Fußball

"Feuer fast ausgebrannt" Große DFB-Ära endet: Kapitänin Alexandra Popp tritt emotional zurück

Olympia-Bronze ist der letzte Erfolg von Alexandra Popp mit dem DFB-Team.

Olympia-Bronze ist der letzte Erfolg von Alexandra Popp mit dem DFB-Team.

(Foto: picture alliance / Eibner-Pressefoto)

Es ist ein emotionaler Abschied: Alexandra Popp tritt aus dem Fußball-Nationalteam zurück. Nach 145 Spielen im DFB-Trikot und fünf Jahren als Kapitänin wird Schluss sein. Ihr Abschiedsspiel findet ausgerechnet in ihrer alten Heimat statt. Sie gibt ihrem Team warme Worte mit auf den Weg.

Deutschlands bekannteste Fußballerin tritt aus dem Nationalteam zurück: Alexandra Popp verlässt den DFB. "Nach langen, tränenreichen Überlegungen, habe ich mich schweren Herzens dazu entschlossen, meine Nationalmannschaftskarriere zu beenden. Das Feuer, welches vor 18 Jahren in mir entfacht und von Jahr zu Jahr stärker wurde, ist nun fast ausgebrannt", sagt sie in einer Nachricht bei Instagram. Der neue Bundestrainer Christian Wück muss damit gleich zu Beginn seiner Amtszeit auch eine neue Kapitänin berufen.

Das erste Spiel unter seiner Leitung steigt am 25. Oktober im Wembley-Stadion gegen England. Am 28. Oktober beim Spiel gegen Australien wird Popp ein letztes Mal im DFB-Trikot auflaufen - ausgerechnet in ihrer alten Heimat Duisburg. Dort fand auch ihr erstes Länderspiel statt.

"Alex Popp war knapp eineinhalb Dekaden das prägende Gesicht der Frauen-Nationalmannschaft. Sie war eine Schlüsselspielerin, ist auf und neben dem Platz vorangegangen - mit ihrer Einstellung, Mentalität, Persönlichkeit und natürlich ihren fußballerischen Qualitäten. Jetzt werden andere diese Lücke füllen und Führungsaufgaben übernehmen", sagte Wück laut DFB-Mitteilung. "Ich hätte sehr gerne mit ihr in der Nationalmannschaft zusammengearbeitet, wusste aber relativ kurz nach den Olympischen Spielen, in welche Richtung ihre Überlegungen gehen. Sie hinterlässt große Fußspuren in der Nationalmannschaft. Dafür gebührt ihr größter Respekt."

Körper als "tickende Zeitbombe"

Ihre Fußball-Karriere setzt Popp im Verein vorerst fort. Ihr Vertrag beim VfL Wolfsburg läuft noch bis zum 30. Juni 2025. Ob sie nach dieser Saison weiter Fußball spielen wird, ist noch unklar. Popp hatte immer wieder mit Verletzungen zu kämpfen.

"Mir war immer wichtig, diese einschneidende Entscheidung selbst zu treffen, ich alleine aus meinem Inneren. Weder mein Körper, der eine tickende Zeitbombe ist, noch eine andere Person sollten mir zuvorkommen. Bevor das Feuer ganz erloschen ist - denn dann wäre es zu spät - ist nun der richtige Zeitpunkt gekommen."

Die 33-jährige Popp hatte zuletzt mit dem DFB-Team Bronze bei den Olympischen Spielen gewonnen, ihren größten Erfolg feierte sie als Olympiasiegerin von 2016, zudem wurde sie 2022 Vize-Europameisterin. In 144 Länderspielen erzielte sie 67 Tore, seit 2019 führte Popp das DFB-Team als Kapitänin an. Ihr Debüt im A-Nationalteam hatte sie am 17. Februar 2010 gegen Nordkorea gegeben, ihre Karriere beim DFB hatte aber schon vor dem ersten A-Länderspiel begonnen. Mit der U17 wurde sie Europameisterin, mit der U20 Weltmeisterin im eigenen Land. Das Turnier beendete sie als Torschützenkönigin und mit der Auszeichnung als beste Spielerin.

DFB-Präsident Bernd Neuendorf würdigte Popp als "Sympathieträgerin des deutschen Fußballs" - und betonte: "Sportlich war und ist sie eine Ausnahmeerscheinung. Und dank Ihrer offenen und ehrlichen Art sowie ihrer klaren Haltung war sie darüber hinaus eine herausragende Botschafterin des DFB."

Reihe an Abschieden im DFB-Team

Dass Popp ihre Karriere im DFB nicht fortsetzt, hatte sich zuletzt bereits angedeutet. Deutschlands dreimalige "Fußballerin des Jahres" ließ sowohl nach der EM 2022 als auch nach dem WM-Debakel 2023 und jetzt dem Erfolg bei Olympia jeweils lange offen, ob sie weiter im Nationalteam spielen würde. Bislang hatte sie sich immer für eine Fortsetzung entschieden, nun aber ist Schluss. Mit Torhüterin Merle Frohms und Abwehrchefin Marina Hegering hatten sich nach Olympia bereits zwei weitere Spielerinnen aus dem DFB-Team verabschiedet. Popp war die letzte verbliebene Rio-Olympiasiegerin im Kader für Frankreich gewesen. Im kommenden Jahr steht die Europameisterschaft in der Schweiz an.

Mit Alexandra Popp verliert das DFB-Team sein Aushängeschild. Die variable Spielerin ist eine Identifikationsfigur, wurde 2022 vom "Kicker" als erste Frau überhaupt zur "Persönlichkeit des Jahres" gewählt. Nachdem sie von dem Preis erfahren habe, habe sie sich gefragt: "Was habe ich denn getan? Ich habe Fußball gespielt, und eigentlich war ich nur ich selbst. Es war mir auch immer wichtig, dass ich meine Bodenständigkeit behalte. Das schätzen auch viele an mir. Und es ist mir aber auch wichtig, mir selbst treu zu bleiben. Ich will mich nicht verstellen, sondern authentisch bleiben." Sie ist meinungsstark und tritt für die Interessen der Frauen im Fußball ein. Sie genießt das Ansehen ihrer Mitspielerinnen, Lena Oberdorf bezeichnete sie vor der EM 2022 als "Anker der Mannschaft", für den Nachwuchs ist sie ein Idol.

Von ihren Gegenspielerinnen ist sie gefürchtet für ihre Mentalität, nie aufzugeben, ihre Kopfballstärke, ihre Kampfkraft und ihre enorme Präsenz. Als Popp unmittelbar vor dem EM-Finale 2022 verletzt passen musste, sagte die damalige Bundestrainerin Martina Voss-Tecklenburg nach dem verlorenen Duell mit England: "Es hätte wahrscheinlich was ausgelöst, wenn Poppi gespielt hätte."

"War ja mit 17 oder 18 medial schon die zweite Birgit Prinz"

Am bekanntesten ist Popp als Torjägerin, sie wurde im Laufe ihrer Karriere aber auch auf vielen anderen Positionen eingesetzt. In Wolfsburg anfangs gar in der Defensive, zuletzt spielte sie bei den Olympischen Spielen im Team von Interims-Bundestrainer Horst Hrubesch aufgrund des Ausfalls von Lena Oberdorf zeitweise im defensiven Mittelfeld. "Ich bin froh, wenn ich in der Sturmspitze spielen darf", sagte sie erst kürzlich, und doch stellte sie sich bei Olympia einmal mehr in den Dienst des Teams.

Popps erstes Turnier im A-Team war die Heim-WM 2011, als jüngste Spielerin war Popp neben gestandenen Größen wie den Sturm-Legenden Birgit Prinz und Inka Grings, Torhüterin Nadine Angerer oder der neuen DFB-Co-Trainerin Saskia Bartusiak im Team, das bereits im Viertelfinale an den späteren Weltmeisterinnen aus Japan scheiterte. Sie wurde im Schatten der Alles-Gewinnerinnen aus einer Zeit groß, in der die deutschen Frauen alles im Fußball dominierten, wurde von ihnen unter die Fittiche genommen, ehe sie selbst zum Star heranwuchs. "Ich war ja mit 17 oder 18 medial schon die zweite Birgit Prinz. Das ist nicht einfach. Da hatten meine Eltern schon zu tun, mich auf den Boden der Tatsachen zurückzuholen, und meine beste Freundin war und ist ein großer Anker für mich", sagte sie mal dem "Kicker".

Dass Popp sich nie Europameisterin nennen durfte, liegt an ihrem ganz besonderen Leid. Erst bei der EM 2022 - mit 31 Jahren - spielte sie bei einer Europameisterschaft mit. Sowohl 2013, als das DFB-Team den Titel zum achten Mal - und zum sechsten Mal in Folge - gewann, als auch 2017 fehlte Popp verletzt. Dagegen bestritt sie vier Weltmeisterschaften, nach 2011 auch die von 2015, 2019 dann ihr erstes Turnier als Kapitänin und schließlich das Debakel 2023 mit dem Vorrunden-Aus in Australien.

Nach dem Boom durch die EM 2022 war Popp eine der gefragtesten Spielerinnen. Sie tauschte Trikot und Stutzen gegen Blazer und Bluse, hatte Auftritte bei "Wetten, dass ...?!", wo sie Thomas Gottschalk nach einem Namensversprecher bei Teamkollegin Giulia Gwinn amüsant und schlagfertig Kontra gab, und im TV-Jahresrückblick bei Markus Lanz. In ihrer Biografie "Dann zeige ich es euch eben auf dem Platz" erzählt sie über diese verrückte Zeit, aber auch über den totalen Gegensatz: Nach der EM verstarb ihr Vater, zu dem sie ein enges Verhältnis hatte. Als dieser und ihre Mutter Jahre zuvor ihre Metzgerei aufgeben mussten und in die Privatinsolvenz gingen, gab Popp als junge Fußballerin ihr Fahrtgeld ab, damit die Familie über die Runden kam. Ein Fakt, der die erfolgreiche Sportlerin bis heute prägt und davon abhält, sich etwas wirklich Großes zu gönnen.

Gwinn als Nachfolgerin?

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Abseits des Platzes absolvierte sie parallel zum Fußball eine Ausbildung als Tierpflegerin. Ob sie nach ihrer Karriere in diesem Beruf arbeiten wird, ist aber fraglich. Der VfL Wolfsburg will die Ausnahmespielerin in anderer Funktion weiterbeschäftigen: "Es wäre fahrlässig, sich nicht darum zu bemühen, Alexandra Popp nach so vielen Jahren und mit ihrer Strahlkraft im Klub zu halten", sagte Direktor Ralf Kellermann bereits. Erst einmal aber kann er sich auch vorstellen, Popp weiter spielen zu sehen: "Ich halte es nicht für ausgeschlossen, dass sie den Umbruch, den wir dann spätestens 2025 haben, auch noch begleitet."

Ein Umbruch steht nun auch beim DFB-Team an. Neuer Trainer, neue Kapitänin. Christian Wück muss einen Neustart hinlegen. Als Nachfolgerin von Popp könnte künftig Gwinn die Binde tragen, die 25-Jährige war bereits zuletzt die Vertreterin von Popp und trägt auch abseits des Platzes Verantwortung, ist gefragte Interviewpartnerin. Neben der rechten Außenbahnspielerin gehören Oberdorf - die mit einer Kreuzband- und Innenbandverletzung aber weiterhin ausfällt -, Klara Bühl, Jule Brand, Laura Freigang und Lea Schüller zu den beliebtesten Spielerinnen des DFB-Teams. Sie konnten an und mit Popp wachsen, so wie sie es einst selbst unter den wachsamen Augen der Generation vor ihr getan hat. "Zu guter Letzt möchte ich meinem Team ganz viel Spaß und Erfolg für die Zukunft wünschen, ihr könnt was ganz Großes erreichen. Ihr habt einen Fan mehr", schließt sie ihre Abschiedsbekanntgabe mit Worten an das Team.

Quelle: ntv.de

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