Fußball

Keine Frage sportlicher Qualität Dem FC Bayern fehlt ein David Alaba

Und Süle verlässt den Klub auch noch.

Und Süle verlässt den Klub auch noch.

(Foto: REUTERS)

Der FC Bayern München kommt in der Fußball-Bundesliga erneut nicht über ein Unentschieden hinaus - diesmal bei der TSG Hoffenheim. Neben einer schwachen Chancenverwertung ist vor allem die Defensive weiterhin ein Problem für Trainer Julian Nagelsmann.

Als David Alaba am Mittwochabend mit dem Klappstuhl im Estadio Santiago Bernabeu in Madrid jubelte, dürfte bei dem einen oder anderen Bayern-Fan etwas Wehmut aufgekommen sein. Die emotionalen Bilder gingen um die Welt. Der Österreicher war und ist immer noch ein wesentlicher Bestandteil der Klubgeschichte. Umso größer war der Schmerz bei vielen Fans, als es ihn im vergangenen Sommer zu Real Madrid zog. Und er ist im Laufe der letzten Monate vielleicht nochmal gewachsen.

Der 29-Jährige spielt eine hervorragende Saison für die Königlichen, hat sich dort als wichtiger Führungsspieler in der Viererkette etabliert. Seine Ruhe am Ball, seine klugen Pässe und auch seine Dynamik im Andribbeln tun dem Aufbauspiel des Rekord-Champions-League-Siegers gut. Aber auch seine kommunikative Art ist wichtig.

Genau ein solcher Spieler fehlt den Münchnern aktuell. Einer, der klare Kommandos gibt und gerade im Spiel mit dem Ball dazu in der Lage ist, die Kontrolle auch in unruhigen Phasen zurückzugewinnen. Zu oft laden die Bayern ihre Gegner derzeit zu Kontern ein, indem sie ihre risikoreichen Pässe im Spielaufbau nicht zum Mitspieler bringen.

Bayern kassiert nach wie vor zu viele Gegentore

Verklärend sollte aber nicht in die Vergangenheit geblickt werden. Auch Alaba war sportlich nicht unentbehrlich für die Bayern - sonst hätte er seine hohen Forderungen für einen neuen Vertrag wohl erfüllt bekommen. Gemeinsam mit Jérôme Boateng war er für zahlreiche Gegentore in der vergangenen Saison mitverantwortlich. Auch, weil sein Zweikampfverhalten oftmals zu zögerlich ist.

Allerdings ist es in der neuen Konstellation nur marginal besser geworden. In der Bundesliga stehen die Münchner nach 26 Partien schon wieder bei 28 Gegentreffern - zu viel für die Ambitionen, insbesondere in der Champions League. Zu viel zudem mit Blick auf die Summen, die Hasan Salihamidžić und die Klub-Bosse in den letzten Jahren allein für den Abwehrverbund ausgegeben haben.

Seit 2017 haben die Bayern 195,5 Millionen Euro für sechs Verteidiger ausgegeben. Hinzu kommen die ablösefreien Transfers von Omar Richards und Tanguy Nianzou. An der Säbener Straße hatte man sich für eine Neuordnung in der Defensive entschieden. Spieler wie Javi Martinez, Boateng und Alaba gingen. Benjamin Pavard, Lucas Hernandez und Dayot Upamecano kamen für sehr viel Geld.

Das Zwischenfazit ist ernüchternd. Auch beim 1:1 gegen die TSG Hoffenheim offenbarten sich hinten wieder eklatante Abstimmungsprobleme. Beim Gegentor rückten Pavard und Serge Gnabry beispielsweise beide ins Zentrum, wodurch der Flügel sich erst für Vorlagengeber David Raum öffnete. Ein Tor, das die Bayern so in dieser Saison schon mehrfach kassiert haben: Zunächst kommt der Gegner zu leicht durchs Zentrum, um dann die offenen Flügel zu bespielen.

Wie könnte die optimale Defensive aussehen?

Das alles nur auf den teuren Verteidigern abzuladen, wäre jedoch nicht zielführend. Auch im Mittelfeld fehlt neben Joshua Kimmich jemand, der für Stabilität im Zentrum sorgt. Zumal die Defensivprobleme eigentlich keine Frage der Qualität sein sollten. Für sich genommen können vor allem die Innenverteidiger des Kaders ein großer Gewinn für den FC Bayern sein. Und doch funktionieren sie zusammen bisher in den unterschiedlichsten Zusammensetzungen nicht optimal.

Eigentlich ist es kaum zu erklären. Wenn es nicht an der individuellen Qualität liegt, woran dann? Vermutlich befinden sich die Münchner einfach in einer sehr diffusen Situation. In der letzten Saison hat die individuelle Qualität einiger Einzelspieler nicht gereicht, um den Laden dichtzuhalten - in dieser fehlt vor allem deren Fähigkeit, gefährliche Situationen durch effiziente Kommunikation zu entschärfen.

So angreifbar die Leistungen des Duos Alaba/Boateng auch waren, ihre Abstimmung war trotz einiger Fehler gut. Könnte sich der FC Bayern also eine optimale Defensive backen, so würde er wohl die individuelle Qualität der jetzigen Spieler mit den Führungsqualitäten der ehemaligen vermischen. Doch davon lässt sich eben nur träumen.

Bayerns Gegentore resultieren vor allem in den letzten Wochen meist, weil Spieler zu oft auf sich gestellt sind. Das Gegentor in Salzburg, als Hernandez nicht kommuniziert wurde, dass er abgesichert ist und aggressiver verteidigen kann, oder das kuriose Müller-Eigentor gegen Leverkusen, als Sven Ulreich kein Kommando gab - flache Hierarchien funktionieren nur, wenn auch wirklich alle Verantwortung übernehmen und nicht nur ihre eigenen Duelle auf dem Platz führen.

Süle geht, wer ersetzt ihn?

Es ist aus dieser Perspektive betrachtet fast noch merkwürdiger, dass die Bayern mit Niklas Süle jenen Innenverteidiger abgeben, der in den vergangenen Monaten am konstantesten performt hat. Der 26-Jährige ist sowohl in den Kernaufgaben im Defensivbereich als auch im Aufbauspiel ein wichtiger Eckpfeiler für Julian Nagelsmann. Im Sommer wechselt er zum BVB.

Und Ersatz? Den gibt es aktuell nicht. Mit Antonio Rüdiger, Andreas Christensen (beide FC Chelsea), Nico Schlotterbeck (SC Freiburg), Matthias Ginter (Borussia Mönchengladbach) und Bremer (FC Turin) war die Liste an Gerüchten immerhin lang. Ob da jetzt aber der große Retter dabei ist, ist fraglich. Qualitativ dürfte keiner dieser Spieler ein klares Upgrade zu Süle, Upamecano oder Hernandez sein. Der Spieler, den die Bayern eigentlich brauchen, ist aktuell nicht auf dem Markt.

Zynisch anmerken könnte man, dass sie diesen Spieler sogar haben ziehen lassen. Alaba mag sportlich seine Fehler haben, aber sein Wert für den Zusammenhalt der gesamten Defensive wird womöglich unterschätzt. Vielleicht hätte er in der Dreierkette von Julian Nagelsmann das entscheidende Puzzleteil sein können. Der Kleber, der die letzten Prozentpunkte aus den immer noch jungen Mitspielern herauskitzeln kann.

Denn Fakt ist auch, dass Upamecano und Hernandez noch nicht lange im Klub sind. Wie sollen sie plötzlich zu Anführern werden? Das Vakuum des FC Bayern, es ist hausgemacht. Führungsspieler wachsen nicht einfach aus dem Boden. Sie brauchen Zeit, um sich zu solchen zu entwickeln. Radikale Umbrüche funktionieren deshalb auch nur selten.

Für die kommende Saison bräuchten die Bayern deshalb eine große Lösung in der Innenverteidigung. Jemanden mit Erfahrung, der sofort auf Weltklasseniveau einsteigen könnte. Nur sind solche Spieler entweder nicht verfügbar oder viel zu teuer. Denn der Markt für Innenverteidiger auf absolutem Top-Niveau, auch das zählt zur Wahrheit dazu, ist dünner geworden.

Jubelt Alaba bald mit den Klappstühlen Münchens?

Ob es jetzt ein Fehler war, Alaba ziehen zu lassen, lässt sich dennoch nicht abschließend beantworten. Einerseits fehlt er den Bayern aus den genannten Gründen sehr. Andererseits hatte die Vereinsführung gute Gründe, ihn nicht in die Top-Kategorie der Gehaltsliste zu befördern.

Die Bayern müssen deshalb auf einen Entwicklungsprozess setzen. Einen, der im eigenen Selbstverständnis eigentlich keinen Platz hat. Denn inkludiert sind eben Fehler, aus denen die Spieler schnellstmöglich lernen müssen. Fehler führen zu Titelverlusten, wie schon im DFB-Pokal geschehen. Mittel- und langfristig können sie aber auch dazu führen, dass Upamecano oder Hernandez die nächsten großen Führungsspieler beim FC Bayern werden. Die Frage ist lediglich, ob ihnen diese Zeit gegeben und das Vertrauen geschenkt wird.

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Aktuell scheint es so, als würde der Klub die Situation noch nicht als akut einstufen. In der Champions League laufen die Bayern mit ihren Abstimmungsproblemen aber Gefahr, vom ersten großen Gegner ausgekontert zu werden. Spätestens dann würde wohl nochmal mehr Wind in die Debatte kommen. Ein Orkan würde es hingegen werden, wäre es dann ausgerechnete David Alaba, der emotional den einen oder anderen Klappstuhl in den Münchner Himmel reckt.

Es wäre zumindest eine Geschichte mit großer Ironie. Aber vielleicht findet Nagelsmann bis dahin ja doch noch die richtigen Knöpfe bei seinen möglicherweise angehenden Führungsspielern.

Quelle: ntv.de

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