Fußball

Tschüss, Angsthase! Wer soll diesen FC Schalke 04 noch verstehen?

Der Jubel muss raus.

Der Jubel muss raus.

(Foto: IMAGO/Nordphoto)

Tabellenführer FC St. Pauli erlebt sein blaues Wunder: Beim Krisen-Klub FC Schalke 04 kassiert die Mannschaft eine verdiente Pleite. Der Coach schlägt Alarm, während die Gelsenkirchener ihre große Befreiung genießen. Trainer Geraerts kann vorerst aufatmen.

Wer soll diesen FC Schalke 04 noch verstehen? Am vergangenen Wochenende blamieren sich die Königsblauen bis auf die Knochen noch mit 0:3 beim 1. FC Magdeburg, werden emotional bereits aus der 2. Fußball-Bundesliga hinauskomplimentiert und wünschen sich einen lauten Knall. Eine Woche später dann meldet sich das Team von Trainer Karel Geraerts mit einer Topleistung zurück und spielt Tabellenführer FC St. Pauli her. Am Ende heißt es 3:1 (1:0), das Polster auf die Abstiegsränge beträgt nun vorerst sieben Punkte. Noch wichtiger aber: Schalke hat wieder einmal das Stimmungspendel herumgerissen und bewahrt sich vor einer hitzigen Trainerdebatte.

Der Belgier, der das Amt erst Mitte Oktober von Thomas Reis übernommen hatte, war bereits angezählt worden. Zumindest öffentlich. Der 33. Trainer seit der Jahrtausendwende schien auch nicht der Richtige für diesen Klub zu sein, der längst zu einem gigantischen Verschlingungsmonster für Übungsleiter geworden ist. Geraerts ist nun vorerst einen großen Schritt vom Maul des Monsters zurückgetreten. Dafür hatte er seine Mannschaft nach drei Auswärtsniederlagen und absurd schlechten Leistungen auch mächtig umgebaut. Er hatte auf fünf Positionen gewechselt, das System umgestellt und den Sechser Ron Schallenberg zum Innenverteidiger umfunktioniert.

"Das ist viel Gelaber"

Dass der Belgier die Spieler nicht mehr erreiche, sei "völliger Quatsch", sagte Schallenberg, "das ist viel Gelaber." Eine überzeugende Leistung wie jene gegen die Hamburger untermauert diese These mit Fakten. Lange hatte man die Mannschaft nicht so stark gesehen. Die großen Veränderungen wirkten: Nicht nur spielten Topstürmer Simon Terodde und Bayern-Leihgabe Yusuf Kabadayi, die in die Startelf rückten, entscheidende Rollen, auch die kämpferische Einstellung stimmte. "Es hat richtig, richtig Bock gemacht. Wir haben mit viel Leidenschaft das Publikum wieder reingeholt", sagte Schallenberg. Terodde war an den beiden Toren von Matchwinner Kabadayi (44./73.) beteiligt, für die Entscheidung sorgte dann Kenan Karaman in der Nachspielzeit (90.+2).

Nach dem entscheidenden Tor brach das totale Chaos auf Schalke aus. Wie die Wilden fielen sie übereinander her, im Wissen, dass ihnen etwas Großes gelungen war. Groß bedeutet in diesem Fall aber auch nur, dass sie den schlimmsten Unfall der Saison womöglich doch noch abwenden können, den peinlichen Absturz in die 3. Liga. Flankiert von der bedrohlichen Frage, ob der Klub das überhaupt überleben könnte. Durch diesen Sieg wird sich aber auch nichts daran ändern, dass im Sommer vieles bis alles anders und besser werden muss. Schließlich sind nicht die unteren Tabellenregionen im Unterhaus das angestrebte Habitat der Königsblauen, sondern eigentlich soll es ja wieder Richtung 1. Bundesliga, Richtung Europapokal gehen.

Eine andere Welt, eine, die am Freitagabend keine Rolle spielte. "Gerade nach dem 2:1 mussten wir zittern, da hat St. Pauli alles nach vorne geschmissen", sagte Terodde bei Sky: "Wenn du dann das dritte schießt, das hat man am Jubel der Mannschaft und dem Staff gesehen, da ist ordentlich etwas abgefallen." Der Routinier wollte es danach noch ein bisschen krachen lassen. Am Vorabend seines 36. Geburtstags wollte der Rekordtorschütze der 2. Liga und Kapitän der Königsblauen einen ausgeben. "Das muss man sich gönnen. Es war ordentlich Druck auf dem Kessel. Wir haben zuletzt Angsthasenfußball gespielt. Schön, dass wir eine Antwort geben konnten."

"Vielleicht fühlt sich der ein oder andere zu sicher"

Schön vor allem für Geraerts. Der hatte sich einiges gefallen lassen müssen. Eine Spielidee sei nicht erkennbar, die Mannschaft lasse zu oft die Grundtugenden wie Zweikampfhärte oder Laufbereitschaft vermissen. Gerade das konnten die Schalker nun widerlegen. "Wir sind heute ins Risiko gegangen und haben mit Herz gespielt. Über die 97 Minuten gesehen haben wir uns den Sieg aber absolut verdient. Ich habe die Mannschaft so eingestellt, dass wir hoch pressen – und genau das haben wir getan", sagte der Belgier. "Nur so konnten wir gegen einen Gegner mit dieser hohen individuellen Qualität ankommen. Es war eine überzeugende Mannschaftsleistung von uns. Ich bin sehr stolz auf das Team nach einer intensiven Woche."

Dabei dürfte auch der Draht zwischen Trainer und Spielern intakt sein, auch das war ja hinterfragt worden. Mit ihrer intensiven und galligen Spielweise waren sie den Gästen mächtig auf den Keks gegangen. Und deren Coach schlug direkt Alarm. "Vielleicht fühlt sich der ein oder andere zu sicher und denkt an einen Durchmarsch", sagte Fabian Hürzeler und mahnte zu mehr Ernsthaftigkeit. Die Art und Weise beim Krisenteam aus Gelsenkirchen passte dem 31-Jährigen überhaupt nicht. "Schalke hat definitiv verdient gewonnen. Sie waren galliger und haben körperbetonter gespielt. Schalke hat einfach Fußball gespielt."

Der laute Knall in der Kabine

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Neben den Veränderungen bei Personal und Taktik war offenbar eine auch eine äußerst intensive Teamsitzung am vergangenen Montag elementar für die erstaunliche Auferstehung. "Das hat mit Sicherheit etwas gebracht", sagte Schallenberg. Rund zwei Stunden lang sollen sich die Spieler die Meinung gegeigt haben. Als Ergebnis dessen zeigte sich das Team so geschlossen wie lange nicht, auch die Auswechselspieler, darunter vier von Geraerts auf die Bank verbannte Akteure, die in der Vorwoche noch gespielt hatten, unterstützten die Elf auf dem Feld bedingungslos.

Und die gesamte Mannschaft konnte sich wieder einmal auf die Unterstützung von den Rängen verlassen. Für Terodde jedes Mal wieder ein besonderes Erlebnis. "Wenn du hier rein fährst ins Stadion. 60.000 – egal wie schlecht es läuft, die Schalker halten zusammen. Das ist extrem." So wie die Leistungsschwankungen der Mannschaft. Wer soll diesen FC Schalke 04 noch verstehen?

Quelle: ntv.de, tno

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