Fußball

Rekord und Lehrstunde für VfL Der bittersüße Moment nach der Demontage

Niemand flüchtet vor dem großen Moment.

Niemand flüchtet vor dem großen Moment.

(Foto: picture alliance / ZUMAPRESS.com)

Die Frauen des VfL Wolfsburg erleben in ihrem größten Spiel eine bittere Pleite: Vor einer Weltrekordkulisse geht das deutsche Spitzenteam beim FC Barcelona auf ganz großer Bühne chancenlos unter. Doch der große Moment bleibt.

Was für ein Spiel: 5:0 führte der bis dahin noch gegen den Abstieg kämpfende VfL Wolfsburg zum Auftakt des 31. Spieltags der Fußball-Bundesliga schon zur Halbzeit gegen den Mainz 05. Und auch wenn das fröhliche Toreschießen mit dem Halbzeitpfiff abrupt endete, es war ein toller Abend für die Männer des VfL Wolfsburg. Und doch: Die Begegnung, so rauschhaft und erfreulich sie für die Niedersachsen war, wird irgendwann eine Fußnote der Vereinsgeschichte sein. Ein weiteres Ergebnis. Das Ereignis aber, das im kollektiven Klubgedächtnis bleiben wird, fand rund 1400 Kilometer von der heimischen Volkswagen Arena statt: Denn im Camp Nou war die ungleich erfolgreichere Frauenmannschaft des VfL Teil eines "Traumes", eines veritablen Weltrekords. Eines historischen Ereignisses.

91.648 Menschen hatten sich zum Champions-League-Halbfinale des FC Barcelona gegen den VfL Wolfsburg im gewaltigen Camp Nou versammelt, so viele wie noch nie zuvor zu einem Fußballspiel zwischen zwei Frauenvereinsmannschaften. Weltrekord. Für ihr Kommen wurden die Fans mit einem Torfestival belohnt: Das 5:1 (4:0) ist für den VfL Wolfsburg ein Debakel, für die Spanierinnen, die auch höher hätten gewinnen können, bedeutet es den beinahe sicheren Einzug ins Finale der Königsklasse.

Es war eine Demonstration der Titelverteidigerinnen und eine Demontage für die Champions-League-Siegerinnen von 2013 und 2014. "Gegen diese Mannschaft im Rückspiel mit 5:1 oder höher zu gewinnen, ist vielleicht nicht ganz realistisch. Unsere Aufgabe wird es dennoch sein, ein ganz anderes Gesicht zu zeigen", haderte Wölfinnen-Trainer Tommy Stroot. "Wenn man zwei Meter gegen Barca nicht geht, dann hat diese Mannschaft genügend Zeit, um Räume zu finden."

Doch die Augenblicke nach der herben Pleite seiner Spielerinnen auch im Angesicht feiernder Heimfans und glücklicher Gastgeberinnen "trotzdem aufzusaugen", hatte Stroot von seiner enttäuschten Mannschaft gefordert. "Weil das eine Erfahrung ist, die uns unser ganzen Leben lang begleiten wird. Es wird immer ein Moment bleiben, an den wir uns zurückerinnern." Zuvor war der VfL Wolfsburg, in der Bundesliga auf Meisterkurs, völlig chancenlos: Schon nach gut einer halben Stunde hatte es 0:4 aus ihrer Sicht gestanden.

"Riesengroßer Traum"

Nationaltorhüterin Almuth Schult hatte vor dem Spiel von einem "riesengroßen Traum" gesprochen, vor einer solchen Kulisse zu spielen. Es war ein Quantensprung ins Camp Nou, diese legendäre Stätte des Fußballs, in dem die Barca-Frauen schon ihr Viertelfinale vor mehr als 90.000 Menschen bestritten hatten.

Während des Spiels hatte Nationaltorhüterin Schult, die den Klub nach der Saison gen Los Angeles verlässt, keine Zeit, sich um die Kulisse zu kümmern und den Traum zu leben. Angriff auf Angriff rollte auf ihr Tor zu, am Ende war es vor allem Schult zu verdanken, dass das Ergebnis noch im Rahmen blieb. "Wir wollen zeigen, was wir können, uns nicht verstecken und extrem unangenehm sein", hatte Trainer Stroot angekündigt. "Dann wissen wir, was möglich ist. Ich bin nicht derjenige, der Grenzen setzt, sondern wir sind dabei, Grenzen zu sprengen."

Nun wurden klar die Grenzen aufgezeigt, die die internationalen Großklubs den nationalen Vorzeigeteams setzen. Die langjährige Vormachtstellung der deutschen Frauen im Weltfußball ist längst gebrochen, vor allem in England und Spanien, auch in Frankreich ist das Interesse am Fußball der Frauen beinahe exponentiell größer als in Deutschland. "Es ist aus meiner Sicht vor allem die Vermarktung, die ausbaufähig ist. Wir müssen einfach mehr Werbung für unsere Spiele machen. Darüber hinaus benötigen wir mehr TV-Präsenz, um den Frauenfußball noch sichtbarer zu machen", hatte Nationalspielerin Alexandra Popp vor dem Spiel gefordert.

Ja, es sei etwas passiert in den letzten Wochen, auch beim VfL Wolfsburg. Zuerst das Spiel gegen Arsenal vor einer fünfstelligen Kulisse in der Volkswagen Arena und auch im Liga-Spitzenspiel gegen den FC Bayern München kamen über 3.000 Fans ins AOK Stadion, was in den letzten Jahren nicht so häufig der Fall war. Unsere Leistungen werden immer mehr wertgeschätzt und honoriert." Nun gehe es aber darum, "dass aus diesem Trend etwas Nachhaltiges wird".

So muss man vorerst selbst im Debakel die großen Momente noch genießen. Denn zu Hause bleiben sie vergleichsweise rar: Zum Viertelfinal-Rückspiel gegen Arsenal London kamen 11.293 Zuschauer in die Volkswagen-Arena, die Frauen des FC Bayern durften für ihr Viertelfinale gegen Paris Saint-Germain erstmals in der Allianz-Arena spielen. Es kamen 13.000 Menschen. In der Bundesliga spielt der FC Bayern in der Regel auf dem heimischen Campus, meistens vor rund 1000 Fans.

"Nicht der letzte Rekord des FC Barcelona"

So euphorisch die Verantwortlichen um Vorstand Oliver Kahn und Präsident Herbert Hainer im März den vorerst einmaligen Umzug in die große Arena als "Meilenstein" zu verkaufen versuchten, er wirkte bisweilen wie ein Akt der Gnade. Die Allianz-Arena sei für das Spiel "die Bühne, die es verdient hat", hatte Kahn getwittert. Die ehemalige Nationalspielerin Verena Schweers, die zwischen 2016 und 2020 für den FC Bayern gespielt hatte, konterte Kahns Würdigung der eigenen Frauen-Mannschaft zynisch: "Wieder mal ein schönes Statement von einem Offiziellen - Im Stadion hab ich dich aber noch nie gesehen."

Bundestrainerin Martina Voss-Tecklenburg sagte dem "Tagesspiegel" entsprechend deutlich: "Wir brauchen diese Highlight-Spiele in diesen Stadien. Das muss doch eigentlich selbstverständlich sein für Teams, die diese Infrastruktur haben wie der FC Bayern. Diesen Mut müssen sie einfach aufbringen." Es sei auch ein "Frage der Wertschätzung" und dürfe keine Frage des Geldes sein.

Ob die große Kulisse die eher übersichtliche Zuschauerzahlen gewohnten Spielerinnen in ihrem Team hemmen könnten, wurde DFB-Kapitänin Popp auf der Vereinswebsite gefragt. "Ja", antwortete sie, "das kann schon sein. Ich hatte das Gefühl, dass nur noch über das Camp Nou gesprochen wurde, seit diese Konstellation feststand. Es war eine große Vorfreude spürbar. Jetzt geht es aber darum, dass wir erfahrenen Spielerinnen, die schon öfter in gut gefüllten Stadien gespielt haben, die jüngeren an die Hand nehmen und ihnen ein gutes Gefühl geben." Das gelang nicht, auch, weil die Frauen des FC Barcelona dieser Tage schlicht die beste Mannschaft der Welt stellen.

"Bei uns war heute eine Bremse drauf, vielleicht aufgrund der Kulisse und der Bedeutung des Spiels" kommentierte VfL-Trainer Stroot das Spiel seiner vor allem in der ersten Hälfte auf der ganz großen Bühne völlig überforderten Mannschaft.

"Vor über 90.000 zu spielen, ist für jeden Spieler etwas Besonders. Wir nehmen unsere Erfahrung mit und bauen darauf auf", sagte Stroot noch. "Ich glaube nicht, dass es der letzte Rekord des FC Barcelona war, sondern dass vielleicht sogar in Zukunft weitere höhere Zahlen hier möglich sind", sagte Stroot. "Und das ist einfach eine überragende Geschichte für den Frauenfußball insgesamt." Am vergangenen Wochenende hatte der VfL Wolfsburg das DFB-Pokal-Halbfinale 3:1 beim FC Bayern gewonnen. Es ist das größte Duell, das der deutsche Fußball im Frauenbereich zu bieten hat. Es kamen 2.332 Zuschauer.

Quelle: ntv.de, ter

Social Networks
Newsletter
Ich möchte gerne Nachrichten und redaktionelle Artikel von der n-tv Nachrichtenfernsehen GmbH per E-Mail erhalten.
Nicht mehr anzeigen