Foden und ein Hauch von Messi Der Teenager, dem Maradona zulächelt
29.05.2021, 12:17 Uhr
Oft gesehene Pose in dieser Saison: Foden dreht jubelnd nach einem Treffer ab.
(Foto: Pool via REUTERS)
In dieser Saison reift Phil Foden von Manchester City zu einem der besten jungen Spieler auf der Welt. Trainer Guardiola ist sich sicher: Die Teenie-Wunderwaffe wird bald Europa regieren. Nach einem Champions-League-Triumph würde der introvertierte Foden wohl nur eine Runde angeln gehen.
Ein Hauch von Diego Maradona weht vor knapp zwei Wochen durch die britische Grafschaft East Sussex. Natürlich umdribbelt dort dieser 20-jährige englische Teenager nicht ganz so viele Spieler wie einst der Argentinier bei seinem Jahrhundert-Solo-Tor 1986 gegen England. Natürlich handelt es sich nur um eine Partie in der Premier League und nicht um ein WM-Viertelfinale. Natürlich ähneln Eleganz und Abschluss der beiden Tore sich nicht komplett. Und doch: Was Phil Foden von Manchester City gegen Brighton & Hove Albion im Falmer Stadium veranstaltet, hätte dem vielleicht besten Fußballer aller Zeiten ein Lächeln auf die Lippen gezaubert.
Tief in der eigenen Hälfte erobert Foden den Ball. City steht zurückgezogen und der Gegner ist weit aufgerückt. Geschickt schirmt das Wunderkind das Spielgerät an der linken Außenlinie ab, tänzelt ein paar langsame Schritte mit einem Gegenspieler im Gleichschritt - um dann an der Mittellinie aus dem Nichts den Turbo zu zünden. Von null auf gefühlt 100 in zwei Sekunden. Mit Ball ist er schneller als Brightons Ben White, der erfolglos versucht zu foulen.
Im Superspeed rast Foden durch die komplette gegnerische Hälfte, erst am Sechszehner schafft es ein weiterer Verteidiger, zu ihm aufzuschließen. Doch der City-Stürmer legt die Kugel einfach weit am heraneilenden Gegner vorbei, sprintet hinterher und schießt sie präzise und flach mit seinem starken linken Fuß ins rechte Toreck. Der Abschluss per Picke ist so schnell und clever wie sein Sprint, der Torhüter kann nicht mehr reagieren. Die Nummer 47 (eine Hommage an seinen in diesem Alter verstorbenen Großvater Walter) dreht jubelnd ab.
"In der gleichen Kategorie wie Lionel Messi"
Phil Foden stammt aus der Gegend um Manchester, war Balljunge und wurde ab dem zehnten Lebensjahr an der Klubeigenen Akademie ausgebildet. Entdeckt hatte der Verein ihn schon als Sechsjährigen. Seit der Kindheit ein City-Fan ist er in seinen jungen Jahren nun schon einer der besten in Pep Guardiolas Elite-Truppe - und einer, von dem erhofft wird, dass er England endlich zum ersten Titel seit 1966 schießen kann. Als erster Spieler mit weniger als 21 Jahren auf dem Buckel erzielte er 30 Tore für ein Guardiola-Team. Erst als dritter Spieler dieses Alters erreichte er viermal die K.o.-Phase der Champions League (nach Cesc Fabregas und Theo Walcott).
Die Superlative um den Youngster reißen gar nicht mehr ab. Manchester United-Legende Rio Ferdinand hob ihn nach dem Einzug ins Finale der Königsklasse sogar über Erling Haaland und Kylian Mbappé und bezeichnete das Wunderkind als den "besten jungen Spieler der Welt". Die niederländische Fußballikone Ruud Gullit sagte jüngst gegenüber der BBC: "Er ist in der gleichen Kategorie wie Lionel Messi." Auch wenn der Vergleich noch viel zu früh kommt, von seinem Talent und Können ist Foden so nah an Messi, wie es noch nie ein Engländer vor ihm geschafft hat.
Das mag auch ein Grund sein, warum Startrainer Guardiola ganz vernarrt ist in den am Freitag 21 Jahre alt gewordenen Offensivkünstler. Warum er sich mal dazu hinreißen ließ, ihn als das größte Talent zu bezeichnen, dass er je gesehen hätte. Aber auch andersherum ist nur Lob in den höchsten Tönen zu hören: "Ich hab Barcelona als Kind geschaut, das war unglaublich", sagte Foden vor dem Finale gegenüber "uefa.com". "Ich hätte nie gedacht, dass [Guardiola] mal mein Trainer wird. Ich habe immer mit meinem Papa Fußball geschaut und mir nur gedacht: 'Wow, was für ein Team und was für ein Trainer!' Er hat versucht, diesen Fußball hierher zu bringen und es scheint zu funktionieren."
Angeln statt feiern
"Dieser Fußball" ist gemacht für Spielertypen wie Foden. Er verkörpert genau die Dinge, die der katalanische Coach an Fußballspielern liebt: Mit seinen 171 Zentimetern ist er schnell und wendig, dazu technisch perfekt für alle offensiven Positionen ausgebildet (oft spielt Foden eine falsche Neun, in Guardiolas Team verschiebt sich die Offensive aber ohnehin auf fluide Art und Weise), intelligent und extrem torgefährlich. Ein Instinktfußballer außerdem. Ein Straßenfußballer. Stundenlang soll er als Kind alleine auf einem Betonparkplatz bei dem Haus seiner Großmutter gekickt haben, noch immer soll es ihn dahin ziehen, wenn er die Familie besucht. Ein Dribbler, der aber nicht mit zig Übersteigern angibt, sondern zielgerichtete Tricks kombiniert mit übersichtlichem und nach vorne gerichtetem Präzisionsspiel - und auch seine Mitspieler sucht.
Im Halbfinal-Rückspiel der Königsklasse gegen Paris Saint-Germain legt Foden nach Doppelpass mit Kevin De Bruyne und einem Sprint in die Tiefe das entscheidende 2:0 von Riyad Mahrez auf. An 26 Toren (16 Treffer und zehn Vorlagen) war Foden in allen Pflichtspielen in dieser Saison beteiligt. Nur Strippenzieher De Bruyne sammelte zwei Scorerpunkte mehr bei Manchester City. Drei Meisterschaften in vier Saisons - Foden hat als Teenager schon mehr Trophäen im Schrank als viele Fußballprofis in ihrer gesamten Karriere. Nun soll die größte im europäischen Klubgeschäft folgen.
Schon als Kind träumte Foden von der Champions League. Seit seinem Profidebüt mit 17 Jahren arbeitet er konkret daran, den Traum in die Realität umzusetzen. Talent alleine reicht auf diesem Level nicht mehr, es braucht die richtige Einstellung. Nur dank seiner Arbeitsmoral konnte er sich in der Superstartruppe einen Stammplatz erkämpfen. Statt zu feiern oder Playstation zu spielen, geht der als introvertiert geltende 21-Jährige lieber angeln, um Stress abzubauen. Eine besondere Reife wird ihm nachgesagt. Nur einmal langte er gehörig daneben, im September vergangenen Jahres. Nur 48 Stunden nach seinem England-Debüt wurde er von der Nationalmannschaft schon wieder nach Hause geschickt. Zusammen mit Mason Greenwood hatte er zwei junge Frauen ins Hotel eingeladen und gegen die Covid-Richtlinien verstoßen.
"Phil ist City"
Foden entschuldigte sich. Und ließ fortan nur noch seine Leistung sprechen. Wie eigentlich schon immer. Sein Leben lang ist der Youngster von Fußball geradezu besessen, als Kind habe er nun einen Fußball zum Glücklichsein benötigt, erzählte einst seine Mutter. In seinem Haus soll er noch heute nur selten normal herumlaufen, sondern lieber mit einem Ball jonglieren oder seine Familienmitglieder tunneln. Auf Flugreisen habe er sich als Jugendspieler im Duty-Free-Shop nicht mit Süßigkeiten, sondern kleinen Bällen eingedeckt, damit er auf seinem Zimmer üben konnte. Nur wenige Jahre später liegt es unter anderem an ihm, seine Kindheitsliebe Man City nach einer überragenden Saison zum ersten Champions-League-Titel der Geschichte zu schießen. Dann folgt die Europameisterschaft im Sommer, bei der viele englische Hoffnungen auf dem Youngster lasten.
"Ich glaube nicht, dass ihn die ganze Aufmerksamkeit, die ihn umgibt, jemals gestört hat und das ist eine seiner besonderen Eigenschaften", sagt Mark Allen, ehemaliger City-Akademiedirektor, der Foden zu seinem ersten professionellen Vertrag verhalf, über seinen Ex-Schützling. "Phil Foden ist als 20-Jähriger genauso wie ein Zehnjähriger. Er spielt nur zum Vergnügen und aus Liebe zum Spiel." Neben dem Guardiola-Fußball-Skillset ist es auch diese perfekte Mischung aus Leichtigkeit und Reife, die Foden schon mit so jungen Jahren auf der höchsten Ebene des Fußballs brillieren lässt. Der katalanische Startrainer wusste schon 2019: "Foden ist der einzige Spieler, der unter keinen Umständen verkauft werden kann. Der Einzige. Nicht für 500 Millionen Euro. Phil geht nirgendwo hin. Phil ist City."
Vor dem heutigen Endspiel gegen Chelsea sagte Foden: "Ich gehe das Finale wie jedes andere Spiel an: Lächeln und schauen, wie es läuft." Meist läuft es im Spiel dann mehr als gut für den City-Youngster. Vielleicht lächelt diesmal auch Maradona wieder von oben - und Foden blickt beim Angeln nach dem Triumph mal kurz hinauf.
Quelle: ntv.de