Fußball

Vor drei Monaten tobte er noch Dieser Abschied war nicht Löws Idee

Fritz Keller und Joachim Löw sind sich einig: Joachim Löw sollte nach der EM nicht mehr Bundestrainer sein.

Fritz Keller und Joachim Löw sind sich einig: Joachim Löw sollte nach der EM nicht mehr Bundestrainer sein.

(Foto: imago images/Schüler)

Joachim Löw hört nach der EM beim DFB auf. Der Bundestrainer, so verkündet er es selbst, habe diesen Entschluss getroffen, "ganz bewusst und voller Stolz". Dabei ist die Idee, es so enden zu lassen, älter. Und sie kam vom DFB-Präsidenten. Löw empörte der Gedanke vor Kurzem noch mächtig.

Nun ist es raus und es kam dann doch überraschend, zumindest zu diesem Zeitpunkt: Der Abpfiff des letzten Spiels der Europameisterschaft im Sommer wird Joachim Löw vielleicht zum Fußball-Rentner machen, mindestens aber seine Ära als Bundestrainer beenden. Löw verkündete, dass dann Schluss ist für ihn beim DFB, unabhängig davon, ob es nach diesem letzten Kampf einen Pokal oder wenigstens eine Medaille oder doch nur wieder Ärger, Spott und Häme geben wird, wie nach der desaströsen WM 2018 oder dem völlig ernüchternden 0:6 Ende 2020 in Spanien. Der Bundestrainer erfüllt damit, das geht durch Art und Zeitpunkt der angekündigten Abdankung unter, wohl den Wunsch von DFB-Präsident Fritz Keller - wenn auch mit deutlicher Verspätung.

Im Dezember schon machte eine Nachricht die Runde, dass Keller mehrfach eine vorzeitige Vertragsauflösung mit Löw nach der EM 2021 ausgelotet habe. Einmal sogar in einem persönlichen Telefonat mit dem Bundestrainer (Vertrag bis 2022), der den Vorstoß brüsk abgelehnt haben soll. Nach Informationen der "Bild" habe Löw "pikiert" reagiert und in "sehr dominantem und selbstsicherem Ton sein Unverständnis" darüber geäußert, dass er "jetzt infrage" gestellt werde.

Keller war machtlos entblößt

Lange, quälend zähe Tage hatte es nach dem Offenbarungseid gegen Spanien gedauert, bis sich der DFB und sein leitender Angestellter zur Analyse und zur Beratung treffen wollten. Statt die inhaltlichen Ergebnisse der Gespräche zu kommunizieren, verkündete man handstreichartig nach dem Gipfel, an dem auch Löw und Keller teilgenommen hatten, dass der Bundestrainer natürlich Bundestrainer bleibt. Verkündet wurde, dass die DFB-Spitze sich "einvernehmlich" pro Löw ausgesprochen habe.

Dabei soll Keller nochmals im Präsidialausschuss und später bei der Präsidiumssitzung in der Angelegenheit vorzeitige Ablösung vorgefühlt haben. Es fehlte ihm jeweils die Unterstützung. Dieser Umstand und die Tatsache, dass solche pikanten Informationen an die Öffentlichkeit gelangten, schwächten die Position des umstrittenen Keller im DFB. Der offiziell mächtigste Funktionär im deutschen Fußball war seinerzeit in einem Medienbericht als ziemlich machtlos entblößt worden. Besonders brisant für Keller war folgender Satz der "Bild"-Zeitung: "Am Ende stand Keller mit seinem 2021-Vorschlag alleine da."

Nun, nur drei Monate nach dem für ihn eher schmeichelhaft verlaufenen Gipfeltreffen, entschied sich Löw doch noch für eine Konsequenz. Neue Gründe für einen vorzeitigen Rücktritt gibt es nicht, wenigstens nicht öffentlich. Alles, was man dem Bundestrainer ankreiden kann - enttäuschende Ergebnisse, ein arg schleppend verlaufender Umbruch, Kritik aus dem Verband und in der Öffentlichkeit, mangelhafte Kommunikation und das sture Festhalten an überholten Überzeugungen - lagen auch 2020 schon auf dem Tisch.

"Da herrscht Explosionsgefahr"

Für Löw war das im Winter kein Grund, etwas - oder gar sich selbst - infrage zu stellen: "Wir folgen unserer roten Linie und wir sind auch davon überzeugt, dass es eine gute Entwicklung gab und geben wird", sagte Löw in einem Videogespräch und betonte: "Es gibt keinen Grund, alles über den Haufen zu werfen." Stattdessen warf er dem DFB vor, dass rund um den Termin Dinge vorgefallen seien, "die so nicht in Ordnung waren". Löw äußerte gegenüber dem Verband den Wunsch nach "Geschlossenheit und Vertrauen". Denn: "Da herrscht Explosionsgefahr bei mir, wenn Dinge nach außen gehen, die nicht nach außen gehören!" Gedanken an einen Rücktritt habe es bei ihm "nie gegeben".

Gründe für den Sinneswandel, kaum 100 Tage später, nannte Löw in seiner ersten Mitteilung nicht, der 61-Jährige verriet nur, er gehe "diesen Schritt ganz bewusst, voller Stolz und mit riesiger Dankbarkeit, gleichzeitig aber weiterhin mit einer ungebrochen großen Motivation, was das bevorstehende EM-Turnier angeht."

Für den ntv-Experten und "11 Freunde"-Chefredakteur Philipp Köster ist der Abgang mit Verzögerung ein "Abtritt in Würde aber ohne Eile". Löw habe sich "nicht drängen lassen" wollen, "richtig beleidigt" sei er gewesen, als ihm die jetzt verkündete Lösung aus der Verbandsspitze - von Keller - angetragen worden war. Nun exekutierte Löw, der sich noch im Dezember völlig unbeeindruckt von Rücktrittsforderungen, von Kritik an sich gegeben hatte, also den Vorschlag aus der DFB-Führung.

Und Keller gratuliert artig mit großen Worten: "Ich habe großen Respekt vor der Entscheidung von Joachim Löw. Der DFB weiß, was er an Jogi hat, er ist einer der größten Trainer im Weltfußball." Nun entschied Löw auf eigenen Wunsch doch noch nach Kellers Vorstellungen.

Quelle: ntv.de

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