Fußball

Balanceakt zwischen den Extremen Der BVB bremst sich immer wieder selbst aus

Der BVB sicherte sich zwar den Gruppensieg in der Champions League, der große Aufschwung bleibt jedoch vorerst aus.

Der BVB sicherte sich zwar den Gruppensieg in der Champions League, der große Aufschwung bleibt jedoch vorerst aus.

(Foto: dpa)

Im Champions-League-Spiel gegen Anderlecht stirbt Borussia Dortmund erneut den Chancentod. Der reicht zwar zum Gruppensieg, dämpft aber die Aufbruchsstimmung in der Bundesliga - und rückt die Torwartfrage in den Hintergrund.

Vom Sprachschöpfer Karl-Heinz Rummenigge ist nicht nur das famose "Da sage ich Champs-Élysées" überliefert, die FC-bayerische Variante von Chapeau. Der Sportwortfreund vom Fußball-Rekordmeister aus München hat noch ein anderes Bonmot geprägt, als er schon vor Jahren erkannte: "Hin und wieder muss man nicht nur kleinere Brötchen backen, sondern auch kleinere Brötchen essen."

Dortmund - Anderlecht 1:1 (0:0)

Tore: 1:0 Immobile (58.), 1:1 Mitrovic (84.)
Borussia Dortmund: Langerak - Durm, Subotic, Ginter, Schmelzer (75. Aubameyang) - Gündogan (66. Kirch), Sahin - Mchitarjan, Kagawa (85. Blaszczykowski), Großkreutz - Immobile
RSC Anderlecht: Proto - Vanden Borre, Mbemba, Deschacht, N'Sakala - Dendoncker, Kljestan (69. Tielemans) - Conte (79. Cyriac), Praet, Acheampong - Mitrovic (89. Heylen)
Schiedsrichter: Mallenco (Spanien) Zus.: 65.851
Schüsse: 20:8 Ecken: 4:3 Ballbes: 61:39 %

Nun steht Borussia Dortmund nicht mehr in Verdacht, viel auf das Wort von Rummenigge zu geben. Nach dem unnötigen 1:1 im Champions-League-Gruppenfinale gegen den RSC Anderlecht machte sich aber zumindest BVB-Coach Jürgen Klopp die Maxime des ungeliebten Bayern-Bosses zu Eigen. So konsequent wie sich sein BVB einem zweiten Tor verweigert hatte, verweigerte sich der Dortmunder Coach einer öffentlichen Kritik seiner Chancentode. Klopp genügte das kleine Brötchen, das ihm sein BVB im letzten CL-Spiel des Jahres gebacken hatte: "Mit Teilen des Spiels bin ich sehr zufrieden. Wir haben gut angefangen, eine sehr gute Phase nach der Pause gehabt und ein schönes Tor gemacht."

Das späte Gegentor seines durch die Bundesliga kriselnden BVB fand Klopp zwar überflüssig, aber unerheblich. Nach der personellen Groß-Rochade mit gleich sechs Wechseln im Vergleich zum Hoffenheim-Sieg war vom vorab ausgerufenen Charaktertest ohnehin nicht viel übrig geblieben. "Es war nicht alles perfekt. Die Mannschaft musste richtig beißen", sagte Klopp und sah sein Team mit dem Remis dafür belohnt: "Wir wollten ein Ergebnis haben, das uns Platz 1 beschert. Das haben wir gekriegt." Pragmatisches Fazit: "Maximalziel erreicht. Alles ist gut."

Langerak macht's dem Trainer schwer

Michael Langerak war erneut ein starker Rückhalt im BVB-Tor.

Michael Langerak war erneut ein starker Rückhalt im BVB-Tor.

(Foto: dpa)

Nach seinem offen zur Schau getragenen Missmut über die öffentliche BVB-Torwartdebatte wirkte Klopp nach dem Abpfiff vergleichsweise gelöst. Dazu bei trug auch der Umstand, dass der erneut im Tor aufgebotene Mitch Langerak diesmal auch gefordert wurde. Er gehörte zu den besten Dortmundern. In der 11. Minute verhindert er im Eins-gegen-Eins mit Aleksandar Mitrovic in bester Manier seines Rivalen Roman Weidenfeller mit der Schulter einen frühen Rückstand und weckte sein Team damit auf. Auch danach agierte er fehlerlos und belebte das BVB-Spiel mit präzisen Abwürfen.

Am späten Ausgleich war er schuldlos, trotzdem wurmte ihn das Tor: "Das 1:1 ist natürlich ärgerlich und ärgert vor allem mich." Er hoffe aber "auf viele weitere Champions-League-Abende". Das darf als erste kleine Kampfansage in Richtung Weidenfeller verstanden werden, dem auch im nächsten Ligaspiel gegen Hertha BSC ein Bankplatz droht. Eine Tendenz verriet Klopp noch nicht: "Ich werde mir in aller Ruhe Gedanken machen über die Aufstellung, und da wird auch ein Torwart dabei sein. Das ist sicher."

Das Warten auf den Aufschwung geht weiter

Akuter als die T-Frage dürfte für Klopp vor dem Abstiegsduell in Berlin sein, wie sich die erneut desaströse Chancenverwertung zeitnah verbessern lässt. Obwohl der BVB das Spiel trotz einer offensiven Ausrichtung mit dem Spielmacher-Duo Nuri Sahin und Ilkay Gündogan auf der "Doppel-Acht" (Klopp) fast 90 Minuten dominierte und nach der Pause auch spielerisch beherrschte, pendelte Dortmund wieder zwischen den bekannten Extremen: Fahrlässige Chancenverwertung vorn, insbesondere verursacht durch Henrikh Mhkitarayn und Shinji Kagawa sowie Anderlechts Keeper Silvio Proto. Grobe Abwehrböcke hinten, wobei sich Neven Subotic sowie beim Gegentor die Weltmeister Erik Durm und Kevin Großkreutz hervortaten. Am Ende hatte der BVB nur zwei Schüsse auf sein Tor bekommen, aber dennoch einen Gegentreffer kassiert.

Klopp bleibt damit weiter als Psychologe gefragt, den nächsten Entwicklungsschritt auf der Suche nach der verlorenen Stabilität konnte sich sein BVB noch nicht erarbeiten. Ohne die auch in Berlin fraglichen Stabilisatoren Mats Hummels und Sebastian Kehl brachten die Dortmunder das 1:0 nicht über die Zeit. Auch personell bleibt die Situation trotz der Saisondebüts von Sahin, Jakub Blaszczykowski und Oliver Kirch angespannt. Aus dem in die Startelf rotierten BVB-Sextett konnten lediglich Matthias Ginter und mit Abstrichen der äußerst einsatzfreudige, aber auch oft übermotivierte Torschütze Ciro Immobile und Sahin überzeugen. Kagawa, Durm und Großkreutz enttäuschten weitgehend.

"Wir haben nicht so ein gutes Spiel gemacht, aber es ist okay mit den vielen Umstellungen", zeigte sich Großkreutz selbstkritisch. Das Gegentor nahm er auf seine Kappe. Nuri Sahin schwankte zwischen Stolz und Frust: "Natürlich wäre es besser gewesen, wenn wir dieses Spiel gewonnen hätten, auch für unsere Stimmung. So kassieren wir kurz vor Schluss noch den Ausgleich - das ist natürlich ärgerlich." Der große Aufschwung im BVB-Abstiegskampf lässt trotz des Gruppensiegs weiter auf sich warten.

Quelle: ntv.de

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