Fußball

Uli Stein glaubt wieder an Hamburg "Drei Teams sind schlechter als der HSV"

Der HSV hat noch viel Arbeit vor sich, aber ein Absteiger ist der Verein auch in dieser Saison nicht, meint Uli Stein.

Der HSV hat noch viel Arbeit vor sich, aber ein Absteiger ist der Verein auch in dieser Saison nicht, meint Uli Stein.

(Foto: picture alliance / dpa)

Zwei Jahre hintereinander nur in der Relegation die Klasse gehalten - der Hamburger SV sollte daraus gelernt haben. Aber dann folgen das peinliche Pokal-Aus und die noch peinlichere "Rucksack-Affäre". Nun warten die Bayern. Wie lange ist Bruno Labbadia noch Trainer? Wo landet der HSV am Saisonende? Wie kann der Verein sein ramponiertes Image wieder kitten? Vereinsikone Uli Stein verrät es im Interview mit n-tv.de.

n-tv.de: Herr Stein, neue Saison, altes Leid: Der HSV präsentiert sich pomadig und ohne Biss, scheidet gegen einen Viertligisten in der ersten Pokalrunde aus. Wie kann so etwas passieren?

Uli Stein: So etwas kann immer passieren. Das gab es auch schon zu meiner Zeit beim HSV. Damals sind wir gegen Geislingen rausgeflogen und da hatte die Mannschaft eine ganz andere Qualität als die heute. Der Pokal hat halt seine eigenen Gesetze (lacht).

War das für die Mannschaft der Weckruf zur rechten Zeit?

Ich denke, ja. Der HSV wird sicher keine ruhige Saison haben, aber ich gehe auch davon aus, dass der Verein nichts mit dem Abstieg zu tun haben wird. Der HSV müsste aus den vergangenen beiden Jahren gelernt haben - auch wenn es gerade nicht so den Anschein macht nach dem Pokalauftritt in Jena. Aber selbst da waren erste gute Ansätze zu erkennen, es gab zwischendurch ein Aufbäumen einzelner Spieler. Das sind die, die den Erfolg unbedingt wollen. Wenn sich das noch auf den Rest der Mannschaft überträgt, wird der HSV sich in dieser Saison in ruhigerem Fahrwasser bewegen.

Der personelle Umbruch ist eingeleitet. Rafael van der Vaart, Marcell Jansen, Heiko Westermann und Valon Behrami - um nur einige zu nennen - haben den Verein verlassen. Die namhaftesten Neuzugänge heißen Sven Schipplock und Emir Spahic. Reicht das?

Uli Stein im Dress des HSV 1983: Stein ist heute unter anderem Fußball-Experte bei RTL.

Uli Stein im Dress des HSV 1983: Stein ist heute unter anderem Fußball-Experte bei RTL.

(Foto: imago sportfotodienst)

Das hängt davon ab, welche Ziele man hat. Die Neuen sind qualitativ gute Verstärkungen, keine Frage. Aber es ist zu wenig, wenn man die Ansprüche des HSV kennt. Der Verein will in naher Zukunft wieder ins ganz große Geschäft, dafür reicht es bei Weitem noch nicht. Aber das ist natürlich auch eine Frage des Geldes.

Gotoku Sakai aus Stuttgart und der Ex-Leverkusener Spahic wurden für die Abwehr verpflichtet. Dazu wurden noch zwei Eigengewächse in den Profikader berufen. Ist die Abwehr nach 50 Gegentoren in der Vorsaison damit sattelfester?

Nein, ich glaube nicht. Das Spiel in Jena ist der Beweis und hat die Mängel aufgezeigt. Hinten war und ist der HSV anfällig. Da muss der Klub noch etwas tun.

Spahic gilt zudem als Heißsporn, unbeherrscht. Deshalb trennte sich Leverkusen von ihm. Stellt er damit nicht auch ein Risiko für das HSV-Team dar?

Das denke ich nicht. Der Fußball braucht und lebt gewissermaßen auch von solchen Typen. Wobei ich klar sagen muss, die Sache in Leverkusen war nicht akzeptabel. Aber von seiner Einstellung her, immer gewinnen zu wollen, nie aufzugeben, ist er natürlich einer, der den HSV weiter nach vorn bringen kann.

Das Hauptproblem des HSV war der Sturm mit nur 25 Treffern in der Vorsaison. Trotz der Neuverpflichtungen wie Schipplock oder Michael Gregoritsch ruhen alle Hoffnungen wieder auf Pierre-Michel Lasogga, der nur vier Tore in der abgelaufenen Spielzeit geschossen hat. Hätte der HSV im Angriff mehr tun müssen?

Das ist natürlich auch eine Frage der Möglichkeiten. An wem war der HSV noch dran? Hat man noch nach weiteren Angreifern Ausschau gehalten? Aber die Situation im Sturm ist auf jeden Fall schon einmal besser als in der letzten Saison. Da hatte man quasi nur den Stürmer Lasogga. Wenn der verletzt war, stand der HSV ohne Angreifer da. Jetzt hat der Verein da zumindest schon Alternativen geschaffen. Und Lasogga hat ja gezeigt, dass er heiß ist. Er kam mit fünf bis sechs Kilo weniger aus dem Urlaub.

Zum Bundesligaauftakt warten die Bayern auswärts, die letzten fünf Partien gingen verloren, Tordifferenz 3:31. Gibt es wieder eine Klatsche beim Rekordmeister?

Von den Zahlen ist das eine klare Sache. Aber der HSV kann völlig unbeschwert in München aufspielen. Nach dem peinlichen Pokal-Aus sind die Erwartungen sehr gering. Man erwartet wieder eine klare Niederlage. Also hat der HSV nichts zu verlieren. Das ist aber auch eine Kopfsache. Wenn sie sich da freimachen können, kann sicherlich auch ein gutes Ergebnis herausspringen. Wenn sie aber mit der Einstellung wie beim Viertligisten Jena auf den Platz gehen, dann kann das wieder ein Debakel geben gegen München.

Drei Auswärtsspiele binnen vier Partien zum Bundesligaauftakt: Dabei muss der HSV auch noch nach Köln und zum Geheimfavoriten Gladbach. Wie lange ist Bruno Labbadia eigentlich noch HSV-Trainer?

(Lacht) Das werden die Ergebnisse zeigen. Es ist sicherlich kein leichtes Programm. Und wenn es dann doch wieder eine Klatsche bei den Bayern gibt, ist danach natürlich alles möglich. Dann wird das Umfeld unruhig, das überträgt sich dann auf die Mannschaft. Bei den Wettanbietern ist Labbadia ja eh der heißeste Kandidat auf den ersten Trainer-Rauswurf. Daran erkennt man schon, was die Leute erwarten.

Der HSV verdankt Labbadia - neben Schiedsrichter Manuel Gräfe im Relegationsrückspiel in Karlsruhe - den Nichtabstieg. Dennoch ist er nicht als Konzepttrainer bekannt. Und genau das sucht der HSV doch eigentlich, oder?

Das kann ich nicht genau sagen. Aber wenn man sieht, an welchen Trainern der HSV in der Vorsaison dran war, kann man durchaus zu diesem Schluss kommen. Ich glaube nicht, dass Labbadia der Wunschtrainer war, eher eine Notlösung, weil man keinen anderen Trainer bekommen hat oder keiner sich den Verein in der damaligen Situation antun wollte. Thomas Tuchel wurde ja ganz heiß gehandelt. Aber ohne Labbadia, das ist vollkommen richtig, wäre der Verein sang- und klanglos aus der Bundesliga abgestiegen. Er hat also einen guten Job gemacht, muss man fairerweise sagen. Aber bei so einem Anfangsprogramm wie in dieser Saison, wenn es da nicht gleich läuft, ist das auch alles schnell vergessen. So ist der Fußball!

Nun spielt der HSV dank Mäzen Klaus-Michael Kühne wieder im Volkspark-Stadion. Das schmeichelt den Fans sicher. Dennoch ist das Image des Liga-Dinos ramponiert. Nicht wenige Fußballfans wünschen dem Verein den Abstieg. Selbst "Die Zeit" schrieb: "Steigt endlich ab." Wie kann der HSV Sympathien zurückgewinnen?

Ganz einfach, in dem der Verein sein Erscheinungsbild in der Öffentlichkeit grundsätzlich ändert.

Da kommt die "Rucksack-Affäre" von Peter Knäbel mit den Gehaltsunterlagen ja gerade recht …

Ja, absolut! Der HSV stolpert von einer Peinlichkeit in die nächste. Das ist ein Riesenproblem, das schnell abgestellt werden muss. Mit etwas mehr Seriosität kann der Klub ganz schnell Sympathien zurückgewinnen. Davon bin ich überzeugt, denn der HSV ist und bleibt ein Traditionsverein, der Dino der Liga.

Prognosen sind zu Saisonbeginn ja immer schwierig. Wagen Sie dennoch eine - welchen Tabellenplatz hat der HSV am Saisonende inne?

Auf jeden Fall keinen Abstiegsplatz, da bin ich sicher. Und das gilt auch unabhängig von der Leistung des HSV, denn der Verein hat wieder Glück, dass es mindestens drei schlechtere Mannschaften gibt. Sie werden aber da unten mitspielen, landen dann am Ende zwischen Rang 10 und 15. So schätze ich den HSV in dieser Saison ein.

Wer wird denn Ihrer Meinung nach in dieser Spielzeit in die Relegation müssen?

Die beiden Aufsteiger Ingolstadt und Darmstadt sind heiße Kandidaten. Sie werden Riesenprobleme kriegen. Bei Ingolstadt hat man das bereits im Pokal in Unterhaching gesehen, da ist das spielerische Potenzial einfach zu begrenzt. Das wird einfach nicht reichen für die Bundesliga. Bei Darmstadt finde ich super, was sie bisher geleistet haben. Sie werden die eine oder andere Überraschung schaffen, auch wegen der Euphorie und des Kampfeswillens - aber am Ende wird es nicht reichen. Und dann sind Hertha BSC und Hannover 96 für mich zwei ganz heiße Kandidaten, die unten mitspielen werden.

Wer wird Meister?

Die Bayern werden sich durchsetzen am Ende. Aber es wird diesmal kein Selbstläufer. Sie werden nicht so durchmarschieren wie in den vergangenen beiden Spielzeiten. Wolfsburg, Gladbach und vielleicht auch Leverkusen werden ihnen in dieser Saison mehr Paroli bieten können. Zudem wird es in München auch darauf ankommen, wie schnell der Verein die Unruheherde der letzten Wochen ausschalten kann.

Und wer könnte positiv überraschen - ähnlich wie Augsburg letzte Saison?

Überraschen könnten die Schalker. Da ist mit Andre Breitenreiter endlich ein Trainer am Werk, der die Stärken der Mannschaft erkannt hat, der offensiv spielen lässt. Da ist einiges möglich in dieser Saison.

Und bei Eintracht Frankfurt, für die Sie ja auch jahrelang im Tor standen, was ist da drin mit dem alten neuen Trainer Armin Veh?

Da ist wieder alles drin. Ich sehe die Frankfurter so zwischen Platz sieben und zehn. Wenn es sehr gut läuft, ist auch Platz sechs drin und damit die Europa League.

Mit Uli Stein sprach Thomas Badtke

Quelle: ntv.de

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