Fußball

Spieler beschimpft und beworfen Schalke-Kapitän entsetzt: "Lassen uns wieder abschlachten"

Schalkes Fußballer kassierten die nächste Standpauke von den eigenen Fans.

Schalkes Fußballer kassierten die nächste Standpauke von den eigenen Fans.

(Foto: IMAGO/RHR-Foto)

Für Fußball-Zweitligist Schalke 04 bleibt der Sturz in die Drittklassigkeit ein drohendes Szenario. Die Königsblauen verlieren das muntere Prestige-Duell bei Hertha BSC deutlich und sind der Abstiegszone gefährlich nah. Kapitän Simon Terodde sieht dringend Redebedarf.

Wenn beim FC Schalke 04 in dieser Saison etwas funktioniert, dann sind es die Klartext-Reflexe nach deutlichen Abreibungen. Das Problem an der dauerhaften Selbstkritik der Königsblauen: Richtig nachhaltig ist sie nicht. Bei Mitabsteiger Hertha BSC gab es an diesem Sonntagnachmittag den nächsten Nachweis dafür. Mit einem 2:5 (2:3) geht's zurück nach Gelsenkirchen. Mit im Gepäck: wieder verschärfte Abstiegssorgen. Gerade mal zwei Punkte dünn ist das Polster auf Hansa Rostock auf dem Relegationsrang, drei Zähler sind es auf Eintracht Braunschweig, derzeit auf dem ersten Platz, der direkt in die 3. Liga führt. Ein Horrorszenario für die Schalker.

Dabei hatten sie in dieser Woche, vor der Reise nach Berlin, noch gute Nachrichten erhalten. Der finanzielle Kollaps beim Klub war (vorerst) abgewendet worden: Die Stadt hatte darauf verzichtet, ihre Investitionen in die Arena und den Verein zurückzuziehen. Der Hauptausschuss stimmte am Donnerstag einem entsprechenden Eilantrag zu. Die Zeit war knapp gewesen, weil der Traditionsklub bis Freitag die Unterlagen für die Lizenzierung einreichen musste. Es ging laut "WAZ" um rund 35 Millionen Euro, die die Stadt und ihre Tochtergesellschaft Stadtwerke in den Klub und dessen Stadion gesteckt haben. Sportlich konnten die Fußballer nicht mit einer erleichternden Leistung nachziehen. Es bleibt düster im Keller. Es bleibt bedrohlich für den FC Schalke 04.

Nach der Länderspielpause geht es gegen den Karlsruher SC weiter. Der hatte sich an diesem Sonntag in einen Rausch gespielt und den 1. FC Magdeburg mit 7:0 vermöbelt. Ausgerechnet jene Magdeburger, die die Schalker vor wenigen Wochen noch vorgeführt hatten und beim Krisen-Klub alle Alarmglocken schrillen ließen. Wieder einmal. Auf das 0:3-Fiasko, das in der Art und Weise noch viel schlimmer war als im Ergebnis, gab es eine große Aussprache des Teams. Ohne Trainer Karel Geraerts. Der war nach der Blamage unter Druck geraten und hatte sich einiges gefallen lassen müssen. Eine Spielidee sei nicht erkennbar, die Mannschaft lasse zu oft Tugenden wie Zweikampfhärte oder Laufbereitschaft vermissen. In manchen Medien war der Belgier bereits tüchtig angezählt worden. Es folgte ein großer Sieg gegen Tabellenführer FC St. Pauli und Bekenntnisse zum Trainer. Und nun?

"Es ist ein Debakel gewesen"

Mindestens mal großes Gerede. Im nervösen Umfeld sowieso, aber auch in der Mannschaft. Dieses Mal war es Doppeltorschütze und Kapitän Simon Terodde, der aussprach, was in dieser extrem turbulenten Saison niemand begreifen kann. "Wenn man sieht, wie wir die Gegentore kassieren: Der Stürmer muss nur den Fuß hinhalten. Das ist das extrem bitter. Wir schaffen es nicht, das Spiel offenzuhalten und lassen uns wieder abschlachten. Mit fünf Stück sind wir am Ende noch gut bedient", sagte er bei Sky: "Die Tabelle ist brutal eng. Es ist ein Debakel gewesen. Wir müssen uns nun hinterfragen, wir haben einiges aufzuarbeiten." Wieder einmal. Wo waren an diesem Sonntag der Mut, die Stabilität, die Leidenschaft, mit der St. Pauli hergespielt worden war und mit dem sich die Schalker in einem wilden Duell und großer Moral noch einen Punkt gegen Paderborn erkämpften?

Nun, immerhin funktionierten die Reaktionen ja bislang immer. Als Schalke Ende November mit 3:5 bei Fortuna Düsseldorf verlor und sich phasenweise tüchtig blamiert hatte, warf sich die Mannschaft via Brief an die Fans in den Staub. Unter anderem hieß es: "Nach einem Spiel, wie wir es am Samstagabend in den ersten 45 Minuten abgeliefert haben, entstehen bei uns allen Enttäuschung, Leere, Wut und Scham, weil wir wissen, dass das Schalke 04 nicht würdig ist." Darauf folgte ein klares 4:0 gegen den Tabellenletzten VfL Osnabrück. Als Kenan Karaman nach dem 1:4 gegen den 1. FC Kaiserslautern Ende Januar Klartext sprach, folgt ein extrem wichtiges 1:0 gegen formstarke Braunschweiger. Und nach der Blamage von Magdeburg eben die Befreiung gegen Pauli.

In Berlin war nun eigentlich alles bereitet, um nicht in den ewigen Trott dieser Saison zurückzufallen. Bis zu 15.000 Fans der Gelsenkirchener war im ausverkauften Stadion. Was für eine bemerkenswerte Kulisse für das Gipfeltreffen der Zweitliga-Giganten. Doch bereits kurz nach Anpfiff deutete sich an, dass dieser Nachmittag in der wilden Saison der Schalke einen prominenten Platz einnehmen wird. Nach zwei Minuten lagen die Gäste mit 0:1 hinten. Haris Tabakovic hatte getroffen. Terodde selbst konnte schnell kontern, 1:1 stand es dann nach fünf Minuten. Das Karussell nahm Fahrt auf. Wieder legte Tabakovic (13.) vor, wieder Terodde nach (27.). Das war es dann mit der Schalker Herrlichkeit. Die Herthaner zogen davon, Mittelfeldtalent Marten Winkler traf zweimal, Florian Niederlechner einmal. Ob es für die Berliner reicht, im Aufstiegskampf nochmal mitzureden? Fraglich.

"Ich möchte alle Schalke-Fans um Entschuldigung bitten"

Die Schalker hatten dieses Ziel vor der Saison ebenfalls ausgerufen. Mit der Euphorie einer starken Rückrunde in der Bundesliga, trotz Abstieg, sah man sich auf dem schnellsten Weg zurück ins Oberhaus. Und wurde dann noch schneller auf den Boden der Tatsachen gerissen. Der große Hoffnungsträger Thomas Reis musste gehen. Es ging schief, was schiefgehen konnte. Der Kader wurde schlecht zusammengestellt, das wurde André Hechelmann zum Verhängnis. Und weil die Finanzen so fürchterlich sind, konnte in der Winterpause kaum korrigiert werden. Nur Brandon Soppy kam. Der Außenverteidiger fehlte in Berlin angeschlagen. Für ihn rückte Henning Matriciani ins Team. Der Kultspieler der vergangenen Saison war allerdings eine große Schwachstelle. Nicht die einzige freilich, das ganze Team zeigte immer wieder katastrophales Abwehrverhalten und krasse individuelle Patzer. Mit 54 (!) Gegentreffern hat die Mannschaft aus Gelsenkirchen nun die anfälligste der gesamten Liga.

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Eine andere große Schwachstelle: die verheerende Auswärtsbilanz. Als einziger Klub im Unterhaus sind die Königsblauen noch sieglos auf fremden Plätzen, kassierte jetzt sogar vier Pleiten in Serie. Über die gesamte Spielzeit hinweg holte Schalke nur sieben Punkte auswärts - eine vergleichbar desaströse Bilanz weist sonst nur das abgeschlagene Schlusslicht VfL Osnabrück auf. Trainer Geraerts, für den es nun auch wieder ungemütlich werden dürfte und über den weiter diskutiert werden wird, bekannte nach dem nächsten Rückschlag: "Ich bin sehr geschockt über die erste Halbzeit. Eine Menge Spieler machen zu viele Fehler, das ist auf diesem Niveau zu viel. Ich möchte alle Schalke-Fans um Entschuldigung bitten für diesen Auftritt. Sie sind wieder mehrere Hundert Kilometer gereist, um uns zu unterstützen. Ich kann verstehen, dass sie sehr enttäuscht sind."

Die Anhänger hatten zuvor die Spieler vor der Kurve ausgepfiffen und beschimpft. Bierbecher sollen ebenfalls in Richtung der Fußballer geflogen sein. Terodde sendete noch einen flehentlichen Appell: "Die Leute, dies es können, müssen jetzt stabil bleiben», forderte Terodde. "Da darf es kein Einbrechen geben." Wenn beim FC Schalke 04 in dieser Saison etwas funktioniert, dann sind es die Klartext-Reflexe nach deutlichen Abreibungen. Es bleibt ein Horrorfilm, Ausgang ungewiss.

Quelle: ntv.de

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