Paderborn debütiert äußerst achtbar Die Bundesliga hat ihr hässliches Entlein
24.08.2014, 22:47 Uhr
Peter Sippels berechtigter Elfmeterpfiff für Mainz verhinderte einen Auftaktsieg der Paderborner.
(Foto: imago/Eibner Europa)
Arm, und auch nicht sexy: Das könnte der Wahlspruch von Bundesliga-Debütant SC Paderborn sein. Der Klub geht offensiv mit diesem Image um. Trainer André Breitenreiter interessieren nur harte Arbeit und der Klassenerhalt.
Ein Punkt ändert gar nichts. Auch wenn es der erste Punkt im ersten Spiel in der ersten Fußball-Bundesliga ist. Das behauptet zumindest André Breitenreiter, Trainer des SC Paderborn, des selbsternannten "krassesten Außenseiters aller Zeiten" in der Eliteklasse des deutschen Fußballs. Zwar hatte sein Team gerade den Sieg gegen den Vorjahressiebten Mainz nur um wenige Sekunden verpasst, hatte läuferisch und mental stark agiert. Aber Breitenreiter wurde grundsätzlich: "Ich hab noch nicht rausgeschaut, aber ich glaube, das Trainingszentrum steht immer noch nicht."
Diesen Fakt führen die Paderborner gerne an, um ihre Krassester-Außenseiter-These zu stützen: das fehlende Trainingszentrum. Oder den Etat, der bei nur 34 Millionen Euro liegt, es ist der niedrigste der Liga. Oder das eher zweckmäßige Stadion, das den Charme eines Logistikzentrums versprüht, in das nur 15.000 Zuschauer passen - und in dem nicht nach 22 Uhr gespielt werden darf, weil die Anwohner über Lärmbelästigung klagten.

Andre Breitenreiter trainiert mit Paderborn den "krassesten Außenseiter aller Zeiten". Findet er.
(Foto: REUTERS)
Man bekommt regelrecht den Eindruck, die Ostwestfalen bewerben sich mit Nachdruck um die Rolle des hässlichen Entleins der Liga. Als vor einigen Wochen der Deutschlandfunk für ein Interview mit André Breitenreiter vorbei kam, fand die Pressesprecherin zunächst keinen Raum für das Gespräch. Das wurde dann kurzerhand in eine Garage verlegt. In der Aufzeichnung gut zu hören: Kleine Kinder, die auf der Jagd nach Autogrammen johlen und kreischen.
Allerdings hat sich der SC Paderborn nicht mit seinem Stadion, mit seinem Etat oder seinem Trainingsplatz für die erste Bundesliga qualifiziert, sondern mit seiner spielerischen Qualität. Und die, das betonte Breitenreiter nach seiner dramatischen Bundesliga-Premiere als Trainer stolz, habe sein Team nachgewiesen: "Heute hat jeder in Deutschland gesehen, dass Paderborn in diese Liga gehört."
Kachunga mit historischem Treffer
Nun muss ein Punkt gegen Mainz nicht zwingend ein Beweis dafür sein. Der FSV hat katastrophale Wochen hinter sich mit dem Europapokal-Aus gegen Asteras Tripolis und der Pokalblamage gegen Drittligist Chemnitzer FC, der neue Trainer Kasper Hjulmand steht bereits in der Kritik. Und auch in Paderborn schafften es die 05er zunächst nicht, den Neuling ernsthaft in Gefahr zu bringen. Allein der Schlitzohrigkeit von Shinji Okazaki war es zu verdanken, dass es nach 34. Minuten plötzlich 0:1 stand. Bei einem Freistoß von Johannes Geis irritierte der Japaner zunächst Torhüter Lukas Kruse, scharwenzelte sich dann punktgenau aus dem Abseits heraus, um beim Abpraller goldrichtig zu stehen.
Es folgte das erste Indiz für die Paderborner Ligareife: Die Hausherren schlugen bei der erstbesten Chance zurück. Geis' missglückten Abwehrversuch nahm Elias Kachunga auf und jagte den Ball an Loris Karius vorbei ins Netz. Eine historische 37. Minute, der erste Bundesliga-Treffer überhaupt für den SC Paderborn. Sonst gelang dem Stürmer nicht viel, die Standing Ovations und Sprechchöre bei seiner Auswechslung in der 76. Minute hatte er trotzdem sicher.
Hünemeier wird zum tragischen Helden
Das zweite Indiz: Nach der Pause übernahm Paderborn die Kontrolle, setzte die Mainzer Defensive besonders über den agilen Süleyman Koc unter Druck. Große Chancen blieben Mangelware – und trotzdem fiel in der 87. Minute der Führungstreffer. Der Kapitän Uwe Hünemeier, Innenverteidiger von Beruf, sprintete in den Strafraum und wuchtete den Ball ins Tor. 2:1, der perfekte Saisonbeginn war zum Greifen nahe.
Dumm nur, dass die Hausherren dann doch noch spielten wie die Grünschnäbel. Statt Tempo aus der Partie zu nehmen, schalteten sie nach Ballgewinnen gleich auf Angriff und drückten auf das 3:1 – das, so ganz nebenbei, die Tabellenführung bedeutet hätte. Den Überschwang bezahlte der Aufsteiger teuer. Torschütze Hünemeier schätzte Okazakis Geschwindigkeit falsch ein, rammte den Japaner im Strafraum um - Elfmeter und Ausgleich in letzter Sekunde.
Trainer André Breitenreiter versuchte, den Nackenschlag positiv zu deuten: "Ich bin sehr zufrieden, gerade wenn man bedenkt, dass wir enttäuscht sind, heute nicht drei Punkte geholt zu haben." Nun wartet der HSV, zu dem die Paderborner laut Breitenreiter "mit breiter Brust" reisen. "In den letzten Minuten hätten wir mehr den Ball halten müssen, aber den Fehler machen wir nicht nochmal. Wenn wir dann wie heute mit einem guten Plan spielen, können wir überall punkten." Auch als krassester Außenseiter der Bundesliga-Geschichte.
Quelle: ntv.de