
Russo bleibt vorerst bei Manchester United.
(Foto: picture alliance / Action Plus)
Weltrekord - dann sogar nochmal was draufgepackt. Doch es hilft nichts, der FC Arsenal scheitert mit dem Wunschtransfer an der Hartnäckigkeit von Manchester United. Alessia Russo sollte die Kandidatinnen auf die Meisterschaft verstärken, die 23-Jährige erlebt seit dem EM-Titel ein turbulentes halbes Jahr.
Die Kronjuwelen, die Beefeater, die Münzsammlung, historische Rüstungen, Kunst und Prunk, die Raben - und die Fußballschuhe von Alessia Russo. Der Tower von London bietet viel Sehenswertes, ein Besuch ist bei einer Reise in die britische Hauptstadt geradezu Pflicht. Wie das letzte Teil der Aufzählung dazu passt? Russo konnte es selbst kaum glauben, es sei die "coolste Sache", die ihr je passiert ist. Ihre Schuhe als "nationaler Schatz" neben den Kronjuwelen ausgestellt - das hatte sie sich verdient, weil sie mit England die Fußball-Europameisterschaft der Frauen im eigenen Land gewonnen hatte.
Vermutlich nicht ganz so cool ist für sie die jüngste Aufregung um ihre Person. Die 23-Jährige sollte zum Weltrekord-Transfer im Fußball der Frauen werden. Mehr als 460.000 Euro bot der FC Arsenal für die Stürmerin von Manchester United. Schon damit wäre sie teurer gewesen als ihre Nationalmannschaftskollegin Keira Walsh, die im vergangenen Sommer von Manchester City zum FC Barcelona gewechselt war und etwa jene 460.000 Euro gekostet hatte. Weil Man United hart blieb, legte Arsenal nur wenige Stunden vor dem Schließen des Transferfensters noch einmal gut 100.000 Euro oben drauf, berichtete "Telegraph"-Reporter Tom Garry. Doch die Red Devils blieben standhaft. Um "keinen Preis" wollten sie ihre Stürmerin abgeben.
Bei diesen Preisen auf dem Transfermarkt sind die Frauen natürlich noch weit entfernt von den galaktischen Preisen ihrer männlichen Kollegen. 222 Millionen Euro ließ sich Paris St. Germain Neymar in der Saison 2017/18 bekanntlich kosten, Kylian Mbappé wechselte für 145 Millionen Euro ebenfalls nach Paris. Doch die steigenden Transfersummen bei den Frauen spiegeln den wachsenden Stellenwert des Sports. Vor gut zwei Jahren hatte der damalige Transferrekord noch bei rund 100.000 Euro weniger gelegen, für die 350.000 Euro war die damalige Wolfsburgerin Pernille Harder zum FC Chelsea gewechselt.
Das schönste EM-Tor
Russo war für die besondere Ehre im Tower ausgewählt worden, da ihr Treffer zum zwischenzeitlichen 3:0 (Endstand 4:0) im Halbfinale gegen Schweden von der UEFA zum besten Tor des Turniers ausgewählt worden war. Bei diesem war Russo zunächst noch an Torhüterin Hedvig Lindahl gescheitert, der Ball prallte ihr aber in den Lauf, sodass sie ihn nach rechts mitnahm und anschließend mit der Hacke durch die Beine Lindahls verwandelte. Ich bin mir nicht sicher, ob ich jemals wieder so ein Tor schießen werde", hatte Russo anschließend der BBC gesagt. "Es war großartig, dass ich das auf einer solchen Bühne machen konnte. Es war etwas Besonderes und die Leute reden immer noch darüber, das ist schön."
Ihre Töppen besuchte sie dann mit ihrer Familie im Tower. "Meine Familie war ganz aus dem Häuschen. Wir waren alle etwas verblüfft." Sie sah die Auszeichnung aber auch als Ansporn. "Wenn das bedeutet, dass wir mehr Anerkennung bekommen - solange der Frauenfußball weiter wächst - dann ist das Teil des Jobs", erklärte sie und betonte, dass sich vieles seit dem EM-Titel geändert hat: "Das Wachstum des Sports in den letzten Monaten war unglaublich."
Das spürte sie jetzt auch bei dem Trubel um ihre Person. Seit 2020 spielt sie für Manchester United, offenbar aber ist es nur noch eine Frage der Zeit, wie lange noch. Denn ihr Vertrag läuft im Sommer aus, Verhandlungen über eine vorzeitige Verlängerung scheiterten schon im vergangenen Juni. Im Sommer wird Russo ablösefrei zu haben sein, Man United schlug den Transfermarkt-Rekord trotzdem aus. Liga-Konkurrent Arsenal hatte die Mittelstürmerin Berichten zufolge seit Monaten beobachtet. Auch Rivale FC Chelsea und die Champions-League-Rekordsiegerinnen von Olympique Lyon sowie mehrere US-Klubs sollen an einem Transfer interessiert gewesen sein.
Arsenal mit verletzten Stars
Die 23-Jährige bleibt nun beim Tabellenführer der Women's Super League. Manchester United hat nach elf Spielen 28 Punkte auf dem Konto - genauso viele wie der FC Chelsea -, als Dritter folgt der FC Arsenal mit einem Spiel weniger und 25 Punkten. Für die Gunners wäre Russo eine extrem wichtige Verstärkung gewesen. Mit der besten Torschützin der EM, Russos Teamkollegin Beth Mead, sowie der Rekordtorschützin der Liga, Vivianne Miedema, fallen gleich zwei Stürmerinnen mit Kreuzbandrissen aus. "Ich wäre enttäuscht, wenn wir nicht zusätzlich zu den bereits verpflichteten Spielerinnen noch eine Torjägerin holen könnten", hatte Trainer Jonas Eidevall betont. "Angesichts der Anzahl und des Niveaus der Spiele, die wir bestreiten, sollte das für uns in diesem Transferfenster eine sehr wichtige Priorität sein." Nun sieht es aber so aus, als würde Eidevall mit dem bestehenden Personal auskommen müssen. Auch weitere angestrebte Transfers, etwa von Signe Bruun von Olympique Lyon, scheiterten ebenso.
Im Rennen um den Titel haben die Londonerinnen bislang fünf Tore weniger geschossen als Manchester United, das Double ist möglich. Neben der Liga spielt Arsenal auch noch um den FA Cup. Am Samstag setzte sich das Team, das den Pokal bereits 14-mal gewinnen konnte, in der vierten Runde souverän und überlegen mit 9:0 gegen Leeds United durch. Als Nächstes müssen sie auswärts gegen Titelverteidiger Chelsea ran. Nun aber ohne Russo.
Die 23-Jährige war 2020 vom US-College-Team North Carolina Tar Heels zurück in ihre Heimat gewechselt. In bislang 35 Spielen in der Women's Super League hat sie 17 Tore erzielt und acht Treffer vorbereitet. In dieser Saison hat sie in neun Partien fünf Tore geschossen und eins aufgelegt. Bei der EM glänzte sie mit vier Toren, insgesamt hat sie für Englands A-Nationalmannschaft in nur 15 Spielen bereits 10 Tore geschossen.
Quelle: ntv.de