Real-Star Mbappé ist fassungslos Flicks fulminanter FC Barcelona "randaliert" in Madrid
27.10.2024, 08:05 Uhr
Augenscheinlich beseelt vor Glück: Hansi Flick.
(Foto: dpa)
Das ist mal eine Premiere im vielleicht größten Duell des europäischen Fußballs: Hansi Flick und sein FC Barcelona zerlegen Real Madrid mit hocheffektivem Fußball. Robert Lewandowski kann sich derzeit nur selbst stoppen, Madrids Kylian Mbappé leidet dagegen mehrfach.
Dieses Spiel ist immer etwas Besonderes. Und jeder, der es zum ersten Mal mitmacht, bekommt die Bedeutung des "Clasico" schon weit vor dem Anpfiff eingetrichtert. So etwa Kylian Mbappé, der neue Superstar von Real Madrid. Mit dem Teambus fuhren der Franzose und seine Kollegen durch ein enges Spalier zum Stadion. Sie fuhren durch dichten Pyro-Nebel, hörten lautstarke Anfeuerungen. Die berittenen Polizisten hatten reichlich Mühe, die emotionale Masse in Madrid unter Kontrolle zu halten. Was auch immer in dieser Saison war - zähe Auftritte, kritische Töne -, das Duell gegen den FC Barcelona verzeiht alles. Wenn es denn gewonnen wird.
Und genau das gelang Madrid nicht. Wobei das noch die Wahrheit in Schön ist. Nach über 90 Minuten standen die Königlichen mit wunden Wangen da, sie waren von Supertrainer Hansi Flick und dessen fulminantem Team mehrfach geohrfeigt worden. Mit 4:0 (0:0) gewannen die Katalanen das Spiel im Estadio Bernabeu. Das ist eine Abreibung, mit der so nicht zu rechnen war. Denn Real Madrid, so erzählt man sich ja immer, ist eben Real Madrid. Eine Kostprobe, was das bedeutet, hatte es zuvor in der Champions League gegeben. Die Königlichen hatten den BVB am Schopfe gepackt und aus einem 0:2 noch ein furioses 5:2 gemacht.
Großes Spiel von ter Stegens Vertreter
Aber solch eine Wiederauferstehung blieb nun aus. Weil Barça gnadenlos zustach und weil Mbappé genau das nicht tat. Er rannte ins Abseits, schoss knapp vorbei und scheiterte am ganz starken Inaki Pena, der den schwer verletzten Marc-André ter Stegen vertritt. "Wir haben es mit einem großartigen Beitrag von ihm auch geschafft, eine weiße Weste zu wahren", freute sich Flick. Er ist der erste Barcelona-Trainer seit elf Jahren, der bei seinem Debüt im wohl am meisten beachteten Duell Europas triumphierte. Ein 4:0 in Madrid gab es für Barça zuletzt im März 2022. In der 189. Auflage des spanischen Klassikers in La Liga stellte Barcelona vor 78.192 Zuschauern auf 75 Siege. Real bleibt weiter bei 79 Erfolgen, 35-mal trennten sich die beiden Spitzenteams unentschieden.
Beide Mannschaften verteidigten sehr hoch und setzten voll auf Risiko und Attacke. Es entwickelte sich ein offener und mitreißender Schlagabtausch mit Chancen im Minutentakt. In der 15. Minute wischte Pena einen Schuss von Jude Bellingham noch von der Linie, Mbappé hatte vorbereitet. Das war eine unfassbare Tat. Das Spiel hätte einen ganz anderen Verlauf nehmen können, denn die Königlichen waren bis hierhin das klar bessere Team. Und noch einen Wendepunkt verhinderte Pena. In der 61. und 64. Minute war er gegen den großen Pechvogel Mbappé zur Stelle. Real lag da gerade mit 0:2 hinten, Robert Lewandowski hatte binnen 141 Sekunden zweimal zugeschlagen (54./56.) und suchte verzweifelt nach einem Erfolgserlebnis, um Stimmung und Spiel noch mal richtig heiß zu machen. Es gelang nicht.
Marcus Sorg sorgt für Ärger
Barcelona erhöhte durch Lamine Yamal (77.) und einen feinen Heber des seit Wochen extrem starken Raphina (84.). Auf dem Weg zu diesem grandiosen Sieg leistete sich das Team auch noch ein paar vergebene Hochkaräter. Lewandowski drückte er etwa den Ball aus wenigen Metern an den Pfosten, dabei war das Tor frei (66.). Drei Minuten später schloss er viel zu überhastet ab. Madrid konnte das nicht nutzen. Bellingham verstolperte in guter Lage, Mbappé fehlte es weiter an Genauigkeit. Er konnte es selbst nicht fassen. Die TV-Regie fing ihn ein, wie er verzweifelt lachte. Es war nicht sein Abend. Und auch nicht der von Vinicius Junior, der am Montag zum ersten Mal Weltfußballer werden könnte. Der pfeilschnelle Brasilianer agierte am Samstagabend ebenfalls überhastet.
Für Ärger noch während der Partie hatte Flicks Co-Trainer Marcus Sorg, einst auch Assistent beim DFB-Team, gesorgt. Er brachte besonders Real-Coach Carlos Ancelotti gegen sich auf. Der Italiener richtete mit erhobenem Zeigefinger einige deutliche Worte an Sorg, wie auf den TV-Bildern zu sehen ist. "Mit Flick gab es kein Problem … aber einer seiner Assistenten hat sich bei den Feierlichkeiten nicht wie ein Gentleman verhalten. Ich habe ihm das gesagt und Flick hat dem zugestimmt", sagte Ancelotti zu der Szene. Nach dem vierten Tor war es an der Seitenlinie zu Tumulten gekommen. Offenbar hatte die Barça-Bank den Triumph etwas zu euphorisch gefeiert.
Knallharte Urteile in den Medien
Und so hallt dieses Debakel auf mehreren Ebenen mächtig nach. "Die Niederlage bereitet mir Sorgen", gestand Ancelotti, "aber wir müssen schnell aufstehen". Der Italiener, normalerweise unerschütterlich, bemühte die positiven Dinge an diesem Abend: "Die erste Halbzeit meiner Mannschaft hat mir gefallen. Daran müssen wir anknüpfen." Beim FC Barcelona brauchen sie im Rausch dieser unglaublichen Saison gar kein Pack-Ende zu suchen.
Sie machen bislang ja alles richtig. Unter der Woche haben sie dem FC Bayern richtig wehgetan und neben Real. Barça ist zurück im Kreis der europäischen Top-Elite, dank Supertrainer Flick. "Wir machen es sehr gut. Wir haben im Moment einen Flow und müssen so weitermachen. Wir haben ein fantastisches Spiel gemacht und sind stolz auf das Team. Jeder ist dem Plan, den wir ausgearbeitet haben, gefolgt und hat 100 Prozent gegeben." Welch ein erstaunliches Trainer-Comeback, nachdem er vor etwas mehr als einem Jahr als Bundestrainer krachend gescheitert war und sein Ruf in Deutschland schwer gelitten hatte.
Und die gewohnt emotionale Presse verneigt sich vor dem auferstandenen Riesen aus Katalonien. So schreibt die "Sport" etwa: "Nach dem Sieg gegen die Bayern verkündet der totale Fußball von Flicks Barça den Zustand der Euphorie unter den Barcelonistas und lässt die Alarmglocken der Blancos schrillen. Eine blanke Demütigung in Flicks erstem Clásico." Die "El Mundo" staunte: "Flick hat innerhalb weniger Monate aus einem fußballerisch toten Mann ein solides, mutiges und optimistisches Team gemacht." Die "Marca" fand: "Barca zerschmettert Madrid". Die internationalen Medien urteilen ebenfalls hart. "Real Madrid erleidet eine Demütigung: Barcelona randaliert im Bernabeu", schreibt die englische Zeitschrift "The Telegraph".
Der strahlende Flick hingegen blieb sachlicher. "Wir wussten, wie wir verteidigen mussten und sind unseren Ideen treu geblieben, obwohl Madrid uns nicht viel Raum gegeben hat", sagte der ehemalige Bundestrainer: "Auch die Fans haben diesen Sieg verdient, sie haben eine unglaubliche Verbindung zu den Spielern. Ich bin glücklich, für den FC Barcelona zu arbeiten." In der Tabelle liegt sein Team an der Spitze, jetzt sechs Zähler vor dem ewigen Erzrivalen.
Quelle: ntv.de