Fußball

FC Bayern will nur noch "raus" Das sang- und klanglose Ende der Ära Thomas Tuchel

Sehr, sehr unzufrieden: Thomas Tuchel.

Sehr, sehr unzufrieden: Thomas Tuchel.

(Foto: IMAGO/Eibner)

Die Zeit von Thomas Tuchel beim FC Bayern endet bitter. Bei der TSG Hoffenheim legt die Mannschaft stark los, lässt sich dann aber herspielen. Die Personalprobleme dürfen dabei keine Ausrede sein. Das Beste an der Saison aus Sicht des FC Bayern ist: Sie ist vorbei!

In den letzten drei relevanten Minuten seiner Amtszeit war Thomas Tuchel noch einmal verärgert. Die gute Laune, die er in den vergangenen Wochen so oft nach außen getragen hatte, war bei der Pressekonferenz am Samstagabend plötzlich verflogen. Sein Abschluss als Trainer des FC Bayern endete als nächstes Fiasko. Mit 2:0 hatte der Rekordmeister bei der TSG Hoffenheim geführt, mit 2:4 musste er sich geschlagen geben. Die ewig unruhige und dauerhafte stressige Ära von Tuchel an der Säbener Straße endet sang- und klanglos.

"Wir haben absolut ungenügend verteidigt", schimpfte der Trainer und stand plötzlich wieder wild strampelnd im Hamsterrad dieser Saison. Sein Team habe viel zu viele Ballverluste und ebenso viel zu viele individuelle Fehler produziert. "Noch mal eine bittere Niederlage, völlig unnötig, aber ... ist einfach viel zu häufig passiert." So ging auch die Vizemeisterschaft noch flöten. Die feiert der VfB Stuttgart, der in der vergangenen Saison fast abgestiegen wäre. Die Bayern treten damit in der neuen Saison auch nicht im Supercup an, der ja finanziell durchaus attraktiv ist. Stattdessen beginnt die nächste Spielzeit mit dem DFB-Pokal, vermutlich irgendwo im Fußball-Nirwana der Republik. Und das mit unzählig vielen Fragezeichen.

War's das mit De Zerbi?

Die drängendste ist immer noch: Wer wird Trainer? Das ist vielleicht die unglaublichste Geschichte dieser Saison, die ja nicht arm ist an unglaublichen Geschichten. Da ist Bayer 04 Leverkusen, dass sich einfach weigert zu verlieren und nun schon 51 Mal ungeschlagen ist. Da ist der Überraschungs-Vizemeister VfB Stuttgart. Da sind die starken Dorf-Kicker aus Heidenheim und die Unioner aus Berlin, die diese Saison in der Champions League begannen und sich das Bleiberecht in der Bundesliga erst am Samstagnachmittag, am 34. Spieltag, um kurz vor 17.30 Uhr sicherten.

Wer der neue Trainer wird, das ist mittlerweile genauso schwer vorherzusagen wie die Lottozahlen. Kaum taucht ein neuer Name auf, verschwindet er auch schon wieder. Entweder will der Kandidat nicht, zieht die Aufgabe bei seinem aktuellen Arbeitgeber vor oder ist nicht verfügbar. So wie Oliver Glasner, der offenbar einer der wenigen Trainer war, auf den sich in München alle mächtigen Männer einigen konnten. Aber dessen Klub Crystal Palace will ihn nicht hergeben. Oder eine absurd hohe Summe als Ablöse einstreichen (angeblich 100 Millionen Euro). Laut "Bild"-Zeitung soll auch Benfica Lissabons Roger Schmidt in der Vorwoche den Daumen gesenkt haben. Roberto De Zerbi, der ja auch medial groß verhandelt wurde, soll es wohl ebenfalls nicht werden. Auf eine Frage, ob er "vehement widersprechen" könne, wenn prognostiziert werde, dass der neue Bayern-Trainer ein Italiener ist, antwortete Eberl am Samstagabend im "Aktuellen Sportstudio" des ZDF: "Ja."

Das kann freilich eine Absage sein. Aber das kann auch ein Lerneffekt des neuen Sportvorstands sein. Eberl ist nämlich reichlich genervt davon, dass die Suche nach einem neuen Coach nicht mehr im Geheimen stattfindet, sondern als Blockbuster-Film vor einem Millionenpublikum vorgeführt wird. Woher die Indiskretionen kommen? Diese Frage wird die Münchner dringend umtreiben. Nicht nur in der aktuellen Situation, sondern auch darüber hinaus. Der Rekordmeister ist zu einem kaum kontrollierbaren Plauderklub geworden. Das macht die Situation extrem unangenehm. Als Wunschtrainer lässt sich ein neuer Mann ohnehin nicht mehr verkaufen. Das schadet direkt mal dessen Autorität und Ansinnen. Womöglich haben auch wegen dieser rhetorischen Freizügigkeit einige Kandidaten Abstand von einem Engagement in München genommen. Man weiß es nicht genau.

"Ich will wirklich raus aus dieser Saison"

Eberl mangelt es nicht an selbstkritischen Tönen. "Der, der am meisten unzufrieden ist, wie es ist, bin ich selber. Da muss ich mir an die eigene Nase fassen." Aber ist das wirklich so? In München ist der Trainer immer "nur" ein Trainer. Wer nach mehr Macht strebt, der stößt an Grenzen. So etwa Tuchel. Und zuvor etwa auch ein Hansi Flick, der einen offenen Kaderdissens mit dem damaligen Sportvorstand Hasan Salihamidžić austrug und den Kampf verlor. Nun sucht Eberl. Und auch er merkt inzwischen, welche Widerstände es im Klub gibt. Gegen offenbar jeden von ihm vorgeschlagenen Kandidaten (Ausnahme offenbar Glasner) soll es von irgendeiner Führungskraft Bedenken gegeben haben. So heißt es in mehreren Medien.

Ob Eberl und Sportdirektor Christoph Freund tatsächlich das entscheidende Wort haben, das scheint fraglich. Da ist eben immer noch Uli Hoeneß, der Patron des Klubs, der ja zuletzt etwa Tuchel ohne Not attackiert hatte und Rangnick als "dritte Wahl" abtat. Das war eher nicht förderlich für die Gesamtgemengelage im Klub. Und dass er sich nicht entschuldigen wollte, dafür, dass er Tuchel "tief in der Trainerehre verletzt" hatte, sondern weitere Einmischungen ankündigte, ist eher bedrohlich als beruhigend.

Die Saison ist vorbei. Und am liebsten würden sie einfach wegrennen. Wie Thomas Müller, der immerhin bald bei der Nationalmannschaft ist und dort womöglich wieder gute Momente sammeln kann: "Ich will wirklich raus aus dieser Saison und rein in die neue." Einen Gruß hinterließ er auf seiner Flucht noch an Tuchel. Und der war ehrlich gemeint: "Die haben wirklich alles reingelegt." Tuchel habe "auch in diesem wilden Jahr, unter keinen leichten Umständen, den ein oder anderen Haufen vor sich wegkehren müssen, den er nicht selbst produziert hat".

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Doch ganz aus der Verantwortung ist er natürlich nicht zu nehmen. Denn Tuchel hat den Verein ständig gestresst, vor sich hergetrieben, mit penetranter und lauter Kader-Kritik, mit Forderungen, mit Spieler-Degradierungen und offen zur Schau gestellter Ratlosigkeit über die mangelnde Konstanz seiner Spieler. Etwa beim peinlichen DFB-Pokal-Aus beim 1. FC Saarbrücken. Mit seinem Ausruf von "Thomas-Müller-Spielen" prägte er zudem eine unselige Debatte. Er habe alles immer zum Wohle des Teams getan, sagte er am Freitag.

Dass trotzdem noch darüber nachgedacht worden war, ihn zu halten, ist auch so eine wilde Volte der verzweifelten Trainersuche. Die nun weitergeht, als Daily Soap. "Wir haben immer von Hollywood gesprochen, aber was da passiert, ist nochmal eine Steigerung", staunte Lothar Matthäus. Protagonist Eberl sagt: "Ein Freund von mir sagt immer, das Beste kommt zum Schluss." Eine mutige Ansage, die schon wieder das Potenzial hat, dass man peinlich drüber stolpert.

Quelle: ntv.de

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