Fußball

Sorry, Roy! Fossil Hodgson verwandelt Crystal Palace

"Was auch immer am Ende meiner Zeit bei Crystal Palace passiert, ich werde denken, dass ich ein sehr guter Fußball-Trainer bin": Roy Hodgson.

"Was auch immer am Ende meiner Zeit bei Crystal Palace passiert, ich werde denken, dass ich ein sehr guter Fußball-Trainer bin": Roy Hodgson.

(Foto: Action Images via Reuters)

Als der Fußball-Klub Crystal Palace den 70 Jahre alten Roy Hodgson als Feuerwehrmann im Kampf gegen den Abstieg aus der englischen Premier League engagiert, ist die Skepsis groß - auch bei unserem Autor. Zu Unrecht.

Bei der Frage nach der Blickrichtung musste Roy Hodgson lachen, dabei hätte er beste Gründe gehabt, sich geschmeichelt zu fühlen. Ob er in den Tabelle schon nach vorne schaue oder nur nach hinten, wurde er im Gespräch für die britische Sportschau-Variante Match of the Day von Moderator Gary Lineker gefragt. "Oh nein, wir schauen immer nur nach hinten. Das wird noch eine Weile so weitergehen", sagte Hodgson.

Es ist schon erstaunlich, dass der Trainer von Crystal Palace mit solchen Fragen konfrontiert wird. Dass es überhaupt möglich scheint, dass sich der Klub aus dem Süden Londons nach vorne orientiert in der Rangliste der Premier League. Als der 70 Jahre alte Übungsleiter mit seiner sehr speziellen Aussprache - er wird als "Woy" verspottet, weil er Probleme mit dem englischen R hat - Mitte September für den gescheiterten Frank de Boer ins Amt kam, war der Klub Tabellenletzter. Und auch die ersten Partien unter dem Trainer-Fossil bei seiner 17. Station im Vereinsfußball gingen schief. Nach dem siebten Spieltag hatte Crystal Palace genau so wenig Punkte wie Tore, nämlich genau: null.

Hendrik Buchheister, Jahrgang 1986, ist freier Journalist, schreibt nicht nur über Fußball und berichtet seit dieser Saison aus Manchester über das sportliche Geschehen in England. Just ist sein Buch "Choreo - Kunstwerke aus deutschen Fußball-Fankurven" erschienen.

Hendrik Buchheister, Jahrgang 1986, ist freier Journalist, schreibt nicht nur über Fußball und berichtet seit dieser Saison aus Manchester über das sportliche Geschehen in England. Just ist sein Buch "Choreo - Kunstwerke aus deutschen Fußball-Fankurven" erschienen.

(Foto: Verena Knemeyer)

Hodgsons Karriere schien vorbei zu sein, nachdem er Englands Nationalmannschaft bei der EM 2016 in Frankreich zu einem demütigenden Achtelfinal-Aus gegen Island geführt hatte. Die Skepsis unter Fans und Fachleuten war groß, als Crystal Palace ihn zum Feuerwehrmann machte. Auch beim Autor dieser Kolumne. Seine einzige Befähigung zu dem Job schien zu sein, dass er in der Jugend für den Verein gespielt hatte. Doch die Skepsis war unberechtigt, wie sich jetzt zeigt. Es ist Zeit, Sorry zu sagen.

Der Trainer hat Crystal Palace verwandelt. Aus einem sicheren Absteiger hat er ein solides Team gemacht, das sich ins Tabellenmittelfeld geschoben hat. In den vergangenen zwölf Spielen kassierte die Mannschaft nur eine Niederlage. An Silvester wäre fast ein Sieg gegen Manchester City gelungen. Allerdings entschied sich Mittelfeldspieler Luka Milivojevic, seinen Elfmeter in der Nachspielzeit so schwach zu schießen, dass die Partie torlos endete.

Mit den beiden Erfolgen gegen Southampton (2:1) und Burnley (1:0) zuletzt gelangen dem Team schon zum zweiten Mal in dieser Saison zwei Siege nacheinander. Der Vorsprung auf die Abstiegsränge beträgt schon fünf Punkte. Damit ist der Klub noch nicht gerettet. Doch anders als nach den ersten Spielen der Saison ist der Klassenerhalt für Crystal Palace mittlerweile deutlich wahrscheinlicher als der Gang in die zweite Liga.

"Ich führe das Pferd nur zum Wasser"

Natürlich, Hodgson hat ein paar Umstellungen vorgenommen. Außerdem profitiert die Mannschaft davon, dass sich Leistungsträger aus dem Krankenstand zurück gemeldet haben, vor allem Christian Benteke und Wilfried Zaha, die Top-Torschützen der vergangenen Saison. Der Hauptgrund für den Aufschwung der Abgeschriebenen ist allerdings die neue Ordnung, die Hodgson dem Team verpasst hat. Die Mannschaft spielt unter seiner Regie taktisch diszipliniert und arbeitet gut zusammen. Das reicht, um dem größten Schlamassel zu entkommen.

Der Trainer selbst möchte kein Angeber sein. Er mag nicht prahlen und gibt sich zurückhaltend, wenn er nach seinem Anteil am Erfolg gefragt wird. Einerseits. "Ich führe das Pferd nur zum Wasser. Mehr kann ich nicht machen", berichtete er bei Match of the Day und meinte damit, dass er seinen Spielern zwar den Weg weisen könne, doch trinken - äh, Verzeihung! - spielen müssten sie schon selbst. Andererseits verspürt er doch eine gewisse Genugtuung. "Was auch immer am Ende meiner Zeit bei Crystal Palace passiert, ich werde denken, dass ich ein sehr guter Fußball-Trainer bin. Das weiß ich, das sehe ich jeden Tag", sagte er neulich. Er ist stolz auf die Errungenschaften seiner mehr 40 Jahre dauernden Laufbahn als Übungsleiter.

Hodgson ist ein paar Mal gescheitert. Bei Blackburn Rovers, beim FC Liverpool und am Ende auch als englischer Nationaltrainer. Doch er kam immer wieder zurück. Weshalb sich der "Guardian" just zu einer Art Gratulation zu einem angemessenen Ausstand veranlasst sah. "Seine Methoden mögen nicht auf dem höchsten Niveau funktionieren, aber es ist schwer vorstellbar, dass irgendjemand diesem anständigen Mann des Fußballs neidet, das Ende seiner Karriere mit Würde anzugehen und einer neuen Fangemeinde Hoffnung und Freude zu bringen", schrieb die Zeitung über seinen unerwarteten Erfolg bei Crystal Palace.

Das ist, erstens: etwas umständlich formuliert. Und zweitens: die blanke Wahrheit.

Quelle: ntv.de

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