"Mission ist noch nicht beendet" Fieser Pinguin Blatter möchte geliebt werden
12.06.2014, 09:05 Uhr
Seit 1998 Fifa-Präsident: der Schweizer Sepp Blatter.
(Foto: AP)
Beim 64. Fifa-Kongress in São Paulo stellt Sepp Blatter seine erneute Kandidatur für das Amt des Präsidenten in Aussicht. Das schlechte Image rund um die zahlreichen Korruptionsfälle ignoriert der 78-Jährige gekonnt.
Krise, welche Krise? Das fragte Sepp Blatter vor drei Jahren, als sein Fußball-Weltverband in einem Korruptions-Sumpf zu versinken drohte. Am Mittwoch stellte er die Frage nicht, überspielte aber erneut gekonnt die Probleme. Ein paar pathetische Reden, in denen er allen Ernstes zu Ehrlichkeit und Integrität mahnte. Ein paar schön bebilderte Promo-Videos. Dann konnte der Magier seinen finalen Trick vollführen. Nach einer insgesamt mehr als sieben Stunden dauernden Sitzung war längst nebensächlich, um welche kritischen Punkte es eigentlich hätte gehen sollen. Er fühle eine "positive Stimmung", sagte Blatter vor den vollzählig anwesenden 209 Mitgliedsverbänden.
Einen Bonus von 750.000 US-Dollar würde jeder von ihnen ab dem nächsten Jahr erhalten. Und damit die Kontinentalverbände nicht enttäuscht sind, so Blatter, gibt es für sie sieben Millionen. Für das Förderprojekt "Goal" noch einmal 600.000 Euro. Toll wäre das doch, sagte Blatter, und forderte lauteren Beifall ein. Nur um sogleich kämpferisch zu verkünden: "Mein Mandat endet im nächsten Jahr, aber meine Mission ist noch nicht beendet. Zusammen werden wir eine neue Fifa schaffen. Ich bin bereit. Für das Spiel. Für die Welt." Bis zu seiner Abschlussrede hatte sich der Präsident beim Fifa-Kongress Zeit gelassen, um das zu verkünden, womit eh alle gerechnet hatten. Doch mit großem Applaus ging Blatters Show zu Ende.
Für Sepp Blatter war der 64. Fifa-Kongress im Transamerica Expo Center in São Paulo letztlich ein erfolgreicher, die Inszenierung geglückt. Die Abgesandten hatten am Nachmittag bereits mit großer Mehrheit die angedachten Alters- und Amtszeit-Beschränkungen abgelehnt, die Teil der Demokratiereform waren, die schon im Vorjahr beim Kongress auf Mauritius zu großen Diskussionen führten. Genaue Ergebnisse gab es nicht. Trotz eines Testlaufs des elektronischen Wahlverfahrens am Morgen wurde händisch mit Zetteln abgestimmt. All das war ganz im Sinne des 78-jährigen Schweizers, der im nächsten Jahr seine fünfte Amtszeit angehen könnte.
Fernanda Lima spendet Trost
Dabei war die Woche in São Paulo für Blatter bis dahin schlecht gelaufen. Noch am Dienstagabend brauchte er Aufmunterung, die er sich vor allem beim brasilianischen Model Fernanda Lima holte, das durch die Eröffnungszeremonie des Kongresses führte. Er wolle sich die Stimmung von einigen Schwierigkeiten nicht vermiesen lassen, mahnte Blatter sichtlich angegriffen und etwas zittrig, von einem Blatt Papier ablesend, seine Delegierten. Die Stimmung in Brasilien ist selbst für den seit 1998 amtierenden Präsidenten schwer einzuschätzen. Auch deshalb verzichtet er beim Eröffnungsspiel auf eine Rede, ebenso wie Staatspräsidentin Dilma Rousseff, die vor einem Jahr zu Beginn des Confederations Cup lautstark ausgepfiffen wurde. Zudem enthüllte die englische "Sunday Times" neue Korruptionsfälle rund um die Vergabe der WM 2022 nach Katar, bei denen sogar Franz Beckenbauer unter Druck geriet.
Zu guter Letzt hatten Teile der europäischen Delegation Blatter die Gefolgschaft für eine erneute Kandidatur verwehrt. Vor allem der englische und niederländische Verband gehen auf Konfrontationskurs. Da half es Blatter auch wenig, dass er die anderen Kontinentalverbände hinter sich weiß. Die asiatischen und afrikanischen Delegierten hatte der Zeremonienmeister gewieft hinter sich gebracht, indem er etwa gegen die rassistische Berichterstattung der englischen Presse wetterte. Die Europäer wollen hingegen einen Neuanfang. Zu sehr sei die Fifa unter Blatter und dessen Amtsvorgänger Joao Havelange in Verruf geraten. Der französische Uefa-Präsident Michel Platini, selbst unter anderem über seinen Sohn in Geschäfte mit Katar verwickelt, gilt als potentieller Gegenkandidat.
"Ein interplanetarischer Wettbewerb"
Doch Sepp Blatter ist schon länger renitent und resistent gegen die Kritik an seinem Verband. Er sieht die Fifa als Friedensstifter. Am Mittwoch schaltete er sich in den Konflikt zwischen Israel und Palästina als Vermittler ein, thematisierte den Waffenstillstand während des Ersten Weltkriegs, bei dem britische und deutsche Soldaten zwischen den Fronten an Weihnachten zusammen Fußball spielten und betonte mehrfach die Zusammenarbeit mit dem Nobelkomitee. Blatters Mission ist auch dann erst zu Ende, wenn er dessen Friedenspreis verliehen bekommen hat. In seiner Eröffnungsrede visionierte er sogar: "Eines Tages wird auch auf anderen Planeten gespielt werden und dann haben wir auch einen interplanetarischen Wettbewerb."
Wie weit sich die Fifa, die fast eineinhalb Milliarden Dollar auf der hohen Kante hat, von der realen Welt entfernt hat, war auch im Vorfeld des Kongresses im Grand Hyatt Hotel am Rio Pinheiros zu beobachten. Bewacht, als sei es ein Staatsbesuch, zeigte sich Blatter immer wieder nur kurz in der Lobby oder vor der Empfangshalle. Und genoss sichtlich den Trubel, für den die Sicherheitsleute um ihn herum sorgten. Nicht nur in diesen Momenten wirkt er immer ein bisschen wie der fiese Schurke Pinguin aus den Batman-Comics, der so sehr geliebt werden möchte. Tatsächlich ist Blatter in einem Kinofilm zu sehen - gespielt von Tim Roth und als fürsorglicher, honoriger Freund des Fußballs dargestellt. Also so, wie er sich sieht. Wenig verwunderlich. Den Film hat der Verband nicht nur finanziell mit rund 20 Millionen Dollar unterstützt, Blatter soll sogar am Drehbuch mitgewirkt haben.
Quelle: ntv.de