PSG droht die Superstarflucht Der katarische Milliardentraum stirbt in München
09.03.2023, 09:50 Uhr
Kylian Mbappé lässt seine Zukunft bei Paris St. Germain offen.
(Foto: AP)
Die große Sehnsucht von Paris St. Germain nach dem Henkelpott bleibt auch in dieser Saison unerfüllt. Und das höchst verdiente Aus im Achtelfinale gegen den FC Bayern könnte gravierende Folgen haben. Denn die Zukunft des Superstar-Trios ist ungewisser denn je.
Über 90 Minuten waren Lionel Messi und Kylian Mbappé in der Münchner Allianz-Arena kaum zu sehen gewesen. Wer am Mittwochabend gekommen war, um die beiden offiziell besten Fußballer der Welt mal in Aktion zu sehen, der dürfte die Heimreise tief enttäuscht angetreten sein. Immerhin das vereinte sie dann für einen kurzen Moment mit den Superstars von Paris St. Germain, die seltsam wehrlos gegen den FC Bayern im Achtelfinale der Champions League untergegangen waren. Mit 0:2 ging auch das Rückspiel verloren (Hinspiel 0:1) und damit starb erneut die Hoffnung auf den Henkelpott. Auf diesen und nur auf diesen ist das Projekt PSG angelegt.
Wie es nun weitergeht? Niemand weiß es. Klar ist nur: so wie bisher, jedenfalls nicht. Das katarische Milliarden-Ensemble steht vor tiefgreifenden Veränderungen. Trainer Christophe Galtier muss akut um seinen Verbleib bangen und was wird aus den Superstars Mbappé, Messi und dem derzeit verletzten Neymar? Um alle drei ranken sich seit langer Zeit Gerüchte, dass sie den Klub im Sommer verlassen könnten. Sollte es so kommen, würden dem französischen Klub das Herz rausgerissen. Er würde von einem mächtigen Duellanten in Europa zu einem Mitläufer verzwergt. Gut, die Besitzer können mit ihren Milliarden jederzeit neue Stars kaufen - aber wen? Und wie viele?
"Das ist ein Scherbenhaufen"
"Wenn man sich den Kader anschaut oder auch die Bank: Das ist ein Scherbenhaufen - für das Geld, was sie ausgegeben haben", wetterte Sky-Experte Dietmar Hamann am Mittwochabend. Der 49-Jährige hält es für nicht ausgeschlossen, dass es PSG in Zukunft so nicht mehr geben wird. "Ich kann mir vorstellen, dass der Emir aus Katar irgendwann das Interesse verliert. Mit den ganzen Superstars haben sie es nicht geschafft, die Champions League zu gewinnen." Und der ehemalige Bayern-Profi glaubt auch nicht, dass sich daran mittelfristig etwas ändern wird. Er sehe nicht, "dass wir einen Champions-League-Sieger aus Paris in den nächsten fünf bis zehn Jahren haben werden."
Auch die französische Presse geht hart mit den Verlierern ins Gericht. "Auf Wiedersehen Champions League. Vernichtet von den Bayern, ist Paris weiter auf Flop-Niveau", urteilte die Zeitung "Libération". Der "Figaro" bekannte kurz und knapp: "Ein weiteres europäisches Fiasko für Paris." Richtig martialisch urteilte die "L'Equipe" über das Starensemble: "Am Fuße eines Gipfels in der Allianz-Arena am Mittwoch blieb PSG ganz unten am Pass, die Beine abgetrennt von einem Bayern München, das zwar nicht gerade knallig, aber reif genug spielte, um es zu vernichten.(...) Paris wartete darauf, dass die Flammen von Mbappé und Messi das Blatt wenden würden, aber beide Genies blieben in ihrer Kiste."
Was machen die Superstars?
Nichts ist derzeit entschieden, womöglich bleiben alle drei Stars, vielleicht zwei, vielleicht nur einer. Aber das Szenario des kompletten Ausverkaufs in der Offensive ist ein drohendes. Kann Messi sich noch einmal aufraffen? Vor wenigen Wochen hat er seine einzigartige Karriere mit dem WM-Triumph in Katar veredelt. Vor wenigen Tagen wurde er (ein letztes Mal?) Weltfußballer. Mehr geht eigentlich nicht. Nicht auf Erfolgsseite und auch nicht auf dem Feld? "Ich weiß nicht, ob er nächstes Jahr noch in der Lage ist, große Spiele zu beeinflussen. Das hat er in den beiden Spielen gegen den FC Bayern nicht gemacht. Und dann glaube ich auch nicht, dass das in ein paar Monaten der Fall sein wird", befand Hamann.
Mbappé ist mit seinen 24 Jahren weiter auf der Jagd nach der Krone Europas. Er muss für sich selbst die Frage beantworten, ob das mit PSG tatsächlich gelingen kann. Die Antwort aktuell: eher nicht. "Wir werden uns hinterfragen und dann in den Alltag zurückkehren. Wir müssen nach vorne schauen", sagte Mbappé am späten Mittwochabend. Angesprochen auf einen Verbleib in Paris, wollte er nicht konkret werden - obwohl er erst im Sommer einen Vertrag bis 2025 unterschrieben hat: "Da bin ich entspannt. Für mich zählt in dieser Saison nur noch die Meisterschaft. Dann werden wir sehen." Und Neymar? Kokettiert eh stets mit einem Wechsel. Soll seit Längerem ohnehin abgeschoben werden.
Kuriose Rechtfertigung von Galtier
Zurück nach München, zurück ins hier und jetzt. Trainer Galtier kämpft um seinen Job und bemüht seltsame Erklärungen für den schmerzhaften Knockout. "Es liegt nicht am Aufbau des Kaders, sondern an einer Saison mit einem vollgeladenen Spielkalender", sagte der 56-Jährige. Durch die Winter-WM in Katar musste der Spielplan angepasst worden. Die Stars der Topklubs mussten mitten in der Saison ein kraftraubendes Turnier spielen. Messi (Argentinien) und Kylian Mbappé (Frankreich) standen mit ihren Nationalteams im WM-Finale. Die Pause nach dem Turnier war nur kurz. Noch 2022 ging es wieder los.
Und ja, auch das Verletzungspech hatte das Team massiv ereilt. Neymar fehlt monatelang und noch dramatischer ging es in der Abwehr zu: Kapitän Marquinhos musste früh vom Feld, der für ihn eingewechselte Nordi Mukiele danach auch schnell wieder raus. Presnel Kimpembe fehlte ohnehin verletzt. Aber reicht das für Galtier, um den Job zu retten? Mbappé richtete knallhart über den Ist-Zustand: Der FC Bayern habe "ein Team, das geformt ist, um die Champions League zu gewinnen. Und was uns betrifft: Das hier ist unser Maximum!" Maximum? Das Achtelfinale? Das saß, entspricht aber der bitteren PSG-Realität. Seitdem eine katarische Investorengruppe den Klub 2011 mit großem Tamtam und noch größeren Zielen übernommen hat, schaffte es das Pariser Starensemble nur einmal ins Finale (2020/0:1 gegen Bayern) und einmal ins Halbfinale (2021). Ansonsten war in den vergangenen sieben Jahren gleich fünfmal im Achtelfinale Endstation.
Die namhaftesten Trainer scheiterten
Die Zweifel an Galtier wachsen. Zumal einige seiner Vorgänger deutlich mehr vorzuweisen hatten und trotzdem in der Panik des Klubs zermalmt wurden. So scheiterten seit dem Einstieg von Qatar Sports Investment schon einige namhafte Trainer, darunter der woanders so oft und so erfolgreiche Carlo Ancelotti, aber auch Laurent Blanc, Mauricio Pochettino oder Thomas Tuchel. Bevor der deutsche Coach 2021 mit dem FC Chelsea die Champions League gewann, war er mit PSG im Jahr davor erst im Finale gescheitert. Gegner damals: Der FC Bayern. Nicht umsonst bekannte Oliver Kahn vor den Duellen: Das Schicksal beider Klubs ist eng verwoben.
Immerhin gestand Galtier nach dem erschreckend schwachen und teilweise verstörend harmlosen Auftritt des Teams ein, dass er seinem Gegenüber, Julian Nagelsmann, taktisch unterlegen gewesen sei. "Das können Sie so sagen. Ein taktischer Sieg meines Kollegen vielleicht." Knackpunkt des Spiels sei aber gewesen, dass man in der ersten Hälfte kein Tor geschossen habe. Der nicht zielstrebige Schuss von Vitinha auf das leere Tor, nach einem fatalen Fehler von Keeper Yann Sommer, war von Verteidiger Matthijs de Ligt spektakulär geklärt worden. "Wir haben gegen eine großartige Mannschaft verloren, die den Wettbewerb gewinnen kann", gestand Mbappé. Von der eigenen Großartigkeit, wie vor dem Rückspiel, sprach er nicht. Er hatte auch keine Argumente.
Neymar, Mbappé, Messi , Galtier - und dennoch weiter auf der Suche nach dem großen Titel. Dass in einer solchen Phase neben Disharmonien von Spielern mit Sportdirektor Luís Campos oder Schlagzeilen über einen möglichen Verkauf von kleineren PSG-Anteilen schon die Runde machten, befriedet die Lage nicht unbedingt. Auch nicht, dass es Interesse aus Katar an Manchester United geben soll. Immerhin soll es sich dabei nicht um PSG-Besitzer QSI handeln. Der Milliardentraum von Paris ist wieder einmal zerbrochen - dieses Mal für immer?
Quelle: ntv.de, mit sid