Fußball

Redelings übers Fansein Das nächste Mal komme ich nicht!

Hauptsache Stadion, egal wie.

Hauptsache Stadion, egal wie.

(Foto: imago sportfotodienst)

Ein Fußballfan hat keine Wahl. Er muss ins Stadion gehen - auch, wenn er gar nicht will. Für Außenstehende sind die Strapazen nicht zu verstehen. Doch egal, wie häufig er das Gegenteil behauptet hat, eins steht fest: Beim nächsten Mal ist er wieder dabei!

Sonntagmittag, die Temperatur knapp über null Grad, leichter Nieselregen und nach 3 Minuten und 24 Sekunden steht es bereits 0:1. Es gibt Tage, die einfach perfekt sind. Dieser ist das komplette Gegenteil davon.

Fansein ist nicht immer leicht.

Fansein ist nicht immer leicht.

(Foto: imago sportfotodienst)

Dabei hatte sich die kleine Dauerkarten-Gemeinde um mich herum noch gefreut, dass wir an diesem trüben Tage beim Spiel des VfL Bochum gegen Union Berlin endlich einmal wieder fast vollständig erschienen waren. Horst, der eigentlich Thomas heißt, aber in diesem Text nicht bei seinem richtigen Namen genannt werden möchte, hatte sich als Einziger abgemeldet. Er müsse mit seinen Kindern zusammen endlich den Adventskalender für die Frau fertigstellen, schließlich wäre heute ja schon der dritte des Monats.

"Ein Tor würde dem Spiel gut tun"

Ben Redelings ist "Chronist des Fußballwahnsinns" (Manni Breuckmann) und leidenschaftlicher Anhänger des VfL Bochum. Der Autor, Filmemacher und Komödiant lebt in Bochum und pflegt sein Schatzkästchen mit Anekdoten. Seine kulturellen Abende "Scudetto" sind legendär. Für n-tv.de schreibt er stets dienstags die spannendsten und lustigsten Geschichten auf. Sein Motto ist sein größter Bucherfolg: "Ein Tor würde dem Spiel gut tun".

Eine Entschuldigung, die Allesfahrer Mario zum Anlass nahm, uns mal wieder seinen absoluten Lieblingswitz zu erzählen. Der geht so: "Ende der fünfziger Jahre. Ein Mann sitzt im ausverkauften Westfalia-Stadion in Herne. Der Sitz neben ihm ist frei. Irritiert fragt ihn sein Nebenmann, ob der Platz denn nicht vergeben sei. 'Nein', lautet die Antwort, 'der Sitz ist leer.' 'Aber das ist unmöglich! Das komplette Stadion ist doch seit Wochen ausverkauft. Westfalia schreibt Fußballgeschichte, und dann lässt jemand seinen Platz unbenutzt? Das ist doch Wahnsinn!' 'Nein, so ist das nicht. Der Sitz gehört mir. Meine Frau wollte mitkommen, sie ist aber leider kürzlich verstorben. Wir sind immer zusammen zur Westfalia gegangen. Seit jeher!' 'Oh, das tut mir leid. Mein Beileid. Aber sagen Sie: Wollte denn niemand anderes mitkommen? Ein Verwandter oder ein Freund vielleicht?' Der Mann schüttelt den Kopf: 'Nein, leider nicht. Die sind alle auf der Beerdigung.'" Mario ist übrigens Single. Das hat schon so seine Gründe!

Eine Dauerkarte ist kein Fitnessstudio-Abo

Claas hingegen war sogar bereits um 12 Uhr am Stadion zum Vorab-Bierchen gewesen. Keine Selbstverständlichkeit. Als er zu Beginn der Saison das dritte Mal hintereinander zum Heimspiel gehen wollte, hatte ihn seine Frau streng gefragt, ob das denn wirklich sein müsse. Claas hat seine Holde an diesem Tag lange angeschaut und dann zurückgefragt, was denn an dem Wort "Dauerkarte" so schwer zu verstehen sei? Ja, hat sie dann geantwortet, schon klar, aber Dauerkarte hin oder her, sie hätte nun wirklich nicht gedacht, dass er jetzt tatsächlich jedes Mal hingehen würde. An dieser Stelle hat Claas die Diskussion damals abgebrochen und uns hinterher erklärt: "Die hat wirklich geglaubt, die Dauerkarte wäre so etwas wie ihr Fitnessstudio-Abo. Wenn man Bock hat, geht man hin. Also nie!"

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Schon in der Bahn zum Spiel hatte ein Kumpel gemeint, er habe heute lange vor seinem Kleiderschrank gestanden und überlegt, welchen Pullover er denn anziehen solle. Ein Glückspulli sollte es natürlich sein. Ein Pullover, mit dem der Kollege einen Sieg unserer Mannschaft gefeiert hatte. Das Problem: Dem guten Mann fiel nicht mehr ein, wann wir das letzte Mal gewonnen hatten. Demzufolge erübrigte sich die Frage nach dem Kleidungsstück, das er bei diesem, so seltenen Ereignis getragen hatte. Er nahm schließlich den Pulli, den er vor ein paar Tagen zum Geburtstag geschenkt bekommen hatte. Der hat wenigstens noch keine Niederlage miterlebt, meinte er grinsend.

"Nächstes Mal will ich alle hier haben"

Und so starrten wir gemeinsam runter aufs Spielfeld, tranken kaltes Bier aus zittrigen Händen und warteten ungeduldig auf den ersten, der aus unseren Reihen die Nerven verlieren und laut den Satz aller Sätze sagen würde. Nach genau 38 Minuten und 42 Sekunden war es schließlich soweit. Peter stand auf und schrie: "Jetzt habe ich endgültig die Schnauze voll, das ist das letzte Mal gewesen, dass ich mir die Scheiße antue!"

Beim Abschied hatte sich der Himmel in unserer kleinen Fanwelt dann schon wieder aufgeklart. Wir hatten durch ein Tor kurz vor Schluss gewonnen, der Nieselregen hatte sich verzogen und auch Peter hatte mittlerweile eingesehen, dass es an einem solchen Sonntagmittag keine ernstzunehmende Alternative zu uns, diesem kleinen Schmuckkästchen namens Ruhrstadion und dem eigenen Lieblingsteam gab. Mit einer letzten Kaltschale für den Heimweg in der Hand grüßte er in die Runde und meinte: "Wir sehen uns. Und wenn einer den Thomas trifft: Nen Tritt innen Arsch. Nächstes Mal will ich alle hier haben. Macht doch keinen Spaß, sich die Scheiße alleine anzutun. Frohe Weihnachten!"

Das neue Buch unseres Kolumnisten: "55 Jahre Bundesliga – das Jubiläumsalbum" bei Amazon bestellen. Ben Redelings ist deutschlandweit mit seinen Comedy-Programmen unterwegs: Infos und Tickets zur Tour.

Quelle: ntv.de

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