Kulttrainer Hans Meyer wird 75 "Einige Spieler sind in Tränen ausgebrochen"
03.11.2017, 08:41 Uhr
Prost, Hans Meyer!
Medien und Fans liebten den Trainer - die Spieler nicht immer. Hans Meyers launige Sprüche sind ins Gedächtnis von 55 Jahren Fußball-Bundesliga eingegangen. Mit den schönsten Bonmots des Kulttrainers gratuliert unser Kolumnist zum 75. Geburtstag.
Der Mann hat offenbar ein geordnetes Leben: "Ich gehe in keine Spielbank, kaufe keine Schweinefarm, wo mir die Schweinepest später alles kaputtmacht. Ich mache keine Weltreisen, gebe keine Party für 50.000. Ich gehe alle vier Jahre mal für 5000 Mark Klamotten einkaufen, das war's." Und auch in seinem Beruf schien immer alles am rechten Platz zu sein: "In schöner Regelmäßigkeit ist Fußball doch immer das Gleiche." Wären da nicht die Fans: "Ihr wisst ja, beim Geschlechtsverkehr dürft ihr mich immer stören, aber bei der Fresserei ist es einfach scheiße!"
Dabei bringt Hans Meyer sonst eigentlich wenig aus der Fassung: "Ich bin geduldig. Ich kann auf Siege warten. Mit meinem Geduldsfaden kann man Tauziehen veranstalten." Doch am liebsten mag er es bequem: "Wenn kein Gegner mehr da ist, ist Fußball richtig schön." Und spritzig: "Luka Modric macht Dinge mit dem Ball, da fängt mancher Trainer vor Freude an zu onanieren."
Trainerkarriere startet in Jena
Die Trainerlaufbahn von Hans Meyer begann zu Zeiten der DDR. Als er viele Jahre später mit einem Verein nach Düsseldorf kam, dachte er zurück an das Jahr 1981. Damals spielte sein Team Carl Zeiss Jena gegen Dinamo Tiflis: "Ich bin heute noch nicht darüber weg, dass wir damals das Europacup-Finale in Düsseldorf verloren haben. Aber zum Glück reißen sie ja das Rheinstadion jetzt ab."
In jener Saison waren die Jenenser im Europapokal auch bei Benfica Lissabon angetreten. Hans Meyer besorgte sich ein paar portugiesische Zeitungen, in denen Artikel über Carl Zeiss Jena standen: "Dann habe ich so getan, als hätte ich sie übersetzt: 'Die Roboter aus dem Osten - können zwar rennen, aber fußballerisch sind sie blind. Wer in so einem System aufwächst, kann keine Kreativität entwickeln.' Solche Sachen. Nichts davon stand wirklich da, aber es war eine schöne Zusatzmotivation. Wir haben gewonnen und standen im Europapokalfinale."
Eine tolle Zeit damals in Jena. Seine Trainerstation bei Rot-Weiß Erfurt würde er hingegen im Nachhinein lieber vergessen: "Die Fußballer in Jena haben immer gewürfelt oder Karten gespielt. In Erfurt komme ich in den Speisesaal, da spielen zwölf Spieler Schach. Die waren zu klug für Fußball." Seinen Wechsel nach Erfurt hatten ihm zudem die Jena-Fans übel genommen. Sie demolierten seinen Wartburg und pinselten ihn mit Parolen wie "Meyer, du wirst sterben" voll. Als ein Journalist wissen wollte, wie man denn erkennen konnte, dass es sich um sein Fahrzeug handelte, antwortete Meyer: "Ich hatte damals draufgeschrieben: 'Ich bin dem Hans sein Auto.'"
Gladbach wächst zur großen Liebe heran
Nach der Wende kehrte Meyer mit einem Team nach Portugal zurück. Trainingslager in der Sonne. Unter einem Apfelsinenbaum stehend, lächelte er seine Spieler an: "Vierzig Jahre keine Südfrüchte - und jetzt das!" Dabei war das neue Leben für alle gewöhnungsbedürftig: "Das Profigeschäft ist hart und die Umwandlung des DDR-Sports geschieht wie in der Wirtschaft. Aber zum Glück haben wir keine Treufußanstalt!"
Nach drei Jahren in den Niederlanden bei Twente Enschede wechselte Meyer 1999 zu Borussia Mönchengladbach. Endlich angekommen in der Bundesliga - wenn auch nur in der zweiten. Doch die Verhältnisse, die Meyer vorfand, waren ohnehin alles andere als erstligareif: "Unser Trainingsplatz lag so weit draußen - wenn du da angekommen bist, musstest du erst mal mit ein paar Stöcken die Wölfe verjagen!" Damals sagte Meyer den schönen Satz: "Ich bin auch nur ein Passant, der den Verein ein Stück begleitet."
Als sich die Erfolge einstellten, wollte die Presse von ihm wissen, warum es denn im Moment so gut bei der Borussia laufe. Meyer antwortete: "Seit drei, vier Wochen haben die Spieler keine Angst mehr vor mir." Er verlängerte seinen Vertrag und verkündete hinterher: "Wir mussten das Training abbrechen, weil einige Spieler in Tränen ausgebrochen sind."
In diesen Jahren stieg Hans Meyer zum Kulttrainer auf. Die Gladbach-Anhänger feierten die gemeinsamen Erfolge, aber fast ebenso die originellen Sprüche ihres Trainers. Auf der Pressekonferenz nach einem Spiel in Hamburg bedankte sich Meyer für die Unterstützung auf seine Art: "Bemerkenswert finde ich die Tatsache, dass 3000 unserer Fans in St. Pauli waren, und davon waren höchstens 2000 wegen der Reeperbahn da."
Das Spiel mit den Medien
Die Medien lernten Meyer in dieser Zeit lieben, auch wenn es immer wieder Reibereien mit der Boulevardpresse gab. Als diese eskalierten, ging Meyer lieber auf Nummer sicher: "Ich habe einen Zahnarzttermin, bekomme ein neues Gebiss. Ich werde nicht beim Training sein. Schreibt deshalb nicht, ich wäre gefeuert." Offen kritisierte er Journalisten, die ihn mit Standardfragen aus dem Presse-Satz-Baukasten nervten: "Stellen Sie sich vor, Sie sind Trainer, haben ein Spiel gewonnen und werden gefragt: Herr Schäfer, was geht jetzt in Ihnen vor? Ehrlicherweise müssten Sie dem doch sagen, dass Sie mit dem Gedanken spielen, ihn zu erwürgen."
Dennoch liebte er das Spiel mit den Medien. Nach einem 1:0 gegen Bayern München im ersten Saisonspiel sagte er: "Wenn ich mit dem System Weihnachten im gesicherten Mittelfeld bin, dann können wir drüber reden. Aber nach einem Spieltag werde ich mich hüten, meinen Kopf so weit aus dem Fenster zu halten. Doch wenn Sie schreiben, Hans Meyer hat ganz alleine gewonnen, dann haben Sie natürlich Recht."
Den Sieg gegen die Bayern zelebrierte Meyer auf seine Weise: "Jetzt gehe ich erst einmal nach Hause und mache ein Fläschchen von dem Sechs-Mark-Sekt auf. Wir sind nämlich arme Leute und kaufen bei Aldi." Wobei eigentlich weniger das Geld das Problem war, sondern etwas anderes: "Wenn ich eine ganze Flasche Rotkäppchen getrunken habe, wurde meine Frau danach regelmäßig schwanger."
Gerüchte lassen Meyer kalt
Nach der Saison 2008/09 beendete Hans Meyer seine Karriere als Trainer – ein gut überlegter Schritt: "Wenn du Fußball machst, dann lässt dich der Beruf nicht mehr frei. Man entwurzelt sozial ein bisschen. Geh' mal abends ins Theater, wenn du dreimal verloren hast. Da bist du ein Laune-Schreck." Im Nachhinein kam für ihn der Schritt, mit 66 in Rente zu gehen, fast zu spät. Aber das konnte er erst hinterher wissen: "Ich habe aufgehört, als ich eigentlich noch ein Jahr Vertrag hatte. Dann habe ich eine Weltreise gemacht und bin mit einem Schiff von Tahiti nach Französisch-Polynesien gefahren. Nicht so ein Luxusdampfer, auf dem alle schon den Totenschein in der Tasche haben, sondern ein ganz normales Versorgungsschiff. In meiner Kabine habe ich in den Spiegel geschaut und mich gefragt: Mensch, Hans, warum nicht eher?"
Seinen Humor hat Meyer auch als Rentner nicht verloren. Als 2011 Gerüchte aufkamen, er würde noch einmal einen Verein übernehmen, antwortete Meyer auf seine typische Art: "Ich kehre nur dann noch einmal auf die Trainerbank zurück, wenn der FC Barcelona anruft und mich Otto Rehhagel vorlässt." Alles Gute zum 75. Geburtstag dem sympathischen Sprücheklopfer und Erfolgstrainer Hans Meyer und ein herzliches Glück auf!
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Quelle: ntv.de