Fußball

Niederlande eiert durch WM-Quali Für diese Qual opfert van Gaal seine Rente

Van Gaal ackert lieber, als den Ruhestand zu genießen.

Van Gaal ackert lieber, als den Ruhestand zu genießen.

(Foto: imago images/ANP)

Der Name Louis van Gaal ist ein Prädikat im Weltfußball. Er soll zum dritten Mal seine niederländische Nationalmannschaft retten, spricht vollmundig vom Weltmeister-Titel. Und landet unsanft. Gegen die Türkei muss nun dringend ein Sieg her, sonst könnte Oranje bei der WM nur zugucken.

Dass Erling Haaland ein Spielverderber ist, wissen nicht nur die Klubs der Fußball-Bundesliga. Der Norweger ist so ein begnadeter Spielverderber, dass ihn lieber alle in ihrem Team haben wollen, als gegen ihn zu spielen. Warum das so ist, erfuhr in der vergangenen Woche auch Trainer Louis van Gaal am eigenen Leib. Der wieder mal niederländische Nationaltrainer - es ist seine dritte Amtszeit - hatte noch verkündet, mit seiner Mannschaft Weltmeister werden zu wollen. Dann kam Haaland - und der Bondscoach sprach seinem Team höchstpersönlich das Attribut "Weltklasse" ab.

Ein Treffer des Norwegers hatte gereicht, dass das neue niederländische Selbstbewusstsein in der WM-Qualifikation einen argen Dämpfer erhielt. Das Team ist "nur" Zweiter der Gruppe G, lediglich der Erste qualifiziert sich direkt für das umstrittene Turnier in Katar zur Vorweihnachtszeit des kommenden Jahres. Der Zweite schafft es immerhin in die Playoffs - auf diesem Platz stehen die Niederlande aktuell nur wegen des besseren Torverhältnisses, Haalands Norweger sind Dritter. Es wird den Stürmer wurmen, dass ein Torschuss in der zweiten Halbzeit nur an den Pfosten rauschte. Sonst wäre Norwegen vorbeigezogen. Und die Niederlande noch weiter in Bedrängnis.

Gut für van Gaal und Co, dass es diesen Haaland nur einmal gibt. Dass Drasko Bozovic, Stefan Mugosa und die restliche Offensive Montenegros dem 21-Jährigen in einigem nachstehen. Weil auch deren Hinterleute weniger gut spielen, konnten die Niederlande am Samstag das 4:0 gegen den Weltranglisten-67. bejubeln. Ein Spiel, das erleichtert, mehr aber auch nicht. Zwei Treffer von Memphis Depay, einer von Georginio Wijnaldum, einer von Cody Gakpo. Es klingt souverän, schön war es nicht. "Die ersten 20 Minuten waren schlecht", urteilte van Gaal.

"Du bist kein Idiot"

In bemerkenswerter Erinnerung bleibt stattdessen eine Szene aus dem Sonntagstraining, festgehalten in einem Video: U21-Spieler Quinten Timber durfte mitmischen, van Gaal belohnte "den Besten" der Junioren, der in diesem Sommer von Ajax Amsterdam zum FC Utrecht gewechselt war. Was daran so besonders war? Van Gaal sagte Timber, dass er selbst geimpft sei und fragte nach dessen Status. Als Timber bejahte, lautete die erleichterte Antwort des Trainers: "Gott sei Dank. Du bist kein Idiot." Eine kleine Szene, die zeigt, wie der "General" van Gaal tickt, wie meinungsstark er ist. Dass er in seinem Team möglichst keine Abweichler haben möchte, dass seine Meinung zählt.

Die kann er zwar durchaus mal ändern, aber dann ist seine neue Sichtweise Gesetz. Einst hatte van Gaal seiner Frau Truus angekündigt, mit 55 Jahren in Rente gehen zu wollen. Daraus wurden 65 Jahre, jetzt ist er 70 und seit drei Wochen wieder Bondscoach. Er übernahm vom 19 Jahre jüngeren Frank de Boer, der einst unter ihm spielte. Und der schon vor der enttäuschenden EM heftig in der Kritik stand, nach der er zurücktrat. Erst im September 2020 hatte er vom zum FC Barcelona wechselnden Ronald Koeman übernommen, ließ dann zum Entsetzen der Niederländer aber nicht im heiligen 4-3-3-System spielen. Was sogar absurde Szenen während der Trainings zur Folge hatte, als ein Flugzeug mit Spruchband "Frank, wie immer 4-3-3" über den Platz flog. Sein 5-3-2-Format brachte drei Siege in der EM-Gruppenphase, doch danach war Schluss. Van Gaal soll die Stärke, das Selbstvertrauen zurückholen. Er soll trotz seines Alters den Weg in die sportliche Zukunft der Niederlande ebnen. "Wer soll es auch sonst machen?", hatte van Gaal bei seinem Antritt gesagt. Da ist er wieder, der Trainer mit dem Riesen-Ego.

So viel Selbstbewusstsein wie ihr Coach brauchen nun auch die Spieler in der WM-Quali. Platz zwei reicht nicht, Platz eins belegt aktuell die Türkei - allerdings mit nur einem Punkt Vorsprung. Jenes Team, gegen das es nun am Abend zum Duell (20.45 Uhr im ntv.de-Liveticker) kommt. Oder besser gesagt: zur Revanche. Das Hinspiel am 25. März - noch unter de Boer - war mit 2:4 geendet, eine Schmach für Oranje. Burak Yilmaz hatte für den niederländischen Albtraum gesorgt, dreimal getroffen und die niederländische Abwehr dabei zu üblen Fehlern getrieben.

Revanche gegen Türkei?

Vor allem Matthijs de Ligt wird sich mit Grauen erinnern, er war maßgeblich am 0:1 beteiligt gewesen. Nun soll, muss, alles besser werden. Und das schnell. Wie soll Oranje sonst Weltmeister werden, wenn das Team gar nicht dabei ist? Und dem General van Gaal wagt man doch nicht zu widersprechen. Nun, der hat es ja eingesehen, "Weltklasse" ist das Team nicht. Doch nach den ersten drei Quali-Spielen, die noch unter van Boer stattfanden, dem Unentschieden gegen die Norweger und dem Sieg gegen Montenegro ist noch alles drin. Immerhin.

Van Gaal ist aktuell derjenige, der von den Fans gefeiert wird. So war es zuletzt gegen Montenegro, so könnte es beim nächsten Heimsieg auch wieder sein. Denn die Türkei muss zum Rückspiel in Amsterdam antreten. Schlechte Nachricht für die Niederlande: Yilmaz fehlte beim 3:0-Sieg der Türkei gegen Gibraltar gelbgesperrt, darf nun aber wieder auflaufen. Diesmal sollten de Ligt und Co gewarnt sein. Gut für Oranje: Die EM lief für den Gegner noch schlechter als für sie selbst. Drei Pleiten, null Punkte, Aus in der Vorrunde. Die Niederlande folgten wie Deutschland im Achtelfinale.

"Wir müssen mehr als Team spielen", hatte van Gaal nach dem Remis gegen Norwegen gemeckert. Das gilt auch gegen die Türkei, die nur anhand der Qualität der Einzelspieler nicht an die Niederlande herankommen sollte. Einzig der Ex-Leverkusener Hakan Calhanoglu, der jüngst von AC zu Inter Mailand wechselte, ist internationale Klasse. Da hat Oranje mehr zu bieten. Doch das muss das Team auch auf dem Platz beweisen. Sonst wird es mit dem direkten WM-Startplatz ganz schnell ganz eng. Und auch das Playoff-Ticket ist längst nicht sicher - Haaland und Co treten noch zum Rückspiel an.

Quelle: ntv.de

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