Fußball

Vom DFB-Ass zur Spielerberaterin Trotz "Schock"-Aus bleibt Lena Goeßling der Bundesliga treu

Goeßling berät auch Amira Dahl vom HSV, die einen Ausrüstervertrag bei Nike unterschreiben konnte.

Goeßling berät auch Amira Dahl vom HSV, die einen Ausrüstervertrag bei Nike unterschreiben konnte.

(Foto: Goeßling, privat)

Vor knapp zwei Jahren beendet Lena Goeßling ihre Karriere als Fußballerin. Zu ihrem neuen Job als Spielerberaterin kommt sie eher zufällig, doch damit bleibt sie auch der Bundesliga treu. In dieser sieht sie noch viel Potenzial. Ums Geld geht es aber längst nicht ausschließlich.

Tuva Hansen hat in der Bundesliga der Frauen in diesem Winter ein Alleinstellungsmerkmal. Die Abwehrspielerin wechselte im Januar zum FC Bayern - und der Tabellenzweite überwies laut soccerdonna.de 50.000 Euro Ablöse nach Norwegen, an SK Brann. Die norwegische Nationalspielerin ist damit der einzige Transfer, den sich ein Klub hat Ablöse kosten lassen. An diesem Sonntag gastiert sie mit den Münchnerinnen zum Auftakt ins neue Fußballjahr beim Schlusslicht der Liga, dem gefallenen Traditionsverein Turbine Potsdam (13 Uhr im Liveticker bei ntv.de).

Ganz anders hätte es da beinahe in England ausgesehen. Der Weltrekord-Transfer in der Women's Super League scheiterte nur an der Hartnäckigkeit von Manchester United, Alessia Russo nicht abgeben zu wollen. Der FC Arsenal hätte sonst 565.000 Euro für die Europameisterin bezahlt. Summen, die in der Bundesliga undenkbar sind, sagt Spielerberaterin Lena Goeßling im Interview mit ntv.de. "In England ist es anders, weil es dort einfach einen anderen finanziellen Hintergrund gibt." Premier-League-Klubs sind verpflichtet, ein Frauenteam an den Start zu bringen, Investoren haben das wirtschaftliche Potenzial des Sports offenbar schon deutlicher erkannt, der TV-Deal in England garantiert den Klubs wesentlich mehr Einnahmen als in Deutschland.

Spielerberaterin war nicht immer der große Traum

Hierzulande gehen immer noch viele Vereinswechsel ohne eine Ablöse über die Bühne, auch international fließt längst nicht immer das große Geld. Lina Magull, inzwischen Kapitänin des FC Bayern, erzählte im Podcast "Mittags bei Henning" einmal, dass ihr Wechsel vom VfL Wolfsburg zum SC Freiburg im Jahr 2017 zwar etwas kostete, sie die Summe aber selbst bezahlte. Eine Situation, die Goeßling, bis 2021 selbst Fußballprofi beim VfL Wolfsburg, zwiespältig sieht. "Generell halte ich davon nicht so viel von. Wenn ein Verein eine Spielerin unbedingt haben möchte, gibt es immer Mittel und Wege, auch die Ablösesumme zu stemmen", so die 36-Jährige. "Es ist auch kein gutes Zeichen nach außen."

Letztlich müsse aber die Spielerin entscheiden, was sie möchte und wenn der Verein und die Stadt so sehr locken, kann Goeßling es sogar verstehen. "Ich hätte es vermutlich gemacht, wenn ich ein anderes Leben dort hätte, wenn mein Privatleben anders aufgestellt oder mein Lebenspartner in der Nähe ist." Am Wichtigsten sei, was einen "persönlich glücklich" mache.

Goeßling ist Olympiasiegerin, Europameisterin, zweimalige Champions-League-Siegerin, sechsfache Deutsche Meisterin und achtmalige Pokalsiegerin.

Goeßling ist Olympiasiegerin, Europameisterin, zweimalige Champions-League-Siegerin, sechsfache Deutsche Meisterin und achtmalige Pokalsiegerin.

(Foto: picture alliance / Joaquim Ferreira)

Die Frau, die 106 Mal für das DFB-Team auflief, hat nach der aktiven Karriere die Seiten gewechselt. Nach zehn Jahren beim Liga-Dominator VfL Wolfsburg hat sie 2021 mit dem Leistungssport aufgehört - und ist eher ungeplant in ihre heutige Branche gerutscht. "Es war ein Zufall, dass ich Volker Struth im 'Doppelpass' kennengelernt habe. Da war noch nicht klar, wo mein Weg hingeht und wir haben uns einfach mal zusammengesetzt." Schnell war klar, der Frauenfußball ist im Kommen, die Agentur Sports360 will auch dort mitmischen - und Goeßling ist die richtige für den Job. "Ich war selbst kritisch, als ich angefangen habe, ob das etwas für mich ist. Als Spielerin wird man anders wahrgenommen, als wenn man jetzt quasi berufstätig ist. Und klar, es braucht seine Zeit, dass man sagt, man ist keine Spielerin mehr, sondern auf der anderen Seite."

Als Beraterin muss sie auch die Eltern mitnehmen

Inzwischen hat sie einige Profis und zahlreiche Nachwuchsgrößen unter ihren Fittichen. Nationalspielerin Sophia Kleinherne von Eintracht Frankfurt etwa, ihre ehemalige Wolfsburg-Mitspielerin, die Niederländerin Dominique Janssen, dazu Frankfurts Top-Talent Carlotta Wamser. Es ist vor allem der Nachwuchs, auf den sich Goeßling konzentriert - auch, weil viele Bereiche schon gut abgegrast waren, als sie durchstartete. "Die Agentur hätte vielleicht zwei Jahre eher anfangen müssen, denn der Markt ist im Frauenfußball schon recht voll."

So hat sie nun auch 16- und 17-Jährige unter Vertrag, die in der Regionalliga spielen. Noch Jüngere will sie aber nicht ansprechen, Kinder unter Vertrag zu nehmen ist genauso umstritten wie bei den Männern. Aus eigener Erfahrung weiß sie, welche Hindernisse es gibt: "Mein Vater war damals auch immer eher negativ eingestellt, sich Hilfe zu holen." Und doch hatte sie einen Berater. "Ja, ich habe das gemacht, weil ich glaube, wenn man einen Vertrag abschließt, hätte mein Vater zum Beispiel gar nicht gewusst, was da alles drinstehen sollte und was da nicht drinstehen sollte."

Goeßling: "Vorteil, dass ich aus dem Bereich komme"

Es sind vermeintlichen Kleinigkeiten, die sie ihren Schützlingen mitgeben möchte. "Es ist ja nicht immer alles einfach gewesen in meiner Karriere, es ging nicht immer nur bergauf, es gab ja auch mal Rückschläge in meiner Karriere", blickt sie gegenüber ntv.de zurück. So ärgerte sie sich bei ihrem Rücktritt aus der Nationalmannschaft im Jahr 2019 öffentlich über Trainerin Martina Voss-Tecklenburg, auch ihr Karriereende verlief nicht ganz nach ihren Wünschen. Dass die Wölfinnen ihren Vertrag nicht mehr verlängert hatten, war für sie "ein Schock", wie sie damals sagte. Zugleich konnte sie sich aber nicht vorstellen, nach zehn Jahren am Mittellandkanal noch einmal einem anderen Klub gerecht zu werden. Dann traf sie Struth. "Ich glaube, das ist ja das Wichtigste, dass man dann für eine Spielerin da ist und dass man sagen kann: 'Du, ich habe da in der Situation so gehandelt. Ich habe den und den Rat angenommen.' Von daher sage ich schon, dass es ein Vorteil für mich ist, dass ich aus dem Bereich komme."

Zudem könne ein Netzwerk mit einem Berater eine Karriere vereinfachen. Während bei Jungs der Weg über ein Nachwuchszentrum häufig vorgezeichnet ist, gibt es bei den Mädchen immer noch viele Freiheiten - damit aber auch Unwägbarkeiten. "Für junge Spielerinnen ist es gar nicht so einfach, den Verein mal eben zu verlassen. Das Paket muss stimmen, auch die Schule." Der finanzielle Aspekt sei ebenfalls wichtig, schließlich muss das Leben finanziert werden können.

"Im Frauenbereich ist noch viel Potenzial"

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Beratungsagenturen können da zur Professionalisierung beitragen, doch Goeßling sieht nicht alles nur positiv, was bei den Männern passiert. Das regelrechte Pampern gibt es bei den Frauen nicht, "sie hinterfragen, sie sind selbstständiger", so die Frau, die ihre Karriere einst beim FC Gütersloh 2000 begann, ehe sie über den SC Bad Neuenahr nach Wolfsburg wechselte. "Wenn es Themen gibt, die sie interessieren, wie zum Beispiel die Ernährung, dann informieren sie sich einfach erst mal selbst, und sagen nicht 'ich brauche jetzt jemanden, der mir die Ernährung erklärt.'", erklärt sie. "Und sie haben natürlich auch nicht die finanziellen Mittel, um zu sagen: 'Ja, dann hole ich mir einfach meinen Koch ins Haus, der für mich kocht.' Das geht halt einfach nicht." Auch das perfekt auf den Profisport abgestimmte Umfeld unter anderem mit Privattrainern können sich die Frauen häufig nicht leisten.

Der Vergleich mit dem Männerfußball hinkt - und womöglich sind der ganz große Zirkus und die ganz großen Summen auch gar nicht erstrebenswert. Der Transfer von Neymar von Barcelona nach Paris für aberwitzige 222 Millionen Euro erntete bekanntermaßen keine Hochachtung, sondern nur noch Kopfschütteln. Ihr eigener Job unterscheidet sich dabei gar nicht so sehr von dem ihrer Kollegen im Männerfußball: "Irgendwie ist das Geschäft ja schon gleich, nur vielleicht die Höhe des Geldes nicht." Sie ist sicher: "Im Frauenbereich ist noch viel, viel Potenzial. Wenn man von Top-Spielern redet, sind es in Deutschland vielleicht die ersten vier Vereine, in Spanien sind es zwei, drei Vereine. Es sind immer nur Teile der Liga, in der es Top-Spielerinnen gibt." Die Transfersummen, die aus England zu vernehmen sind, die professionellen Strukturen bei den Top-Teams auch in der Bundesliga: Sie zeigen den Weg auf, in den es in der Zukunft gehen könnte.

Quelle: ntv.de

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