den prestigeträchtigen Preis erhält. In der diesjährigen Auflage kamen alle Spieler infrage, die 2003 oder später geboren wurden.
Dass bei der Bekanntgabe die Namen von Jude Bellingham und Jamal Musiala ganz oben stehen, darf nicht überraschen. Die beiden sind die Top-Favoriten auf den Titel. Bellingham und Musiala haben ihren Durchbruch auf Profiniveau in der Bundesliga geschafft, der eine in Diensten von Borussia Dortmund und der andere für Bayern München. Beide waren bereits 2021 hinter Pedri vom FC Barcelona auf das Podium gelangt, Bellingham zudem im vergangenen Jahr erneut nur Zweiter hinter einem Barça -Jungstar geworden. Gavi sprang aufs Siegertreppchen.
Bellingham und Musiala sind nicht nur Rivalen um die Auszeichnung, sondern auch sehr gute Freunde seit ihrer gemeinsamen Zeit bei Englands U15-Nationalmannschaft. "Es ist definitiv verrückt", sagte Musiala kürzlich im Gespräch mit dem US-Sportsender "ESPN". "Wenn man zurückblickt auf die Zeit, als wir Zimmerkollegen bei der englischen Nationalmannschaft waren, und man hätte uns damals gesagt, dass Jude in vier oder fünf Jahren für Real Madrid und ich für Bayern spielen würden, hätten wir das in dem Moment sicherlich nicht geglaubt."
Gewiss spielen individuelle Auszeichnungen im Vergleich zu Mannschaftstiteln eine untergeordnete Rolle, wie auch Musiala zugab. Trotzdem würde sich der 20-jährige Spielmacher der Bayern über solch einen Award freuen. Denn dieser wäre auch ein Zeichen dafür, dass viele sein außergewöhnliches Talent im internationalen Vergleich anerkennen und ihm jene große Zukunft vorhersagen, die sich nicht zuletzt die Anhänger von Bayern München und der deutschen Nationalmannschaft wünschen.
Bellingham ist der neue Star in Madrid
Aktuell ist jedoch sein einstiger Zimmergenosse der Favorit auf den Golden Boy Award. Im Meisterschaftsfinale der vergangenen Bundesliga-Saison unterlag Bellingham noch mit dem BVB gegen Musiala und die Bayern. Bellingham selbst war am alles entscheidenden 34. Spieltag verletzungsbedingt zum Zusehen verdammt, während Musiala in der Schlussphase in Köln den Siegtreffer erzielte. Insgesamt war Musiala neben Mathijs de Ligt über weite Teile der Saison der überragende Bayern-Akteur.
Was für Bellingham spricht, sind die vergangenen Monate, in denen der 20-Jährige aus Stourbridge mühelos den Sprung von Dortmund zu Real Madrid schaffte und sich rasch als fast schon alles überragender Akteur im Mittelfeld der "Königlichen" etablierte. Während die Altmeister Toni Kroos und Luka Modrić so langsam ins zweite Glied rücken, bastelt Real-Trainer Carlo Ancelotti an einem neuen und verjüngten Mittelfeld - mit Bellingham als Herzstück. Zehn Tore in zehn Spielen konnte er bislang erzielen. Acht davon allein acht Spielen der spanischen Liga und damit mehr als Cristiano Ronaldo in seinen ersten acht Partien für die Königlichen erzielte. Die Madrid-Legende kam "nur" auf sieben.
Der englische Nationalspieler agiert seit seinem Wechsel von Borussia Dortmund nach Spanien nominell auf der Zehn, also auf dem Papier auf der identischen Position wie Musiala. Vom Spielstil her unterscheiden sich beide jedoch deutlich. Bellingham kommt über seine Dynamik und seinen athletischen Zug zum Strafraum zur Geltung, Musiala ist ein Spezialist für die Ballbehandlung in engen Räumen und durch Pressinglinien hindurch. Beide glänzen auf ihre Weise und sind nur selten zu stoppen. Bellingham düpierte in dieser Saison bereits einige Defensivreihen in der spanischen La Liga. Musialas stärkster Auftritt war in der Champions League gegen Manchester United.
Bayern wollen Musiala nicht verheizen
So glänzen wie Bellingham konnte Musiala jedoch in dieser Saison noch nicht. Ein Muskelfaserriss setzte ihn zeitweilig außer Gefecht. Seine bisherigen Torbeteiligungen waren hart erarbeitet und beruhten vor allem auf seiner außergewöhnlichen individuellen Qualität. Er und Bayern-Trainer Thomas Tuchel scheinen etwas Zeit zu benötigen, bis Musiala perfekt ins ohnehin noch in der Entwicklung befindliche Offensivsystem integriert ist.
Generell gehen die Bayern mit ihrem Top-Talent seit jeher recht vorsichtig um. Schon Tuchels Vorgänger, Julian Nagelsmann, erweckte zuweilen den Eindruck, als wollte er Musiala auf keinen Fall überstrapazieren. Die Angst, den womöglich besten Bayern-Spielmacher seit Lothar Matthäus, der selbst ein großer Fan Musialas ist, zu verbrennen, scheint groß. Und das, obwohl er so ein wichtiger Faktor für den Meisterschaftsgewinn in der vergangenen Saison war.
Bellingham hingegen wurde aufgrund der sportlichen Situation von Dortmund frühzeitig viel Verantwortung übergeben. Ähnlich wie bei Jadon Sancho und Erling Haaland sträubten sich die BVB-Verantwortlichen nicht, einem Teenager zu vertrauen. Dadurch ist Bellingham bereits kampferprobt und erfahren darin, mit Niederschlägen umzugehen.
Abseits der jüngsten sportlichen Entwicklung repräsentieren Bellingham und Musiala die Zukunft des Spitzenfußballs. Auf der 20-köpfigen Shortlist von "Tuttosport" tummeln sich die Namen vieler Hochtalentierter, unter anderem der Leverkusener Mittelfeldmotor Florian Wirtz und der Leipziger Angreifer Benjamin Šeško. Aber die beiden einstigen Zimmergenossen thronen - Stand heute - ein Stück weit über allen anderen. Dabei verkörpern beide recht unterschiedliche Spielweisen, was wiederum ein gutes Zeichen für den Fußball ist. Denn es wäre schade, würde der Sport nur noch von einer Kategorie von Spielgestaltern dominiert werden.
Quelle: ntv.de